Soll der erste Krankenstandstag nicht mehr bezahlt werden?   

erstellt am
10. 04. 12

In der Tageszeitung "Kurier" ließ der Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftbundes mit dem Vorschlag aufhorchen, dass der erste Tag eines Krankenstandes nicht mehr vom Arbeitgeber bezahlt werden sollte. Haubner begründete diesen Vorstoss damit, dass in den letzten 20 Jahren die Krankenstände insgesamt zwar leicht zurückgegangen seien, sich die Kurzkrankenstände (also solche von bis zu drei Tagen) in etwa verdoppelt hätten, vor allem würde auffallen, dass sie vielfach an Montagen zu verzeichnen wärden. Nun soll, so Haubner, der erste Tag nicht mehr aus der Entgelt-Fortzahlung finanziert werden soll. Er sich vor, dass durch diese Einsparung den Betrieben so Geld für Massagen oder Fitnesscenter-Karten oder das Engagement eines Trainers für die Belegschaft zur Verfügung stünde. Wie Haubner im "Kurier" vorrechnet, würde das Minus bei einem Angestellten, der 1000 Euro (brutto) verdient 38,60 Euro (netto) im Monat ausmachen, bei einem Einkommen von 2500 Euro wären es um 75,90 Euro weniger.

 

Matznetter: Unbezahlte Krankenstände führen nicht zu mehr Gesundheit
Gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wichtigstes Kapital heimischer Betriebe
Wien (sk) - Für SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter, Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, ist die Forderung des ÖVP-Wirtschaftsbundes nach einem unbezahlten Krankenstandstag "unausgegoren". "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital unserer heimischen Betriebe. Ihre Gesundheit ist ein entscheidender Faktor für die österreichische Wettbewerbsfähigkeit. Uns muss es daher in erster Linie darum gehen, die Arbeitsplätze gesünder und ergonomischer zu gestalten, um Krankenstände zu vermeiden", so Matznetter am 07.04. gegenüber dem Pressedienst der SPÖ.

An sozialstaatlichen Errungenschaften zu kratzen, wie jener des bezahlten Krankenstandes, sei der falsche Weg. Es sei schließlich auch eine wichtige Aufgabe der Unternehmen, in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu investieren. "Und die österreichischen Betriebe tun das auch, weil sie wissen, wie wichtig es ist, gesunde und motivierte Mitarbeiter zu haben." Überdies laufe der Wirtschaftsbund durch seine Forderung Gefahr, sich des Vorwurfes schuldig zu machen, alle Arbeitnehmer unter einen "Generalverdacht zu stellen". "Wer krank wird, soll nicht bestraft werden, sondern darauf zählen können, dass es bestmögliche Rahmenbedingungen für eine rasche Gesundung gibt", so Matznetter.

 

Hofer: ÖVP-Wirtschaftsbund will kranke Menschen finanziell unter Druck setzen
Chronisch kranke Arbeitnehmer wären Hauptopfer - Gut geführte Unternehmen haben diese Unkultur nicht nötig
Wien (fpd) - Als besonders geschmacklose Initiative bezeichnet der stellvertretende FPÖ-Obmann NAbg. Norbert Hofer den Vorstoß des ÖVP-Wirtschaftsbundes, den ersten Tag jedes Krankenstandes nicht mehr bezahlen zu wollen. "Einmal mehr zeigt sich, wem die ÖVP das Geld wegnehmen will, um es bedingungslos an Pleitestaaten wie Griechenland oder an ein antidemokratisches Finanzkonstrukt namens ESM zu überweisen", kritisiert Hofer. Die Schröpfungspolitik gegenüber den Bürgern werde in manchen Kreisen der ÖVP offenbar von keinerlei Schamgrenzen eingeengt. "Bevor sich die Volkspartei ernsthaft den dringend nötigen Reformen in der Verwaltung und im Gesundheitsbereich zuwenden muss, die tatsächlich immense Einsparungspotentiale bergen, steht immer noch einer auf und hat eine Idee, wie man die Arbeitnehmer, die Pensionisten, die Kranken oder die Behinderten weiter belasten könnte", charakterisiert Hofer die kalte und herzlose ÖVP-Politik.

