Berlakovich gegen einheitliche Flächenprämien in Österreich
Wien (bmlfuw) - Das historische Betriebsprämien-Modell hat ausgedient. Der Kommissions-Vorschlag
zur Gemeinsamen Agrarpolitik 2014 bis 2020 sieht ein Regionalmodell vor, nach dem alle Mitgliedstaaten - nach derzeit
noch nicht verhandelten Übergangsfristen - auf nationale oder regional einheitliche Hektarzahlungen umstellen
müssen. Wer von den heimischen Landwirten zu den Gewinnern oder Verlierern zählt, ist allerdings von
der Verteilung der Mittel innerhalb von Österreich abhängig. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich
präsentierte am 03.05. anhand von zwei Berechnungsmodellen mögliche Auswirkungen der Neuverteilung von
Direktzahlungen (erste Säule) für die österreichische Landwirtschaft. Welches Modell davon künftig
zur Anwendung kommt, müsse noch auf nationaler und europäischer Ebene intensivst verhandelt werden. Fest
steht für Minister Berlakovich allerdings, dass die Pauschalaussage: Der Westen Österreichs gewinnt,
der Osten verliert, falsch ist. Denn selbst innerhalb der Bundesländer könnte es zu "extremen Verschiebungen"
kommen.
Derzeit erhalten Österreichs Landwirte durchschnittlich EUR 269,- je ha Direktzahlungen. Abhängig vom
Betriebstyp variieren die Beihilfen zwischen EUR 50,- und EUR 700,-. Folglich bekommen Marktfruchtbetriebe im Durchschnitt
EUR 332,- je ha, Futterbaubetriebe EUR 250,- je ha und spezialisierte Stiermäster EUR 700,- je ha. Im Bundesländer-Ranking
führt Oberösterreich mit durchschnittlich EUR 320,- je ha. Tirol ist mit EUR 106,- je ha Schlusslicht
bei den Direktzahlungen. Werden auch die Zahlungen in der zweiten Säule (Umweltprogramm und Bergbauern-Ausgleichszulage)
berücksichtigt, nähern sich die Prämienniveaus etwas an. Während Tirol mit EUR 423,- je ha
an letzter Stelle rangiert, führt Niederösterreich mit einem durchschnittlichen Zahlungsanspruch von
EUR 576,- je ha die Bundesländerliste an.
Österreich-Modell
Geht es nach dem Kommissions-Vorschlag, so wird die Obergrenze der ersten Säule mit EUR 707,5 Mio. pro Jahr
festgelegt, das entspricht einem Minus von 1,1% gegenüber der vorangegangenen Finanzierungsperiode. Werden
wie in der ersten Modellvariante angenommen, die Flächenzahlungen über ganz Österreich vereinheitlicht,
würde sich eine Einheitsprämie (EFP) aus Basis- und Ökoprämie zusammen von EUR 256,- je ha
(inklusive Dauerkulturen) ergeben. Die Zahlungen zwischen den Bundesländern würden sich dabei gravierend
verschieben. Die Tiroler Bauern würden von diesem System mit einem Plus von 117% gegenüber der derzeitigen
historischen Prämie am meisten profitieren. In Oberösterreich hingegen brächte die Anpassung eine
durchschnittliche Reduktion von Minus 22% der Direktzahlungen. Eine Differenzierung nach Bewirtschaftungsform (Differenzierte
Flächenprämie 1, DFP1) hätte Beihilfen für Ackerbau, Sonderkulturen und intensives Grünland
von EUR 289,- je ha und für extensives Grünland von EUR 96,- je ha zur Folge. Wird das intensive Grünland
(Differenzierte Flächenprämie 2, DFP2) gesondert berücksichtigt, würden sich die Beihilfen
für Acker und Sonderkulturen auf EUR 323,- je ha, für intensives Grünland auf EUR 242,- je ha und
für extensives Grünland auf EUR 81,- je ha belaufen. Wie die Modellrechnung zeigt, verringern sich die
Verschiebungen zwischen den Bundesländern deutlich, je stärker der Differenzierungsgrad ist. In Tirol
würden sich bei einer Gliederung in Ackerflächen, intensives und extensives Grünland (DFP2) die
Prämien im Durchschnitt nur um 14% erhöhen und in Oberösterreich um 12% reduzieren.
Die Auswirkungen einer österreichweiten Einheitsprämie würden sich laut Modellrechnung auf die Direktzahlungen
der unterschiedlichen Betriebstypen im Durchschnitt folgendermaßen auswirken: Marktfruchtbetrieb Gänserndorf/NÖ
-21%, Stierhaltung Tulln/NÖ -56%, Schweinehaltung Leibnitz/Stmk. -9%, Milchproduktion Landeck/Tirol +115,
Milchproduktion Rohrbach/OÖ -10%, Mutterkuhhaltung St. Veit/Kärnten +54%.
Die Differenzierung in Ackerflächen, intensives- und extensives Grünland (DFP2) hätte nachstehende
Verschiebungen zur Folge: Marktfruchtbetrieb Gänserndorf/NÖ +1,2%, Stierhaltung Tulln/NÖ -46%, Schweinehaltung
Leibnitz/Stmk. +15%, Milchproduktion Landeck/Tirol +31%, Milchproduktion Rohrbach/OÖ -10%, Mutterkuhhaltung
St. Veit/Kärnten -7%.
