Regierung legt EU-Beitrittsvertrag mit Kroatien zur Genehmigung vor
Wien (pk) - Die Regierung hat dem Parlament den Vertrag zwischen den EU-Mitgliedstaaten und Kroatien über
einen Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union zur Genehmigung vorgelegt. Der Vertrag umfasst neben dem eigentlichen
Beitrittsvertrag auch die Beitrittsakte und zugehörige Anhänge sowie die Schlussakte samt Erklärungen
und orientiert sich inhaltlich weitgehend am Vertrag über den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen
Union. Der EU-Beitritt Kroatiens soll im Juli 2013 erfolgen, Voraussetzung dafür ist allerdings eine zeitgerechte
Ratifizierung des Beitrittsvertrags in allen 27 EU-Ländern. In Österreich müssen sowohl der Nationalrat
als auch der Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.
Wie aus den Erläuterungen hervorgeht, wurden die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien im Herbst 2005 begonnen
und im Sommer 2011 abgeschlossen. Die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags durch die Staats- und Regierungschefs
erfolgte am 9. Dezember des vergangenen Jahres. Die österreichische Regierung ist überzeugt, dass der
EU-Beitritt Kroatiens zu einer weiteren Stabilisierung des Balkanraums führen und positive Impulse für
den Wirtschaftsstandort Österreich bringen wird. Sie weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Österreich
schon jetzt einer der wichtigsten Handelspartner Kroatiens ist und der bei weitem größte Investor im
Land. In Kroatien selbst haben sich bei einem Referendum im Jänner 2012 66 % der WählerInnen für
einen EU-Beitritt des Landes ausgesprochen.
Im Zuge des Verhandlungsprozesses wurde unter anderem geprüft, inwieweit Kroatien stabile demokratische Institutionen
hat, den Schutz der Menschenrechte garantiert, über eine funktionierende Marktwirtschaft verfügt, dem
Wettbewerbsdruck innerhalb der EU standhalten kann und in der Lage ist, das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen.
Als schwierigstes Kapitel hat sich dabei laut Erläuterungen das Kapitel Judikative und Grundrechte erwiesen,
wobei die von der EU festgelegten Kriterien von einer umfassenden Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof
für das ehemalige Jugoslawien über effektive Korruptionsbekämpfung und Minderheitenschutz bis hin
zu genauen Vorschriften für den Auswahlprozess für RichterInnen und StaatsanwältInnen reichen. Die
spezifischen Verpflichtungen Kroatiens in diesem Bereich sind in einem eigenen Anhang der Beitrittsakte geregelt
– sollte es zu Versäumnissen bei der Umsetzung kommen, kann der Europäische Rat, wie auch bei einzelnen
anderen EU-Vorgaben, etwa in Zusammenhang mit der Wettbewerbspolitik, mit qualifizierter Mehrheit Gegenmaßnahmen
ergreifen.
Mandatszahl im Europäischen Parlament wird vorübergehend aufgestockt
Im Europäischen Parlament (EP) wird Kroatien bis zum Ende der laufenden Wahlperiode 2014 mit 12 Abgeordneten
vertreten sein. Dazu werden die Sitze im EP vorübergehend von derzeit 754 auf 766 erhöht. Für die
darauffolgende Wahlperiode ist allerdings eine neue Sitzverteilung notwendig, weil der Vertrag von Lissabon die
Mandatszahl im EP auf 751 Sitze (inkl. Präsidenten) beschränkt. Auch die Höchstzahl der Mitglieder
des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen wird vorübergehend – von 350 auf 353
– erhöht.
Das Stimmgewicht Kroatiens im Europäischen Rat wurde mit 7 Stimmen festgelegt (Österreich hat im Vergleich
dazu 10), gleichzeitig wird die Mindeststimmenzahl für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen von 255 auf 260
Stimmen (von 352) erhöht. Damit bleibt die derzeit geltende Stimmschwelle (73,91 %) praktisch gleich (künftig
73,86 %). Dieses System der gewichteten Stimmen ist allerdings nur noch bis 31. Oktober 2014 gültig, dann
wird es durch das System der doppelten Mehrheit abgelöst. Das kroatische Mitglied der Europäischen Kommission
wird vom Rat mit qualifizierter Mehrheit im Einvernehmen mit dem Präsidenten der EU-Kommission und nach Anhörung
des Europäischen Parlaments ernannt.