Hofer weist auch darauf hin, dass eintägige Krankenstände keineswegs ein Zeichen dafür seien, dass Arbeitnehmer "blau machen" würden, wie dies Wirtschaftsbündler Haubner indirekt unterstellt habe. "Besonders oft von eintägigen Krankenständen betroffen sind vielmehr chronisch kranke Menschen, die sich regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen müssen. Sie wären die Hauptopfer dieser unsozialen Politik und würden dadurch gänzlich aus dem Arbeitsprozess gedrängt", denn viele Menschen würden noch weiter arbeiten, obwohl sie gesundheitlich längst berechtigt wären, eine Invaliditätspension in Anspruch zu nehmen, erläutert Hofer die zu erwartenden Folgen des ÖVP-Anschlags. "Gut geführte Unternehmen haben eine solche Unkultur der pauschalen Verdächtigung nicht nötig. Sie wissen ihre Mitarbeiter zu motivieren und gönnen ihnen daher im Krankheitsfall auch Zeit zur Erholung", ergänzt der stellvertretende FPÖ-Obmann.

 

Dolinschek: Wirtschaftsbund-Idee ist kontraproduktiv und schlichtweg dumm
ÖVP-Bünde sollen lieber Reallohnverlust bekämpfen
Wien (bzö) - "Kontraproduktiv, unausgegoren und schlichtweg dumm", so kommentiert BZÖ-Arbeitnehmersprecher Abg. Sigisbert Dolinschek die Idee des ÖVP-Wirtschaftsbundes, wonach für den ersten Krankenstandstag kein Gehalt gezahlt werden soll. "Bei diesem Modell werden Arbeitnehmer, die z.b. Kopfschmerzen oder eine Magenverstimmung haben - typische Ein-Tages-Krankenstände - eben zum Arzt gehen, der schreibt sie dann für mehrere Tage krank", so Dolinschek. Dies koste letztendlich mehr, als ein Tag im Bett, statt schlechte Leistung im Job.

"Die ÖVP-Bünde sollen sich lieber einmal überlegen, wie hoch der Reallohnverlust der Menschen ist", verlangt Dolinschek. Er erwartet sich Vorschläge, um die Arbeitskraft zu entsteuern. "Niedrigere Beiträge, den Dienstnehmern bleibt mehr im Börsel - das kommt letztendlich der Wirtschaft zugute!", so der BZÖ-Arbeitnehmersprecher.

 

 Schatz: Unsinnige Provokation
Unbezahlten Krankenstand fordern kann nur verspäteter Aprilscherz sein
Wien (grüne) - "Wer unbezahlten Krankenstand fordert, ist nicht ernst zu nehmen", befindet Birgit Schatz, ArbeitnehmerInnensprecherin der Grünen zum verspäteten Aprilscherz des ÖVP-Abgeordneten und Wirtschaftsbündlers Haubner und seiner Forderung nach unbezahlten Krankenstandstagen. "Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit schützt nicht nur die kranken MitarbeiterInnen, sondern auch die Betriebe. Wer sie einschränkt, erntet Menschen, die mit Fieber in die Arbeit gehen und andere anstecken können - KundInnen wie KollegInnen", so Schatz weiter. Die Grüne wünscht sich auch keine Buschauffeure, die mit Bauchweh unterwegs sind. "Und dass heftige Migräne oder auch die Schmerzmittel dagegen die Konzentration stark beeinträchtigen und zu Arbeitsunfällen führen können, sollte Herrn Haubner bekannt sein", so die Grüne. Die Grüne Abgeordnete Schatz vermutet, dass VP-Wirtschaftsbündler Haubner wohl auf der Suche nach einer schnellen Pressemeldung war und nicht überlegt hat, was er da fordert. "Denn wer ernsthaft zentrale Elemente des Sozialschutzes wie den bezahlten Krankenstand ab dem ersten Krankheitstag in Frage stellt, der zielt offenbar auf sozialen, politischen und arbeitsrechtliche Konflikte ab", so Birgit Schatz abschließend.

 

 Achitz: Politisch unverfroren und wirtschaftlich unsinnig
Achitz: "Druck auf Arbeitnehmer, sich krank in die Arbeit zu schleppen, steigt"
Wien (ögb) - Geht es nach dem ÖVP-Wirtschaftsbund, sollen Unternehmen künftig den ersten Krankenstandstag ihrer MitarbeiterInnen nicht mehr bezahlen. Eine Forderung, die Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, strikt zurückweist. "Der Wirtschaftsbund fordert Krankengeld für Selbstständige, gleichzeitig soll ArbeitnehmerInnen die Bezahlung am ersten Krankenstandstag gestrichen werden. Das ist politisch unverfroren." Der Vorschlag sei außerdem wirtschaftlicher Unsinn. "Kommen ArbeitnehmerInnen krank in den Betrieb, sind sie unfallanfälliger. Wer sich nicht rasch auskuriert, riskiert außerdem einen Langzeitkrankenstand. Dazu kommt noch die Ansteckungsgefahr. Damit sollte klar sein, dass es für einen Betrieb sinnvoller ist, wenn kranke MitarbeiterInnen zu Hause bleiben", stellt Achitz fest.

