NS-Verbrechen verlangen Aufarbeitung ohne Schlussstrich   

erstellt am
04. 05. 12

Prammer trifft TeilnehmerInnen des Jugendprojekts NS-Euthanasie
Wien (pk) - Im Vorfeld der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus am 04.05. im Parlament präsentierten auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die TeilnehmerInnen des Jugendprojekts zur NS-Euthanasie ihre Arbeiten im Hohen Haus. Mit ihren Installationen, aufgebaut in der Säulenhalle des Parlaments, versuchten die SchülerInnen und Lehrlinge, die unfassbaren Verbrechen greifbarer zu machen, indem sie Bezüge zu ihren eigenen Lebenswelten einfließen ließen. In Kleingruppen diskutierten die jugendlichen TeilnehmerInnen im Rahmen der Ausstellung, welche Erfahrungen sie durch ihre Beschäftigung mit den Opfern der NS-Euthanasie gewonnen hatten.

Prammer: Verantwortung für die Vergangenheit nicht vergessen
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer traf die Jugendlichen zu einem Reflexionsgespräch über die Ausstellungsstücke und die damit verbundene Aufarbeitung der NS-Schrecken. Österreich dürfe seine Geschichte nicht vergessen, betonte Prammer, daher sei Erinnerungsarbeit mit der Jugend, etwa in Form der Jugendprojekte, zum jährlichen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus unabdingbar. Damit könne das Wissen über die Gräuel des Nationalsozialismus auch für zukünftige Generationen bewahrt werden.

Beeindruckt und berührt zeigte sich Prammer über die detailreichen und gründlich recherchierten Projektarbeiten zu den Opfern der NS-Euthanasie. Es müssten aus der NS-Zeit, dem dunkelsten Teil der österreichischen Geschichte, die richtigen Lehren gezogen werden, unterstrich sie und begrüßte in diesem Zusammenhang, dass die NS-Tötungsanstalt Schloss Hartheim zu einem Gedenkort geworden ist.

Von allen Fraktionen nahmen auch die SprecherInnen für Menschen mit Behinderung an der Abschlussreflexion und der anschließenden Diskussion mit den SchülerInnen und Lehrlingen teil. Auf die Frage, welche Maßnahmen die heutige Politik für Menschen mit Behinderung setze, führte Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) die oftmals fraktionsübergreifenden Initiativen an, die gegen die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt getroffen würden.

Abgeordneter Franz-Joseph Huanigg (V) fügte hinzu, dass bereits an den Schulen darauf geachtet werden sollte, Kinder mit Behinderung nicht zu separieren und sprach sich ebenso wie G-Mandatarin Helene Jarmer für das Prinzip der Inklusion im Bildungsbereich aus. Die Diskussion über den Umgang mit Behinderung solle nicht in einer Kostenfrage resultieren, appellierte Jarmer, Ziel sei es letztendlich, Menschen mit Behinderung gleichberechtigte Möglichkeiten zu bieten. Zur Thematik NS-Euthanasie am diesjährigen Gedenktag bemerkte Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S), dass es darum gehe, den zahllosen Opfern des NS-Terrors Gesichter und so ihre Würde wiederzugeben.

Intensive Beschäftigung mit dem NS-Terrorregime
SchülerInnen der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am SMZ Ost/Donauspital in Wien, der HTL Steyr sowie Lehrlinge mehrerer Werkstätten des Vereins Jugend am Werk hatten sich seit Oktober 2011 mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und speziell mit der Ermordung von Menschen mit Behinderungen auseinandergesetzt. Mittels historischer Dokumente, wissenschaftlicher Literatur, Gesprächen, Bildern und Biografien hatten die Jugendlichen eigene Broschüren, Zeitungen, künstlerische Werkstücke sowie eine Landkarte zu den Euthanasie-Opfern geschaffen und dabei Verbindungen zu ihren angestrebten Berufen hergestellt. SchülerInnen der Hauptschule Hartkirchen, die bei der jährlichen Gedenkfeier im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim am 1. Oktober 2011 mitgewirkt und sich dazu mit Biografien von Opfern befasst haben, kamen ebenfalls zu der Veranstaltung in das Parlament.

Am Nachmittag erfuhren die Jugendlichen in einem Gespräch mit dem Zeitzeugen Friedrich Zawrel von seinem Überlebenskampf in mehreren Schreckensanstalten der NS-Herrschaft wie der Kinderfachabteilung "Am Spiegelgrund" oder dem nationalsozialistischen Erziehungsheim Mödling. Zawrel schilderte eindrucksvoll die physischen und psychischen Misshandlungen bis hin zur geplanten Ermordung von wehrlosen Kindern und Jugendlichen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen beziehungsweise von Minderjährigen, die nach NS-Diktion durch ihre Eltern "vorbelastet" waren.

Rund um den 5. Mai, dem Tag, an dem 1945 das Konzentrationslager Mauthausen befreit wurde, wird im Parlament seit 1998 der Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus begangen. Seit drei Jahren begleiten diesen Gedenktag Jugendprojekte, bei denen junge Menschen sich mit einem konkreten Teilbereich des NS-Terrorregimes beschäftigen und dadurch die Schrecken des Nationalsozialismus realisieren lernen. Im Jahr 2010 fokussierte das Jugendprojekt auf die "Mühlviertler Hasenjagd", 2011 befassten sich Jugendliche mit den Außenlagern des KZ Mauthausen.
     
zurück