Schon heute gilt die Hauptkläranlage der Stadt Wien als Vorzeigebetrieb – nun wird sie sogar
noch besser: Durch Know-How der TU Wien soll die Kläranlage den eigenen Stromverbrauch selbst decken.
Wien (tu) - Etwa ein Prozent des Wiener Stromverbrauchs wird heute für die Abwasserreinigung
aufgewendet: Die im Besitz der Stadt Wien befindliche und von der Ebswien Hauptkläranlage Ges.m.b.H. betriebene
Hauptkläranlage benötigt im Schnitt ungefähr sieben Megawatt elektrischer Leistung. Nach den Plänen
von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und Umweltstadträtin Ulli Sima soll sich das dramatisch ändern:
Durch das Projekt „EOS 2020“ („EOS“ steht für „Energieoptimierung Schlammbehandlung“) soll die Kläranlage
künftig ihren eigenen Strom erzeugen und energieautark werden. Damit werden nicht nur Stromkosten gespart,
zusätzlich wird der CO2–Ausstoß um 40.000 Tonnen im Jahr verringert werden. Wissenschaftlich begleitet
wird dieses ambitionierte Projekt vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft
der TU Wien.
Die Kläranlage wird energieautark
Markus Reichel beschäftigt sich an der TU Wien seit Jahren mit der Technik von Kläranlagen. „Das Grundkonzept
der Abwasserreinigung auf der Hauptkläranlage ist auf dem neuesten Stand und kaum weiter optimierbar“, erklärt
er. „Verbessern kann man allerdings die Energiebilanz.“ Möglich werden soll das durch eine Faulungsanlage.
Bisher wird der Klärschlamm verbrannt und die freiwerdende Energie als Fernwärme genutzt. In Zukunft
soll dieser in neu zu errichtenden Faulungsbehältern zum Teil in wertvolles Methangas umgewandelt werden,
aus dem dann direkt bei der Anlage Strom erzeugt werden kann. Die Anlage in Wien Simmering soll damit energieautark
werden und im optimalen Fall sogar Strom-Überschüsse ins Netz einspeisen.
Nur die besten Bakterien für Wien
Ein wichtiger Parameter bei diesem Faulungsprozess ist der Feststoffgehalt des Klärschlammes. „Ein dickerer
Faulschlamm spart nicht nur Platz, er spart vor allem Energie“, sagt Markus Reichel. Wenn der Faulschlamm weniger
Wasser enthält, muss weniger Wasser unnötigerweise miterwärmt werden. Erforscht wird derzeit, wie
der Faulungsprozess in diesem dickeren Klärschlamm optimal gesteuert werden kann. „Wir brauchen Methan-Bakterien,
die im konzentrierteren Klärschlamm auch mit einer höheren Ammonium-Konzentration zurechtkommen“, erklärt
Reichel. „In unserem Labor testen wir derzeit, mit welchen Betriebsparametern man sicherstellen kann, dass die
Bakterien auch in diesem Umfeld wie gewünscht Kohlenstoff aus dem Klärschlamm in Methan umwandeln.“
In den Labors der TU Wien werden derzeit die Bedingungen in der Kläranlage nachgestellt. Die gemessenen Daten
werden verwendet um in einem ebenfalls an der TU entwickelten Computermodell die Effizienz der Anlage vorherzuberechnen.
„An den Details wird noch geforscht – die bisherigen Daten stimmen uns aber bereits zuversichtlich“, sagt Markus
Reichel.
Um Platz für die Faulungsbehälter zu schaffen, muss an der Hauptkläranlage Wien umgebaut werden:
Eine Reihe von Becken soll tiefer werden um mit weniger Fläche auszukommen. Auf dem freiwerdenden Platz sollen
die Faulbehälter errichtet werden.
Die Forschungen an der TU Wien werden das EOS-2020-Projekt auch in Zukunft begleiten: Der Spatenstich ist für
2015 geplant, vorher müssen für die öffentliche Ausschreibung noch verfahrenstechnische Details
geklärt werden. „Hier fließen Ergebnisse aus unserem Labor direkt in die Planung ein“, sagt Markus Reichel.
Wenn sich die Idee bewährt, die Schlammfaulung bei erhöhtem Feststoffgehalt zu betreiben, dann soll das
Projekt Schule machen: „Das Konzept wäre sicher für viele größere Kläranlagen auf der
Welt sehr interessant“, sagt Markus Reichel. |