Aus Angst vor Arbeitsplatzverlust krank in den Betrieb Wenn Haubner davon ausgeht, dass mit einem unbezahlten ersten Krankenstandstag die Zahl der Kurzkrankenstände zurückgehen werde, unterstelle er außerdem den ArbeitnehmerInnen, sie würden aus Jux und Tollerei Krankenstand in Anspruch nehmen. "Das Gegenteil ist der Fall. Wir wissen, dass der Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigt und sie eher dazu neigen, sich krank in die Arbeit zu schleppen, weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren", sagt Achitz.

Jeder Euro in betriebliche Gesundheitsförderung kommt x-fach zurück Sinnvoll sei Haubners Anregung, in betriebliche Gesundheitsförderung zu investieren. "Wenn Arbeitgeber für ein gutes Betriebsklima und gesunde Arbeitsbedingungen sorgen, nimmt die Zahl der Krankenstandstage automatisch ab. Jeder Euro, der in betriebliche Gesundheitsprojekte investiert wird, kommt x-fach ins Unternehmen zurück. Daher ist es nicht notwendig, den MitarbeiterInnen die Bezahlung des ersten Krankenstandstags zu streichen, um Gesundheitsförderung im Betrieb zu ermöglichen. Schließlich sollte es auch im Sinne der Unternehmer sein, das ihre MitarbeiterInnen gesund sind", betont Achitz.

 

 Steindl: Mehr Gerechtigkeit
Steuer- und Abgabenleistung der Unternehmen ist enorm - Schwedisches Modell führt zu mehr Kostenbewusstsein - Ersparte Mittel in Gesundheitsförderung investieren
Wien (pwk) - "Die Entgeltfortzahlung im Falle einer Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall eines Arbeitsnehmers stellt für viele Klein- und Mittelbetriebe eine enorme finanzielle Belastung dar", betont der Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handwerk Konrad Steindl.

Laut WIFO-Fehlzeitenreport belaufen sich die Kosten für Krankenstände auf 17,6 Milliarden Euro pro Jahr. Statistisch erwiesen ist auch, dass die Zahl der Kurzkrankenstände kontinuierlich steigt. "Daher ist die Forderung des Wirtschaftsbundes, dass der erste Krankenstandstag vom Arbeitnehmer übernommen werden soll, ein richtiger Ansatz, der zu mehr Gerechtigkeit führt", unterstützt Steindl den Vorstoß des Wirtschaftsbundes im heutigen "Kurier".

"Dieses Modell wird in Schweden bereits erfolgreich praktiziert. Seit 1993 wird für den ersten Krankenstandstag keine Leistung ausbezahlt", so Steindl, für den die entsprechende Änderung des Österreichischen Entgeltfortzahlungsrechts ein fortschrittlicher Schritt und ein wichtiger Beitrag der Arbeitnehmer für mehr Gerechtigkeit wäre. "Denn wie gerecht ist es, wenn die Unternehmer das Entgelt für bis zu 60 Tage Krankenstand ihrer Arbeitnehmer pro Jahr zahlen müssen und meist nicht über die personellen Ressourcen verfügen, um die Fehlzeiten kranker Arbeitnehmer auszugleichen? Wir brauchen mehr Fairness", stellt Steindl mit Nachdruck klar.

Die dadurch eingesparten Mittel könnten in die betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention investiert werden. Damit würden sowohl Mitarbeiter, Betriebe als auch die Gesellschaft profitieren. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bleibe meist verborgen, welche und wie viele Abgaben die Unternehmen indirekt für ihre Mitarbeiter leisten. Steindl erinnert daran, dass u,a. die Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung von den Arbeitgebern für ihre Dienstnehmer entrichtet werden. Die Unternehmen finanzieren zudem 84 Prozent des Kindergeldes, der Familienbeihilfe, der Schulbücher, Schüler- und Lehrlingsfreifahrten oder auch die Mutter/Kind Pass Untersuchungen.

"Es ist alles andere als gerecht, die Unternehmen als "Melkkuh der Nation" zur Kasse zu bitten und sie gleichzeitig dauernd an den Pranger zu stellen", betont der Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handwerk abschließend.
     

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