Aktuelle Stunde im Bundesrat
Wien (pk) - Eine Aktuelle Stunde zum Thema "Wachstum und Innovation in Europa" mit Vizekanzler
und Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Michael Spindelegger, stand am
13.04. am Beginn der Sitzung des Bundesrats. Dabei stand vor allem die Bewältigung der Finanz-und Wirtschaftskrise
im Vordergrund inklusive des kürzlich beschlossenen Konsolidierungs- und Sparpakets, was naturgemäß
von der RednerInnen der Regierungsfraktionen und der Opposition jeweils unterschiedlich gesehen wurde.
Bundesrat Günter KÖBERL (V/St) eröffnete die Debatte mit der Feststellung, Österreich setze
die notwendigen und nachhaltigen Reformen um, sei ein Vorbild für ganz Europa und stehe heute besser da als
die meisten anderen Länder die Welt. Um diesen Spitzenplatz auch in Zukunft zu erhalten, gelte es nun, das
Humankapital als wichtigste Ressource zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit bei Bildung und Forschung
zu sichern. Mit Nachdruck hob Köberl darüber hinaus das Projekt "Unternehmen Österreich 2025"
hervor, das auf eine Stärkung der heimischen Klein- und Mittelbetriebe als wichtigste Säule der österreichischen
Wirtschaft abzielt, und erinnerte zudem an die Bedeutung eines starken Wirtschaftsstandortes für Lebensqualität,
Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Auf europäischer Ebene plädierte Köberl für intelligentes,
nachhaltiges und integratives Wachstum, aber auch für die Setzung von Schwerpunkten in Richtung Bildung und
Forschung sowie Armutsbekämpfung und Klimaschutz in Anlehnung an die EU-Strategie 2020.
Bundesrat Stefan SCHENNACH (S/W) warnte vor einer drohenden Rezession in Europa, die seiner Meinung nach durch
eine einseitig ausgerichtete Sparpolitik noch verschärft werden könnte. Österreich stehe zwar gut
da, der Wohlstand sei aber ungleich verteilt, bemerkte er zur heimischen Situation. Rückblickend auf das eben
beschlossene Sparpaket verteidigte Schennach die Reduktion der Bausparförderung als kluge Entscheidung und
meinte zudem, es sei richtig gewesen, nicht bei den Massensteuern anzusetzen, sondern vielmehr in Bildung und Innovation
zu investieren. Alarmiert zeigte sich Schennach über die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa und rief zu
Solidarität mit den südeuropäischen Ländern auf. Als Muss bezeichnete er die Einführung
der Finanztransaktionssteuer, die Bändigung der Finanzmärkte und die Vertiefung der Union. Ein gemeinsames
Europa in den Köpfen seiner Menschen könne nur funktionieren, wenn die soziale Dimension denselben Stellenwert
erhält wie Wirtschaft und Dienstleistungen, stand für Schennach fest.
Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) sah eklatante Widersprüche zwischen den ambitionierten Zielen
der EU-Strategie 2020 und der Realität. Sie beklagte vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen
EU-Staaten des Südens und folgerte, von Wachstum könne da keine Rede sein. Das viele Geld der SteuerzahlerInnen,
das man in Rettungsfonds gepumpt hatte, habe tatsächlich keine Rettung gebracht. Heftige Kritik übte
Mühlwerth in ihrer Wortmeldung auch am aktuellen Steuerabkommen mit der Schweiz, wobei sie bemerkte, es sei
nicht einzusehen, dass ein kleiner Kreisler Steuern zahlt und die großen Steuerhinterzieher 50 Prozent Ermäßigung
bekommen. Klar war für Mühlwerth insgesamt, dass weder die EU noch die Bundesregierung wirkliche Rezepte
gegen die Probleme haben, von Wachstum und Innovation sei nichts zu spüren.
Vizekanzler Michael SPINDELEGGER erwiderte, die Krisenmaßnahmen in Europa seien sehr wohl erfolgreich gewesen,
nun gehe es darum, Vorwärtsstrategien zu entwickeln. Handlungsbedarf sah Spindelegger zunächst bei der
Beseitigung von Konstruktionsmängeln im Vertrag von Lissabon, um in Zukunft raschere Entscheidungen der Union
zu ermöglichen. Wichtig war für ihn überdies die weitere Beibehaltung des Sparkurses, dies aber
bei gleichzeitig richtigem Investieren in Innovation, Bildung und Forschung. So gelte es etwa auch, die Energieziele
der EU zu erreichen und den Anteil der erneuerbaren Energie in Österreich zu erhöhen. Bei der Wirtschaftsförderung
wiederum will Spindelegger, wie er sagte, ein besonderes Augenmerk auf innovative Klein- und Mittelbetriebe legen
und die Strategie so ausrichten, dass EU-Mittel ohne zusätzliche Bürokratie eingesetzt werden, um Innovation
an der Werkbank zu fördern.
Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) bemängelte, die bisherigen Wachstumsstrategien und Innovationskonzepte
der EU hätten die langfristigen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut oder Klimagefährdung meist ausgeblendet.
