Jugendwohlfahrt, Besuchsbegleitung und das Modell Familiengerichtshilfe im Brennpunkt   

erstellt am
28. 03. 12

Österreichische Kinder- und Jugendanwälte tagten in Graz
Graz (lk) - Am 27. und 28.04. tagten die neun unabhängigen Kinder- und Jugendanwältinnen und -anwälte Österreichs und der Kinder- und Jugendanwalt des Bundes im Rahmen der Ständigen Konferenz der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs (StänKo) in Graz, um sich fachlich auszutauschen, relevante Themen zu diskutieren und gemeinsame Strategien zu erarbeiten. Bei der Pressekonferenz im Medienzentrum Steiermark informierten Brigitte Pörsch (Steiermark), Michael Rauch (Vorarlberg) und Andrea Holz-Dahrenstaedt (Salzburg) am 28.03. zu den Themen Familiengerichtshilfe, Jugendwohlfahrt, Kinderbeistand und Besuchsbegleitung sowie zu einem Schwerpunktthema der Tagung betreffend die Situation von fremduntergebrachten Kindern und Jugendlichen.

Familiengerichtshilfe
Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs weisen in ihren Positionspapieren immer wieder darauf hin, dass Kinder in Trennungs- und Obsorgekonflikten besonderer Unterstützung bedürfen. Mit 1. Jänner 2012 wurde an vier Bezirksgerichten das Modellprojekt Familiengerichtshilfe für Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren eingesetzt. „Durch die Familiengerichtshilfe soll erreicht werden, dass diese als zusätzliche Stelle jene Aufgaben erfüllt, die weder Richterin oder Richter noch der Jugendwohlfahrtsträger erfüllen kann", meint Brigitte Pörsch, Kinder- und Jugendanwältin Steiermark. Die Familiengerichtshilfe kann durch ihre Clearingfunktion dazu beitragen, einzuschätzen, mit welcher Form von Unterstützung Eltern zu einer gütlichen Einigung kommen können um weitere Belastungen für die betroffenen Kinder, Kränkungen, Verhärtungen von Fronten oder Entfremdung des Kindes zu einem Elternteil zu vermeiden.

Die steirische Kinder- und Jugendanwältin weist darauf hin, „dass die Familiengerichtshilfe weder die Aufgaben der Jugendwohlfahrt noch des Kinderbeistandes übernimmt und diese aus dem Verfahren hinausdrängt, sondern zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen soll, um damit nachhaltige Entscheidungen des Gerichts und deren Akzeptanz bei den Parteien zu ermöglichen."

Jugendwohlfahrt
Die Hauptaufgaben der Kinder- und Jugendhilfe sind vor allem durch entsprechende gesetzliche Grundlagen, bestmögliche finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen und ständige fachliche Weiterentwicklung zu erreichen. „Nur so können Antworten auf vielfältige Probleme einer zunehmenden Anzahl von Kindern, Jugendlichen und Eltern gefunden werden, die unter erschwerten Rahmenbedingungen leben", so Michael Rauch, Kinder- und Jugendanwalt Vorarlberg. Kinder und Jugendliche müssen früher als bisher erreicht werden. Kinderschutz sei Kernaufgabe der Kinder- und Jugendhilfe und es müsse daran gearbeitet werden, bessere und koordiniertere Hilfe gewährleisten zu können.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs fordern daher, die gesetzliche Grundlage zu verbessern, an einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung im gesamten Kinder- und Jugendhilfesystem zu arbeiten und Kompetenzzentren für Kinderschutzfragen zu schaffen. „Kinder haben gemäß Artikel 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates", betont Michael Rauch.

Kinderbeistand und Besuchsbegleitung
Trotz nachweislich positiver Auswirkungen der Beiziehung eines Kinderbeistands auf das Kind, wurde der Kinderbeistand seit der Gesetzeseinführung vor knapp zwei Jahren österreichweit nur 255 Mal herangezogen – und das bei zirka 21.000 Scheidungskindern jährlich. Der Kinderbeistand ist noch vielfach relativ unbekannt. „In manchen Gerichtssprengeln gibt es gar keine Kinderbeistände. Damit werden Kinderrechte und der Gleichheitsgrundsatz massiv verletzt", kritisiert die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften fordern, dass der Kinderbeistand zum standardisierten Rechtsanspruch wird und die Ausfinanzierung der nötigen Struktur und der handelnden Personen in Folge gesichert wird.

Obwohl die Besuchsbegleitung per Gerichtsbeschluss verordnet wird, hat es der Gesetzgeber verabsäumt, den Kostenpunkt zu klären. Für die anbietenden Vereine bringt das einen alljährlichen Spießrutenlauf mit sich, um entsprechende Subventionen zu erhalten. Als Konsequenz stellen immer mehr Vereine ihr Angebot ein. „Im Sinne des in der Verfassung verankerten Kinderrechts auf Kontakt zu beiden Eltern sowie des Gleichheitsgrundsatzes fordern die Kinder- und Jugendanwaltschaften eine klare Zuständigkeit für die flächendeckende Finanzierung der Besuchsbegleitung", so Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt.

Ergebnisse der Tagung
Das Arbeitsthema der Tagung betreffend Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen betraf die Einsetzung von externen Vertrauenspersonen für fremduntergebrachte Kinder- und Jugendliche. In der Steiermark sind rund 2.000 Kinder und Jugendliche in Einrichtungen oder bei Pflegeeltern untergebracht. Kinder und Jugendliche sind, auch wenn sie aus der Sichtweise der Wahrung des Kindeswohls fremduntergebracht wurden, in einer für sie neuen und fremden Lebenssituation, vor allem aber in einer neuen Abhängigkeit. Gerade aus der Sicht der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist in dieser schwierigen Situation die Möglichkeit des Kontaktes in Form einer externen Vertrauensperson zur Wahrung ihrer Interessen notwendig. Dass es in Einrichtungen für diese Kinder und Jugendlichen auch eine interne Person des Vertrauens geben kann und muss, ist ein wichtiger Faktor.

Für Kinder und Jugendliche bedeutet die Fremdunterbringung eine neue Form der Abhängigkeit und Loyalitätskonflikte – sie können in der Situation nicht nach Hause zurück. Hier braucht es seitens Kinder und Jugendlicher gewöhnlich viel Mut, ihre eigene Meinung zu vertreten und über bestimmte Probleme oder Wünsche zu sprechen. Auf Grund der Vorfälle, die auch medial bekannt wurden, sind sich die österreichischen Kinder- und Jugendanwälte einig, dass unbedingt eine Lösung im Sinne der Wahrung des Kindeswohls gefunden werden müsse. An diesen essentiellen und umfangreichen Themen wird auch in den nächsten Monate gemeinsam weiter gearbeitet.
     
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