Innsbruck (med-uni) - Die Erforschung und Behandlung des Parkinson-Syndroms hat im Rahmen des neurowissenschaftlichen
Schwerpunktes an der Medizinischen Universität Innsbruck einen besonderen Stellenwert. Weltweit, wie auch
an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie, versuchen ForscherInnen spezifische Marker für eine möglichst
frühe Diagnose zu identifizieren, um damit das Fortschreiten dieser neurologischen Erkrankung zu verlangsamen.
Derzeit leben in Österreich rund 16.000 Menschen mit einem Parkinson-Syndrom, davon etwa 1.700 PatientInnen
in Tirol. Zwar zählt Parkinson nicht zu den Volkskrankheiten, wie etwa der Schlaganfall, „doch bis 2030 ist
mit einer Verdreifachung der Krankheitshäufigkeit zu rechnen“, weiß o. Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe,
ausgewiesener Parkinson-Experte und seit 1995 Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie in Innsbruck, wo jährlich
380 bis 500 Parkinson-PatientInnen in Behandlung sind. Die Häufigkeit der Erkrankung steigt mit zunehmendem
Alter: In der Altersgruppe der über 60jährigen zeigen rund zwei Prozent ein Parkinson-Syndrom, bei den
über 80jährigen sind es drei Prozent.
Symptomatische Therapie
Das Parkinson-Syndrom stellt eine heterogene Gruppe von langsam fortschreitenden, neurologischen Erkrankungen dar,
das auf das Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Schwarzen Substanz - einer Struktur im Mittelhirn
- zurückzuführen ist. Das Zellsterben führt zu einem Mangel des wichtigen Botenstoffes Dopamin und
schließlich zur Entstehung der meisten, zentralen Symptome der Krankheit. Dazu zählen allgemeine Bewegungsarmut,
Muskelsteifheit, Ruhe-Zittern sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Die Ursache des Zellschwundes in der
Schwarzen Substanz wurde - mit Ausnahme einer erblichen Variante - bislang nicht gefunden. Parkinson ist deshalb
bis heute nicht kausal, sondern ausschließlich symptomatisch behandelbar: Beispielsweise durch die Gabe von
Medikamenten (Levodopa), die zu einer Erhöhung des Dopamin-Angebots im Gehirn führen sowie auch durch
neurochirurgische Eingriffe. ParkinsonpatientInnen zeigen bis zehn Jahre nach der Diagnose gute Therapieerfolge,
doch im weiteren Verlauf kommt es zu vermehrten Gleichgewichtsstörungen und Stürzen, einem Abbau der
geistigen Leistungsfähigkeit und einer Zunahme nicht-motorischer Störungen.
Wunschziel Parkinson-Screening
„Wie bei vielen anderen neurologischen Krankheiten besteht besonders auch bei Parkinson die Erfordernis
einer möglichst frühen Diagnose, um gezielt intervenieren zu können. Würde die Krankheit mithilfe
diagnostischer Marker vor ihrem Ausbruch erkannt werden, kann der Verlauf verzögert und können Spätfolgen
vermieden werden. Dieses Ziel ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung“, formuliert Prof. Poewe das Bestreben
der Medizin, ein systematisches Parkinson-Screening etablieren zu können. Das besondere Interesse der Parkinsonforschung
liegt folglich in der Identifikation prädiktiver und diagnostischer Marker einerseits und der Entwicklung
protektiver Wirkstoffe andererseits. Unter der Leitung von Prof. Poewe sind die ForscherInnen der Innsbrucker Neurologie
in zahlreiche internationale, multizentrische, klinische und epidemiologische Projekte sowie Medikamentenstudien
eingebunden, die unter anderem von der Österreichischen Nationalbank, der Michael J. Fox Foundation, dem Integrierten
Forschungs- und Therapiezentrum (IFTZ) und der Medizinischen Forschungsförderung Innsbruck (MFI) unterstützt
werden. So konnten im Rahmen der PPMI (The Parkinson’s Progression Markers Initiative) und der von Innsbrucker
Neurologen geleiteten Bruneck-Studie bereits entscheidende Ergebnisse für die Biomarker-Forschung erbracht
werden. Im Hinblick auf die Verbesserung der Früherkennung und damit Therapieanpassung geraten vor allem auch
nicht-motorische, also autonome Symptome zunehmend ins Blickfeld der ForscherInnen.
Zahlreiche Studien, unter anderem auch aus Innsbruck, belegen, dass viele Parkinson- PatientInnen schon vor dem
Auftreten der ersten motorischen Symptome andere Dysfunktionen entwickeln. Im Frühstadium werden etwa die
chronische Obstipation (Verstopfung), aber auch Stimmungsstörungen mit Depressivität oder Panikattacken
beobachtet. Aber auch die Störung des Geruchssinns und die nächtliche REM-Schlafstörung können
frühe Indikatoren für das Parkinson-Syndrom sein. „Mindestens 50 Prozent der PatientInnen zeigen bis
zehn Jahre vor Beginn der Krankheit derartige Symptome“, bestätigt Prof. Poewe ein Forschungsergebnis aus
einer, in Zusammenarbeit mit ForscherkollegInnen in Barcelona durchgeführten Untersuchung. Die „prämotorische“
Phase kann Monate bis Jahre in Anspruch nehmen und bildet somit ein wichtiges Zeitfenster für die Frühdiagnostik.
Diagnostisches Potenzial liegt aber auch in der Bildgebung: So konnte in mehreren Studien die prädiktive Relevanz
von Ultraschallmerkmalen im Mittelhirn bestätigt werden.
Ausblick
„Die laufenden weltweiten Forschungen im Bereich der Parkinson-Risikomarker geben Anlass zur berechtigten Hoffnung,
dass sich in den nächsten zehn Jahren konkrete Perspektiven für ein Risikoscreening und eine vorbeugende
Therapie eröffnen werden“, blickt Prof. Poewe in die Zukunft.
Welt-Parkinson-Tag
Der Welt-Parkinsontag erinnert an den englischen Arzt James Parkinson, der am 11.4.1755 geboren wurde und 1817
erstmals die Symptome der Parkinsonschen Krankheit beschrieb. Mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation
WHO initiierte die Europäische Parkinson Vereinigung 1997 den Parkinsontag.
Zahlen und Fakten
- Parkinson-Erkrankte in Österreich: 16.000, davon ca. 1.700 in Tirol (Prävalenz 200/100.000 Ew.)
- bis 2013 Verdreifachung der PatientInnenzahl
- 2% der über 60jährigen haben Parkinson (zum Vergleich: 10% der über 60jährigen erleiden
einen Schlaganfall)
- 380 bis 500 PatientInnen werden jährlich an der Univ.-Klinik für Neurologie behandelt
- 400 Parkinson-PatientInnen werden pro Jahr stationär an der Univ.-Klinik für Neurologie aufgenommen
- jährliche Neuerkrankungen (Inzidenz): 200
Univ.-Klinik für Neurologie: http://www.i-med.ac.at/neurologie/
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