Noch mehr Sparen sei kein Lösungsansatz und führe bloß zu einer weiteren Verschärfung, warnte
er und zeigte sich insbesondere besorgt über die derzeitige soziale Situation in Spanien, Griechenland und
Ungarn. Der Sparkurs treffe immer nur die unteren Schichten, die Armen und die Arbeitslosen, klagte er. Was die
Energiepolitik betrifft, übte er scharfe Kritik an der österreichischen Beteiligung am Projekt Nabucco,
wobei er dafür eintrat, das diesbezügliche Geld in die Förderung erneuerbarer Energien in Österreich
zu investieren.
Die kritischen Äußerungen, in denen das Zustandekommen des Steuerabkommens mit der Schweiz bezweifelt
wurden, seien völlig "überzogen" gewesen, konstatierte Bundesrat Edgar MAYER (V/V). Immerhin
arbeite die zuständige Bundesministerin für Finanzen jetzt bereits an der Realisierung des Abkommens,
das Ende 2013 in Kraft treten soll. Auch die Verhandlungen zur Finanztransaktionssteuer seien schon im Gange. In
Bezug auf die Wachstumsstrategie der EU betonte Mayer, dass Österreich, das die Krise gut überstanden
habe, mit EU-Ländern, die derzeit mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen kämpfen, solidarisch sein
müsse. Zum einen würde sich diese Solidarität durch die Mitwirkung an Maßnahmen wie dem ESM-Schutzschirm
oder dem Finanzpakt zeigen, zum anderen könne österreichisches Know-How hinsichtlich Wachstum und Beschäftigung
nach Europa "exportiert" werden. So habe Österreich etwa mit dem System der dualen Lehre ein zukunftsträchtiges
best-practice Beispiel für andere EU-Länder. Abschließend äußerte der V-Bundesrat seine
Zustimmung zum Wachstumsfonds der Regierung, mit dem KMUs unterstützt und damit Impulse für die Wirtschaft
gesetzt würden.
Bundesrat Gerald KLUG (S/St) verteidigte ebenfalls das 27 Mrd. € umfassende Konsolidierungspaket der Regierung,
das neben Sparmaßnahmen auch viele Wachstumsinitiativen beinhalte. Die oftmals geäußerte oppositionelle
Kritik des "Kaputtsparens" sei unangebracht, da das Paket nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatz
wachstumshemmende Maßnahmen vorsehe. Klug deutete die Aussagen der Opposition zum Stabilitätspaket beziehungsweise
zu Inhalten wie dem Steuerabkommen mit der Schweiz als Hinweis auf die geplanten Nationalratswahlen im Herbst 2013.
Auf europäischer Ebene seien zwar noch viele wirtschaftliche Grundsatzfragen, mit denen nachhaltiges Wachstum
geschaffen werden sollte, offen, Österreich stehe aber mit seiner geringen Arbeitslosigkeit und einer "Rekordbeschäftigungsrate"
im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsstaaten wirtschaftlich ausgesprochen gut da.
Konkret auf das Strategiepapier 2020 der EU bezog sich Bundesrat Peter MITTERER (F/K) in seinem Redebeitrag. Er
sehe darin nur lauter Fragen, Floskeln und "leere Worthülsen", erklärte Mitterer und schloss
daraus, dass die EU sich teilweise auf dem falschen Weg befindet. Anstatt die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern,
werde der Verdrängungswettbewerb beschleunigt und unter dem Deckmantel der Solidarität verberge sich
ein Abbau nationaler Kompetenzen. Nicht eine Zentralisierung würde Europa benötigen, sondern eine Renationalisierung,
etwa im Bereich der Förderungen, so der F-Mandatar, damit die Mitgliedsstaaten ihre Finanzen entsprechend
kontrollieren könnten. Die Ansätze zu einer sozialen Marktwirtschaft im Europa 2020 Projekt, mutmaßte
Mitterer, deuteten tatsächlich auf eine "Planwirtschaft neu" hin. Er könne dabei keine realistischen
Zielvorgaben erkennen.
Bundesminister Michael SPINDELEGGER hielt in seiner Erwiderung in Richtung Opposition fest, dass es nur ein Teil
der Wahrheit sei, zu behaupten, Sparen führe automatisch in die Rezession. Vielmehr sei es unausweichlich,
dass ein vermehrtes "Schuldenmachen" eines Landes zu Zuständen wie jenen in Griechenland führten.
Das bereits beschlossene Konsolidierungspaket sei für Österreich daher absolut notwendig. Investitionen
wie jene für das Nabucco-Projekt erklärte der Bundesminister mit der Notwendigkeit, Österreichs
Energieversorgung bis 2020 umfassend zu sichern, wenn auch der Anteil der erneuerbaren Energien maßgeblich
vergrößert werde.
Zu den Sparmaßnahmen meinte Spindelegger, dass diese in der Bevölkerung gleichmäßig aufgeteilt
würden, es könne daher nicht die Rede davon sein, dass die Regierung nur einem Teil der Gesellschaft
etwas abverlange. Bezugnehmend auf die Aussagen des freiheitlichen Bundesrats Mitterer unterstrich der Außenminister
die Bedeutung einer gemeinsamen Strategie der EU im Bereich Wissenschaft und Innovation, um den weltweiten wirtschaftlichen
Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. |