Enthemmten Signalwegen auf der Spur    

erstellt am
24. 04. 12

Forscher der Med Uni Graz entdecken neuen Tumor-Suppressor bei der akuten myeloischen Leukämie
Graz (meduni) - Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine aggressive Tumorerkrankung, die durch eine bösartige Umwandlung blutbildender Stammzellen im Knochenmark entsteht. Verantwortlich dafür sind unter anderem pathologische Veränderungen der Signalwege, die das Wachstum und die Teilung dieser Zellen kontrollieren. Ein Forscherteam der Medizinischen Universität Graz konnte nun zeigen, dass RKIP, ein Protein, das bei Gesunden einen der wichtigsten Signalwege hemmt, bei 20% der AML-Patienten nicht mehr nachweisbar ist. In einer Reihe von Studien konnten die Wissenschafter überdies belegen, dass RKIP das Wachstum von Leukämiezellen hemmt und sein Verlust maßgeblich an der malignen Transformation beteiligt ist.

Da Blutkörperchen und Blutplättchen im menschlichen Körper eine begrenzte Lebensdauer haben, muss für einen ständigen Nachschub neuer Zellen gesorgt werden. Zuständig dafür sind die blutbildenden Stammzellen im Knochenmark, deren Wachstum und Teilung durch verschiedene körpereigene Signale gesteuert wird. Dabei leiten Botenstoffe, die an der Zellmembran andocken, das Wachstums- oder Teilungssignal über mehrstufige Signalwege an den Zellkern oder das Zytoplasma weiter. Die Signalwege werden je nach Bedarf an- und ausgeschaltet, Signalübermittlung findet normalerweise nur statt, wenn die Zelle von außen stimuliert wird. Heute glaubt man, dass einer der wichtigsten Prozesse bei der Leukämieentstehung die Verselbstständigung solcher Signalübermittlungskaskaden ist: Wenn durch Mutation eines beteiligten Gens der Signalpfad nicht mehr ausgeschaltet wird, kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung der entsprechenden Zelllinie.

Pathologische Veränderungen der Signalübermittlung bei Leukämien sind auch eines der Forschungsgebiete, mit denen sich die Myeloid Cells & Leukemia Gruppe (Leiter: Univ.-Prof. Dr. Heinz Sill) an der Medizinischen Universität Graz beschäftigt. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dabei die akute myeloische Leukämie, eine Erkrankung, die in erster Linie ältere Menschen betrifft und nach wie vor eine schlechte Prognose hat: Unbehandelt führt die AML innerhalb weniger Wochen bis Monate zum Tode, aber auch mit Therapie leben nach fünf Jahren nur noch 30-40% der Patienten. Jenseits des 60. Lebensjahres sinkt die 5-Jahres-Überlebensrate sogar auf unter 10% ab. Die einzige kurative Behandlung ist derzeit die allogene Stammzelltransplantation, bei der die AML-Patienten Blutstammzellen eines gesunden Spenders erhalten. Da diese Therapie aber sehr belastend und mit einer hohen Sterblichkeit verbunden ist, stellt sie für ältere Patienten oft keine Option mehr dar.

Unter den vielen Signalwegen, die man bei der AML kennt, scheint dem RAS-MAPK/ERK-Pfad besondere Bedeutung zuzukommen: Mutationen in RAS und anderen Genen führen dazu, dass dieser Pfad bei mehr als der Hälfte aller AML-Patienten ständig angeschaltet ist. In ihrer kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Leukemia erschienen Publikation konnten die Grazer Forscher nun nachweisen, dass es bei über 20% der akuten myeloischen Leukämien in den entarteten Zellen zu einem Verlust von RKIP kommt, einem Protein, das normalerweise den RAS-MAPK/ERK-Pfad hemmt. In Zellkulturstudien konnte das Team um Dr. Armin Zebisch zusammen mit Kooperationspartnern aus Innsbruck, Glasgow, Dublin und Rotterdam auch zeigen, dass RKIP tatsächlich ein Tumor-Suppressor ist: Eine künstliche Erhöhung der RKIP-Expression in den leukämischen Zellen führte dazu, dass die Aktivität des RAS-MAPK/ERK-Pfads sank und sich das Tumorwachstum verlangsamte. RKIP scheint auch das krebsfördernde Potential von RAS-Mutationen zu hemmen. Offensichtlich ist besonders das Zusammenspiel von RAS-Mutationen und RKIP-Verlust fatal.

Aus therapeutischer und diagnostischer Sicht besonders interessant war, dass der RKIP-Verlust fast ausschließlich in einer Subgruppe der Erkrankung, der sogenannten monozytären AML, auftrat. Außerdem zeigte sich, dass der Verlust des RKIP-Proteins zwar ein relevantes Ereignis im Rahmen der Leukämieentstehung ist, zugleich aber auch ein prognostisch günstiger Faktor: Patienten mit RKIP-Verlust überlebten länger und sprachen besser auf die Therapie an als Leukämiepatienten mit erhaltener RKIP-Funktion. In einem auf den bisherigen Forschungsarbeiten aufbauenden Projekt wollen Dr. Zebisch und seine Mitarbeiter nun die Prozesse der Leukämieentstehung an einem Mausmodell mit RKIP-Verlust weiter studieren und Möglichkeiten einer spezifischen medikamentösen Intervention evaluieren.
     
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