JARA-BRAIN Wissenschaftler werteten rund 250 Bildgebungsexperimente mit über 2.500 Einzelkoordinaten
aus
Jülich / Aachen (fz jülich) - Moralische Werte und Entscheidungen sind für das friedliche
Zusammenleben von Menschen bedeutsam. JARA-BRAIN Wissenschaftler untersuchten erstmals, welche Hirnregionen bei
diesen Entscheidungsprozessen besonders aktiv sind. Dabei zeigte sich, dass sich die Hirnareale, die für moralische
Entscheidungen eine Rolle spielen, fast vollständig mit denjenigen decken, welche entweder für das Nachvollziehen
von Gedanken oder von Emotionen anderer Menschen wichtig sind. "Der Befund spricht gegen die Existenz einer
speziell moralischen Hirnregion und für die Entwicklung komplexer sozialer Leistungen wie moralischen Entscheidungen
aus entwicklungsgeschichtlich älteren Hirnfunktionen", berichtet Danilo Bzdok. "Große Teile
des medialen präfrontalen Kortex, des Präkuneus, der temporo-parietalen Junktion als auch die Amygdala
und der posteriore zinguläre Kortex waren sowohl bei diesen Prozessen als auch bei moralischen Entscheidungen
beteiligt." Der Medizinstudent forscht im Rahmen des Internationalen DFG-Graduiertenkollegs "Schizophrenie
und Autismus" an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Aachener Universitätsklinikum.
Außerdem arbeitet er gemeinsam mit Prof. Dr. Simon Eickhoff, der seit 2011 Professor an der Heinrich-Heine-Universität
in Düsseldorf ist, am Institut für Neurowissenschaften am Forschungszentrum Jülich.
Für ihre Analyse nutzten Prof. Dr. Simon Eickhoff und Danilo Bzdok ein neues Verfahren zur statistischen Zusammenfassung
funktioneller Bildgebungsbefunde. Mit der sogenannten Activation Likelihood Estimation Meta-Analyse wurden hunderte
von Studiendaten auf statistische Gemeinsamkeiten untersucht. So konnten Simon Eickhoff und Danilo Bzdok die bei
moralischen, rationalen und gefühlsbasierten Entscheidungen genutzten Hirnregionen quantitativ und objektiv
miteinander vergleichen. Die untersuchten funktionellen Bildgebungsbefunde zeigten zudem, dass es insbesondere
rationale Verarbeitungsprozesse sind, auf deren Basis letztendlich moralische Urteile gefällt werden. "Diese
Entscheidungsprozesse finden in den sogenannten default mode Regionen statt, die für die Verarbeitung unterschiedlichster
abstrakter sozialkognitiver Überlegungen zuständig sind", berichtet Simon Eickhoff.
Auf neurobiologischer Ebene scheint moralisches Denken also vor allem ein rationaler Prozess zu sein, der aber
über das empathische Mitfühlen von Emotionen ins alltägliche zwischenmenschliche Leben eingebunden
wird. JARA-BRAIN Wissenschaftler Simon Eickhoff: "Dieses Bild menschlicher Moral deckt sich sehr gut mit klinischen
Beobachtungen an Psychopathen, die bei theoretischen moralischen Fragestellungen überdurchschnittlich gut
abschneiden, sich jedoch aus Mangel an Empathie im täglichen Leben unmoralisch verhalten." |