BIP der Eurozone wächst ab 2013 wieder, 2012
jedoch Rückgang um 0,5 Prozent, Rezessionstief bereits erreicht
Wien (rbi) - Die Analysten der Raiffeisen Bank International AG (RBI) verzeichnen zartes Frühlingserwachen
in der Eurozone. „Die Umfrageindikatoren zeigen tendenziell eine erkennbare Verbesserung seit den Wintermonaten.
Das deckt sich mit unserer bisherigen Prognose, die in der Eurozone ab dem zweiten Quartal wieder Wachstumsperspektiven
aufzeigt“, erklärt Valentin Hofstätter, Research-Experte der RBI. Im Durchschnitt rechnet er 2012 in
der Eurozone aber dennoch mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung von 0,5 Prozent – eine deutliche Verbesserung
dürfte sich allerdings ab 2013 einstellen. Für dieses Jahr rechnet Hofstätter mit neuerlichem BIP-Wachstum
von 1,1 Prozent.
„Die großen Emerging Market Volkswirtschaften außerhalb Europas dürften den Konjunkturtiefpunkt
auch durchschritten haben“, berichtet die Raiffeisen Research-Expertin Veronika Lammer. Die schrittweise Lockerung
der Geldpolitik in China und die breitgefächerten fiskalpolitischen Maßnahmen werden ein leichtes Überschreiten
des offiziellen Wachstumsziels von 7,5 Prozent ermöglichen. Brasilien hat die Zinsen massiv gesenkt und hält
den Real auf relativ schwachem Niveau, um die Binnennachfrage zu beleben.
Divergenz zwischen Kern-Euroländern und Euro-Peripheriestaaten wächst
Die Experten von Raiffeisen Research sehen ihre vorsichtigen Annahmen für das Wirtschaftswachstum in diesem
Jahr, trotz der stützenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB), die die Risiken im Finanzsektor
verringert haben, bestätigt. „Interessant ist, dass die Divergenz zwischen den Kern-Euroländern um Deutschland
und den Euro-Peripherstaaten weiter wächst. Für alle Länder der Südflanke mussten die BIP-Schätzungen
weiter ins Minus korrigiert werden“, so Hofstätter.
Eurozone Schuldenkrise: Politik rückt wieder stärker in den Fokus der Finanzmärkte
Der Analyst erwartet, dass die europäische Politik im zweiten Quartal 2012 erstmals seit Monaten wieder stärker
im Fokus der Finanzmärkte stehen wird, nachdem sie zu Jahresbeginn das Marktgeschehen nicht dominierte. Die
nächsten großen Themen mit Auswirkung auf die politische Entwicklung Europas sieht Hofstätter vor
allem in den Wahlen in Frankreich und Griechenland: „Bei den Wahlen in Frankreich deutet alles auf einen Machtwechsel
hin. Im krisengebeutelten Griechenland steht bei den Parlamentswahlen mehr als nur die politische Stabilität
auf dem Spiel.“ Auf EU-Ebene steht laut Hofstätter mit der Stärkung der EU/IWF- Hilfsmechanismen und
der Ratifizierung des Fiskalpaktes, die Umsetzung bereits angekündigter Vorhaben im Mittelpunkt. Darüber
hinaus könnte im weiteren Jahresverlauf nach Meinung des Analysten ein zweites Hilfspaket für Portugal
zum Thema werden.
USA: BIP-Wachstum von 2 Prozent durch bessere Situation auf dem Arbeitsmarkt
In Hinblick auf die Wirtschaftssituation in den USA, hebt Hofstätter seine Prognose für 2012,
aufgrund der verbesserten Lage am Arbeitsmarkt, von 1,5 Prozent auf 2 Prozent an. „Eine Zunahme der konjunkturellen
Dynamik erwarten wir aber erst im zweiten Halbjahr, wenngleich auch diese nicht besonders stark ausfallen wird“,
so der Research-Experte.
