Menschen mit Behinderung zu einem selbstverständlich geachteten Teil der Gesellschaft machen
Wien (sk) - Nationalrat und Bundesrat haben am 04.05. zu einer Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und
Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ins Parlament geladen. An der Gedenkveranstaltung nahmen
unter anderem auch Bundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Bundeskanzler
Werner Faymann teil. Auch Überlebende des Nationalsozialismus kamen zum Gedenken an die Menschen, die aufgrund
geistiger oder körperlicher Behinderungen in NS-Einrichtungen wie Hartheim oder dem Spiegelgrund ermordet
wurden.
Prammer erinnerte daran, dass der "Wert des Menschen" im Nationalsozialismus mit dessen produktiver Leistung
für die so genannte Volksgemeinschaft verknüpft wurde und dass sich die Selektion an den Rampen der Vernichtungslager
nur danach richtete, inwieweit die Ankommenden noch einige Wochen oder Monate zur Zwangsarbeit ausgebeutet werden
konnten. Leistung sei zwar zu Recht ein positiver Begriff und wertvoll für unsere Gesellschaft. "Die
Leistung eines Menschen aber ausschließlich in absoluten Zahlen zu messen, stößt unweigerlich
an die Grenze der Menschenrechte", so Prammer.
Die Nationalratspräsidentin plädierte dafür, dass "wir jeden Menschen mit seiner Leistungsfähigkeit
und -möglichkeit anerkennen und die große Bandbreite von Leistung wahrnehmen". "Nie darf Leistung
über den Wert von Leben entscheiden", bekräftigte Prammer. Für die Nationalratspräsidentin
misst sich die Qualität einer Gesellschaft daran, wie deren Mitglieder miteinander umgehen und ob sie solidarisch
miteinander sind.
Für Menschen mit Behinderung stehe heute die Inklusion im Vordergrund. "Dafür waren wichtige politische
Meilensteine notwendig, wie etwa das Bundesbehindertengesetz 1990 oder die verfassungsrechtliche Gleichstellung
von Menschen mit Behinderungen in Artikel 7 im Jahr 1997", sagte Prammer, die stolz auf die weit fortgeschrittene
rechtliche Situation in Österreich ist. "Tatsache ist auch, dass die tägliche Lebensrealität
von Menschen mit Behinderungen noch weit von einer Gleichstellung entfernt ist. Sie haben nach wie vor weniger
Zugang zu Bildung, leben in belastenden Wohnverhältnissen oder haben ein geringeres Einkommen", so Prammer.
"Wir müssen Menschen mit Behinderungen inkludieren und zu einem selbstverständlich geachteten und
respektierten Teil unserer Gesellschaft machen", sagte die Nationalratspräsidentin, die "große
Hoffnungen" in den Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen, der derzeit von der Bundesregierung
erarbeitet wird, setzt. Gesetze seien die wesentliche Grundlage, "doch es braucht die Gesellschaft, die Menschen,
um sie mit Leben zu füllen".
Im Vorfeld des Gedenktages hat das Parlament ein Jugendprojekt initiiert, bei dem Schülerinnen und Schüler
die Gedenkstätten "Am Steinhof" und Schloss Hartheim besucht und sich mit dem Thema "NS-Euthanasie"
auseinandergesetzt haben. Im Rahmen des Jugendprojekts beantwortete ein Überlebender, Friedrich Zawrel, Fragen
der Jugendlichen, wofür ihm Nationalratspräsidentin Prammer dankte. "Demokratie ist nur dann möglich,
wenn sie jeder und jede Einzelne von uns mit Leben erfüllt. Rassismus, Gewalt und Ausgrenzung sind ein Widerspruch
zur Demokratie und dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben", unterstrich Prammer abschließend. |