Bundesländer-Modell
In der zweiten Modellrechnung wird jedes einzelne Bundesland als Region hinterlegt. Eine bundeslandweite
einheitliche Prämie würde die Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Direktzahlungen innerhalb
eines Bundeslandes deutlich verschärfen. Am Beispiel der Steiermark würden Landwirte im Bezirk Liezen
51% mehr Direktzahlungen gegenüber der historischen Prämienhöhe erhalten, im Bezirk Hartberg müssten
sie ein Minus von 23% tragen. Vergleicht man die beiden Bezirke nach der Differenzierung in Ackerflächen,
intensives- und extensives Grünland (DFP2) würden die Hektarsätze in Liezen um 4% steigen, in Hartberg
um 12% und im Bezirk Knittelfeld um 15% sinken.
Nachdem Minister Berlakovich eine einheitliche Flächenprämie für ganz Österreich ablehnt und
der Kommissions-Vorschlag nur dieses System vorsieht, wird er in den Verhandlungen in Brüssel für die
Differenzierung eintreten. "Eine einheitliche Flächenprämie wird den Ansprüchen der vielfältigen
Landwirtschaft in Österreich nicht gerecht", argumentiert Berlakovich, der sich derzeit noch auf kein
Differenzierungsmodell festlegen will. Denn auch auf nationaler Ebene stehen noch intensive Gespräche an.
Berlakovich will Greening in Cross Compliance integrieren
Bewegung kommt auch wieder in die Diskussion über das von der Kommission vorgeschlagene Greening (Fruchtfolge,
Grünlanderhaltung, 7% Flächenstilllegung). Während Agrarumweltmaßnahmen von den Mitgliedstaaten
grundsätzlich unterstützt werden, gehen die Meinungen über die Ausgestaltung der Bestimmungen weit
auseinander. Am Rande des Agrarrats vergangene Woche hat deshalb die "Stockholmer Gruppe" - der auch
Österreich angehört - drei Alternativen zum Greening-Vorschlag der Kommission eingebracht (aiz.info berichtete).
Auch der Ansatz von Landwirtschaftsminister Berlakovich nach einer "ökologisierten Betriebsprämie"
wurde in das Papier aufgenommen. Vorgesehen ist dabei die Basisprämie mit Ökoprämien zu verschränken,
indem das Greening komplett in Cross Compliance-Auflagen integriert wird. Die Verschmelzung dieser beiden Systeme
hätte den Vorteil, dass nur ein Kontroll- und Sanktionssystem notwendig wäre. Kosten und Verwaltungsaufwand
könnten dadurch reduziert werden.
Außerdem schlägt Berlakovich abgeminderte Schwellenwerte für die von der Kommission vorgeschlagenen
drei Umweltmaßnahmen vor. Neben der Fruchtfolge tritt der Ressortchef für einen gesamtstaatlichen Grünlanderhalt
anstatt eines einzelbetrieblichen und für weniger Flächenstilllegungen ein. "7% Ökobrachen
je Betrieb sind zu hoch. Unsere Bauern brauchen sichere Bedingungen, die durchaus ökologische Maßnahmen
berücksichtigen, aber in einem Ausmaß, das die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft nicht gefährdet",
betonte Berlakovich. Das österreichische Umweltprogramm (ÖPUL) solle auch nach 2013 bestehen bleiben
und besondere Umweltleistungen honorieren, gab Berlakovich bekannt.
Eine weitere Option, die unter anderen auch Deutschland favorisiert, sieht vor, mindestens 10% der Direktzahlungen
für Agrarumweltmaßnahmen in die zweite Säule (Ländliche Entwicklung) zu verschieben. Die Finanzierung
dieser Ökologisierung solle anstatt wie bisher zu 100% von der EU getragen werden. Für die Auszahlung
der verbleibenden Direktzahlungen wären demnach nicht die Greening-Auflagen relevant, sondern wie bisher die
Cross Compliance-Bestimmungen. Berlakovich spricht sich gegen diesen Vorschlag aus. "Die Umschichtung reduziert
die Direktzahlungen und würde die Landwirte beträchtlich benachteiligen", argumentiert der Minister.
Mehr Wahlmöglichkeiten zwischen Umweltmaßnahmen sind eine weitere Variante der "Stockholmer Gruppe".
Dabei sollen die Landwirte drei Greening-Maßnahmen aus einem erweiterten Menü wählen können,
um die 30% ihrer Direktzahlungen abzuholen. Davon ausgenommen würden nicht nur Biolandwirte, sondern auch
Bauern, die überwiegend Grünland bewirtschaften.
Jede dieser drei Optionen findet bei einzelnen Mitgliedstaaten Zuspruch. Auch der österreichische Vorschlag
wird von einigen Ländern unterstützt. Für eine breitere Zustimmung müssen aber noch intensiv
Allianzen gebildet und Verhandlungen geführt werden. |