Reformen dürfen Gesetzgeber nicht arbeitsunfähig machen
Wien (pk) - Am Prinzip des Verhältniswahlrechts wird nicht gerüttelt, stellte Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer am 18.04. im Rahmen eines Pressegesprächs fest. In der vom Nationalrat am vergangenen Freitag
eingesetzten Arbeitsgruppe zur Wahlrechtsreform werde es keine Diskussion über das Mehrheitswahlrecht geben.
Die Präsidentin blieb auch bei ihrem Vorschlag eines Superwahlsonntags und betonte, dass sie in dieser Frage
viele Bündnispartner habe.
Die Reduzierung der Abgeordneten bedeute nicht unbedingt Einsparungen, denn weniger Abgeordnete heiße nicht
gleichzeitig weniger Arbeit. Es wäre inakzeptabel, den Gesetzgeber arbeitsunfähig zu machen, mahnte Prammer.
Die Kontrollrechte lägen im Parlament und diese könnten in keiner Weise in Frage gestellt werden, machte
sie klar. Das Parlament brauche daher trotz etwaiger Verringerung der MandatarInnen eine entsprechende Infrastruktur.
Einsparungen ohne Einschränkung der Demokratie brächte vielmehr ein Superwahlsonntag, sagte die Nationalratspräsidentin.
Alle Wahlen an einem Tag würden nicht nur für die Parteien selbst weniger Kosten verursachen, sondern
auch für die Administration kostensparend wirken.
Mit der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe zeigte sich Prammer zufrieden. Man wolle bis zu den Julitagen vieles abarbeiten
und dann im Rahmen einer Generaldebatte eine Zwischenbilanz ziehen, auf deren Basis man dann entscheidet, wie man
im Herbst weiter vorgeht. Da die Arbeitsgruppe größer sei, habe man die Möglichkeit, Untergruppen
einzurichten.
Nach derzeitigem Übereinkommen sind eine Untergruppe "Infrastruktur" und eine zum Thema "direkte
Demokratie" geplant, die beide von ihr selbst geleitet werden. Auf Anfrage von JournalistInnen erläuterte
die Präsidentin, zum Punkt Infrastruktur zähle etwa auch die zukünftige Zahl der Ausschüsse
sowie die Frage, wie man die Arbeit bei geringerer Zahl von Abgeordneten anders organisiere. Die Zahl der Nationalratsmitglieder
ist für sie keine Fahnenfrage, wesentlicher Punkt sei vielmehr, wie man in Zukunft arbeiten wolle. Nehme man
bei einem Punkt Änderungen vor, habe dies Konsequenzen für andere Arbeitsabläufe, sagte Prammer,
ein Punkt greife in den anderen über. Inkonsequent wäre Prammer zufolge jedenfalls, den Nationalrat mit
einfacher Mehrheit zu verkleinern und den Bundesrat so zu belassen, wie er ist. Beim Thema direkte Demokratie gehe
es darum, die vielen auf dem Tisch liegenden Vorschläge nun ernsthaft zu diskutieren.
Darüber hinaus sei an die KlubsekretärInnen der Auftrag ergangen, die offenen Punkte aus dem Geschäftsordnungskomitee
aufzulisten, um feststellen zu können, was noch aktuell ist und was nicht. Dazu zähle auch die Frage
der Minderheitenrechte, die vor allem von der Opposition in den Vordergrund gestellt werde. Es könnten sich
alle Fraktionen mit Vorschlägen einbringen, was diskutiert werden soll, merkte die Präsidentin an.
Prammer zeigte sich zufrieden, dass man im Untersuchungsausschuss offensichtlich wieder zu einem Konsens zurückgefunden
hat. Noch nie habe es in einem Untersuchungsausschuss so viele Akten gegeben, wie sie bereits jetzt eingelangt
sind. Die Gefahr, dass die Fülle der Unterlagen kaum bewältigbar ist, sieht die Präsidentin nicht,
da dafür die Parlamentsdirektion eine gute technische Infrastruktur bereitgestellt habe.
Angesprochen auf das Transparenzpaket, machte sich Prammer hinsichtlich der Offenlegung von Nebeneinkünften
für das deutsche Modell stark und meinte, sie könne sich eine noch weitergehende Regelung vorstellen,
indem man nicht Jahresgrenzen, sondern Monatsgrenzen heranzieht.
Prammer: Es wäre "Wahnsinn", wenn sich das Parlament aus der Auslandspolitik ausklinkt
Zur aktuellen Diskussion über die internationale Tätigkeit von Abgeordneten unterstrich die Präsidentin
die Bedeutung der internationalen Kontakte auf parlamentarischer Ebene. Wenn Abgeordnete reisen, so sei das keine
Vergnügung und auch kein Luxus, stellte sie dezidiert fest, vielmehr nähmen die MandatarInnen internationale
parlamentarische Aufgaben wahr. Man sei bedacht, dass dies seriös und gut vorbereitet abläuft, die Reisen
seien mit den Klubs koordiniert und es sei sichergestellt, dass zu bestimmten Themen und Institutionen jene fahren,
die auch über die entsprechende Erfahrung verfügen.
Sie hielte es für einen "Wahnsinn", wenn sich das österreichische Parlament aus der internationalen
Arbeit ausklinkt. Als Beispiel nannte sie die internationale Konvention über das Verbot von Streumunition.
Dabei habe sich besonders der österreichische Nationalrat im Rahmen seiner internationalen Kontakte stark
engagiert und habe wesentlich dazu beigetragen, dass es zu einem internationalen Vertragswerk gekommen ist. Die
außenpolitische Tätigkeit der Abgeordneten sei eine wesentliche Ergänzung der österreichischen
Außenpolitik, betonte Prammer und fügte hinzu, das Parlament könnte in diesem Bereich viel Arbeit
in einer wesentlich offeneren und direkteren Art leisten.
Prammer wies auch auf die Bedeutung der IPU als älteste internationale Organisation hin, in der alle parlamentarischen
Gremien außer Nordkorea vertreten sind. Auch dort habe es unter wesentlicher Mithilfe Österreichs eine
Institutionenreform gegeben, die zu mehr Effizienzsteigerung und kostengünstiger Verwaltung geführt habe.
Bei Reisen von Abgeordneten würden die Kosten für Begleitpersonen nicht übernommen, bekräftigte
Prammer, in Zukunft werde die Parlamentsdirektion auch keinerlei Unterstützung für Buchungen für
Begleitpersonen mehr leisten, um eine noch striktere Trennung einzuhalten.
Im Rahmen des Pressegesprächs machte die Präsidentin auch auf die Veranstaltung für SchülerInnen
am Tag der Pressefreiheit (27.04) im Pressezentrum aufmerksam. Der Gedenktag finde heuer am 4. Mai statt, am Vortag
werde das Jugendprojekt vorgestellt, das sich diesmal dem Thema "Euthanasie" widmet. Für die Lesung
habe Tobias Moretti gewonnen werden können. |