Weitere expansive Schritte seitens EZB für die nächsten Monate nicht erwartet
In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass die Maßnahmen der EZB ihre Wirkung nicht verfehlen. „Die Leitzinssenkungen
Ende 2011 und vor allem die generöse Liquiditätszufuhr an Banken haben den Stress im Finanzsystem deutlich
verringert und die Gefahr einer Kreditverknappung stark reduziert“, so Hofstätter. Er erwartet daher in den
nächsten Monaten keine weiteren expansiven Schritte der EZB wie Leitzinssenkungen oder eine nochmalige Ausdehnung
der Kredite an die Geschäftsbanken: „Im Gegenteil, Teile der erweiterten Maßnahmenpalette wurden zuletzt
gar nicht mehr genutzt, so beispielsweise Staatsanleihenkäufe. Andere nur mehr halbherzig, wie Käufe
von gedeckten Bankenanleihen. Insgesamt sollten alle Maßnahmen wohl auch nur im Notfall wieder forciert werden.“
In Summe erwartet er eine lange Niedrigzinsphase mit anhaltend hoher Liquiditätsversorgung.
Euro: Geringe Wechselkursfluktuation gegenüber USD und CHF
Aufgrund einer geringen Schwankung der Renditeunterschiede zwischen USD und Euro im kurz- und längerfristigen
Bereich gehen die Analysten der RBI von einer geringen Fluktuation des Wechselkurses im Bereich zwischen 1,30 und
1,35 aus. Beim CHF ist laut Hofstätter ein Festzurren des EUR/CHF knapp über 1,20 am wahrscheinlichsten.
Gute Performance europäischer Staatsanleihen und Unternehmensaktien erwartet
Für die Research-Expertin Veronika Lammer spricht das gute konjunkturelle Umfeld in der Eurozone für
ein Anhalten der guten Performance von Unternehmensanleihen: „Obwohl auch hier das Risiko einer Korrektur beziehungsweise
einer Seitwärtsbewegung gegeben ist, sehen wir hier größeres Potenzial als am Geldmarkt.“ Die Analystin
erwartet, dass die Risikoprämien bei Unternehmensanleihen langfristig gesehen weiter zurückgehen, da
bereits mehrere Unsicherheitsfaktoren eingepreist wurden.
Die Umsatz- und Gewinnentwicklung der US-Unternehmen präsentiert sich weiterhin sehr robust. Quartal für
Quartal konnten seit Anfang 2009 die Erwartungen der Analysten übertroffen werden. Für heuer geht man
von einer Steigerung der Unternehmensgewinne von 9 Prozent aus. Aber auch für Aktien aus der Eurozone ist
die Expertin optimistisch: „Diese Märkte hatten in den letzten Jahren massiv unter den immer wieder aufflammenden
Ängsten rund um die Verschuldungskrise in der Eurozone zu leiden und befinden sich daher auf tiefen Bewertungsniveaus.
Da die Gewinnerwartungen langsam wieder nach oben genommen werden, bieten sich hier längerfristige Kaufgelegenheiten.“
Für Emerging Markets Aktien sieht Lammer weiter hohes langfristiges Wachstumspotential, kurzfristig tragen
die Ängste über ein mögliches Hard Landing Chinas zur Verunsicherung der Anleger bei. „Dadurch könnten
sich in den nächsten Wochen gute Einstiegskurse ergeben, wobei eine Trendwende des chinesischen Aktienmarktes
nach oben den gesamten EM-Aktienraum beflügeln würde“, so die Analystin.
Der Goldpreis sollte laut einem von Raiffeisen Research entwickelten Modell bis Jahresende wieder ansteigen, wobei
vor allem die unverändert niedrigen realen Zinsen unterstützen. „Kurzfristig weisen die vergleichsweise
geringen spekulativen Positionen der Hedge Funds darauf hin, dass ein Einstieg bald wieder sinnvoll sein könnte“,
erklärt Lammer.
Asset Allocation: Übergewichtung von Aktien gegenüber Anleihen
„Die Erholung der Aktiengewinne und die Verbesserung der Konjunkturerwartungen hat uns zu einer Übergewichtung
von Aktien gegenüber Anleihen veranlasst. Da das Risiko eines neuerlichen Aufflammens der Verschuldungskrise
aber noch nicht gebannt ist, gehen wir nur eine leichte Übergewichtung ein“, sagt Lammer. Das Portfolio setzt
sich somit aus 53 Prozent Aktien, 5 Prozent Immobilien und 42 Prozent Anleihen zusammen, wobei der Geldmarktanteil
gering gehalten wird. |