Übergangsfristen wurden Kroatien unter anderem im Bereich der Schiffbau- und der Stahlindustrie, in verschiedenen
Umweltbereichen (etwa bei den Luftqualitätszielen, den Parametern für Trinkwasser, den Anforderungen
für Kanalisation und Abfalldeponien und beim Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten), bei den Spielregeln
für die Teilnahme an den EU-Strukturfonds und im Bereich der Landwirtschaft zugestanden. So kann Kroatien
etwa den Kauf landwirtschaftlich genutzter Flächen für einen Zeitraum von sieben Jahren einschränken.
Die Direktzahlungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik werden für Kroatien durch ein so genanntes "Phasing-In"-Modell
schrittweise eingeführt, in der Übergangszeit kann Kroatien die EU-Förderungen national aufstocken
("topping-up"). Eine allgemeine Schutzklausel ermöglicht es Kroatien, Schutzmaßnahmen zur
Ausgleichung der Wirtschaftslage zu beantragen, sollte es in den ersten drei Jahren nach dem EU-Beitritt zu erheblichen
und voraussichtlich anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten kommen.
Zugang zum Arbeitsmarkt: "2+3+2-Jahre-Modell" gilt auch für Kroatien
Was die Arbeitnehmerfreizügigkeit anbelangt, gilt auch für Kroatien das "2+3+2-Jahre-Modell".
Das heißt, dass kroatische Staatsangehörige während der ersten zwei Jahre nach dem EU-Beitritt
keine EU-rechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit haben. In Österreich und Deutschland gelten zudem in bestimmten
sensiblen Dienstleistungssektoren, etwa im Baugewerbe, der Gebäudereinigung und in der Hauskrankenpflege,
nationale Einschränkungen für die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitskräften vorerst
weiter. Im Bedarfsfall können die Mitgliedstaaten die Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt um insgesamt
weitere fünf Jahre verlängern, wobei nach der zweiten Phase die befürchtete schwerwiegende Störung
des Arbeitsmarkts begründet werden muss. Eine "Stillhalte-Klausel" verbietet allerdings Verschlechterungen
beim Arbeitsmarktzugang für kroatische Staatsangehörige gegenüber der derzeitigen Rechtslage.
Für Transportunternehmer ist die Kabotage im Güterverkehr (Beförderung zwischen zwei Orten innerhalb
eines anderen Mitgliedstaates) für zwei Jahre automatisch wechselseitig gesperrt. Danach kann diese Sperre
durch eine Mitteilung an die Kommission um weitere zwei Jahre verlängert werden. Bei der Anhebung der Verbrauchersteuer
für Zigaretten erhält Kroatien eine Übergangsfrist bis Ende 2017, im Gegenzug können die EU-Mitgliedstaaten
die Reisefreimenge bei Zigaretten begrenzen.
Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen des EU-Beitritts Kroatiens verweisen die Erläuterungen darauf,
dass dem neuen EU-Mitglied im Jahr 2013 maximal 687,5 Mio. € an Verpflichtungen und 374 Mio. € an Zahlungen aus
dem EU-Haushalt zustehen werden. Der österreichische Beitrag zur Finanzierung der Erweiterung wird für
2013 mit 8,6 Mio. € (7,2 Mio. € Bund, 1,4 Mio. € Länder) angegeben. Kroatien wird im Gegenzug voraussichtlich
rund 268 Mio. € an Eigenmittel an den EU-Haushalt abführen. An den Reserven der Europäischen Investitionsbank
wird sich Kroatien EU-Mitglied mit 42,7 Mio. € beteiligen, wobei der Betrag in acht gleichen Raten zwischen November
2013 und Mai 2018 fällig wird. |