Themen: ACTA, Korruptionsstrafrecht, Bezirksgerichte, Menschenhandel
Wien (pk) – Sie sei zuversichtlich, dass das neue Korruptionsstrafrecht noch vor dem Sommer beschlossen
werde, betonte Justizministerin Beatrix Karl am 03.05. in der Fragestunde des Bundesrats, mit der die Plenarsitzung
der Länderkammer eingeleitet wurde. Was die Bezirksgerichtsreform betrifft, so sicherte die Ministerin die
Einbindung der Betroffenen in den Regionen zu. Wichtig seien ihr die Verbesserung der Qualität der Arbeit,
die Verbesserung des Kunden- und Bürgerservice sowie die Gewährleistung einer lückenlosen Sicherheit.
Vor Eingang in die Debatte lobte Bundesratspräsident Gregor Hammerl Elisabeth Reich (S/O) als neue Bundesrätin
an.
Frage des Bundesrats Magnus BRUNNER (V/V): Wie ist Ihr Standpunkt betreffend den Schutz des geistigen Eigentums
einerseits und zur Freiheit im Internet andererseits?
Antwort: Die Diskussion über die angesprochenen Themen habe in der letzten Zeit eine ziemliche Dynamik genommen,
wobei es sehr unterschiedliche Positionen dazu gibt, konstatierte einleitend Bundesministerin Beatrix KARL. Zu
Fragen des Urheberrechts und des Schutzes von geistigem Eigentum habe auch eine Enquete im ÖVP-Klub stattgefunden,
in der vor allem die UrheberInnen und KünstlerInnen für eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen an
die modernen Anforderungen eingetreten sind. Im Moment sehe es so aus, dass vor allem die Gerichte gefordert sind,
Antworten auf die bestehenden Probleme zu finden, da sehr viele Verfahren im Laufen seien. Diese Fragen können
aber nicht allein der Gerichtsbarkeit überlassen werden, war Karl überzeugt. Die Politik müsse sich
damit auseinandersetzen, ob die den Rechteinhabern zur Verfügung stehenden Instrumente überhaupt ausreichen
bzw. ob die Nutzung bestehender Ansprüche nicht zu unverhältnismäßigen Folgen führt.
In der Öffentlichkeit müsse zudem ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Eigentum nicht nur
etwas ist, dass man angreifen kann, sondern dass es auch ein geistiges Eigentum gibt, das ebenso den entsprechenden
grundrechtlichen Schutz verdient.
Auch bei der intensiven Diskussion um das multilaterale Handelsabkommen zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie
(ACTA) habe sich gezeigt, wie sehr hier die Meinungen auseinandergehen. Dabei ist es den Gegnern des Urheberrechtes
gelungen, ein Abkommen als Bedrohung für Demokratie und Menschenrechte darzustellen, obwohl dieser Vertrag
über die europäischen Standards der Rechtsdurchsetzung bei geistigem Eigentum nicht hinausgeht, gab die
Justizministerin in Richtung der Bundesrätin Ana BLATNIK (S/K) zu bedenken. Das primäre Ziel von ACTA
wäre es gewesen, den Rechtsbestand in diesem Bereich auch auf Entwicklungsländer auszudehnen, sodass
etwa österreichische UrheberInnen auch in diesen Staaten einen Schutz ihrer Werke genießen. Sie begrüße
es jedoch, dass die Materie nun vom Europäischen Gerichtshof geprüft wird; grundsätzlich spreche
von österreichischer Seite dann nichts dagegen, das Abkommen zu unterschreiben.
Die Bundesministerin hielt zudem klar und deutlich fest, dass es bei der Verschärfung des Urheberrechts und
eines besseren Schutzes des geistigen Eigentums nicht um die Kriminalisierung des einzelnen privaten Nutzers geht.
Es sollen aber rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die UrheberInnen vor gewerbsmäßigem
Gratisdownload im Internet schützen, betonte die Justizministerin. Sie führe darüber auch schon
Gespräche mit Kulturministerin Claudia Schmied, damit bis etwa Frühjahr 2013 entsprechende Vorschläge
zur Änderung des Urheberrechts ausgearbeitet werden können. Auf eine Zusatzfrage betreffend die Leerkassettenabgabe
informierte Karl, dass die Erträge daraus stark zurückgegangen seien, weil kaum mehr Leerkassetten gekauft
würden. Es müsste daher eine den neuen Gegebenheiten angepasste Fortentwicklung dieser Regelung überlegt
werden.
Auf eine Zusatzfrage von Bundesrat Gerd KRUSCHE (F/St) hin informierte Karl darüber, dass die Innenministerin
eine eigene Kampagne zum Thema "Cyber-Crime" gestartet hat und Österreich generell in dieser Frage
in den letzten Jahren sehr aktiv gewesen sei. Sie erinnerte zudem daran, dass im letzten Jahr auch ein neuer Straftatbestand
geschaffen wurde, der das Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen im Internet unter Strafe stellt.
Frage des Bundesrats Gerald KLUG (S/St): Welche Schwerpunkte werden von Ihnen bei der Ausarbeitung eines praxisnahen
Korruptionsstrafrechts gesetzt?
Antwort: Wie beim vorigen Thema gehe es auch bei der Korruptionsbekämpfung sehr stark um Bewusstseinsbildung,
war Justizministerin Beatrix KARL überzeugt. Das bestehende Korruptionsstrafrecht sei ihrer Ansicht nach zwar
gut, aber einige Lücken müssten noch geschlossen werden. Daher habe ihr Ressort einen neuen Vorschlag
ausgearbeitet, mit dem u.a. acht von zehn "GRECO-Empfehlungen" umgesetzt werden. GRECO ist die Staatengruppe
des Europarats gegen Korruption, die 1999 eingerichtet wurde und derzeit 49 Mitgliedstaaten umfasst.
Karl kam sodann auf die konkreten Inhalte des neuen Entwurfs zu sprechen, der etwa eine Ausweitung der Strafbarkeit
im Inland (z.B.: ein Österreicher besticht einen ausländischen Amtsträger im Ausland) beinhaltet.
Außerdem gehe es darum, eine Lücke im Zusammenhang mit der so genannten Abgeordnetenbestechung zu schließen.
Die Abgeordneten sollen daher voll in den Amtsträgerbegriff aufgenommen werden, erläuterte die Ressortchefin.
Künftig soll das Korruptionsstrafrecht auch für MitarbeiterInnen und Organe von öffentlichen Unternehmen
gelten. Weitere Änderungen betreffen Verschärfungen im Bereich der Privatkorruption und des so genannten
"Anfütterns". Bei Letzterem gehe es darum, dass man geringfügige Vorteile annehmen kann, wobei
im Gesetz aber kein fixer Betrag genannt sei. Außerdem werde klar festgelegt, dass Repräsentationsaufgaben
natürlich weiterhin wahrgenommen werden dürfen (Zusatzfrage von Bundesrat Josef STEINKOGLER, V/O). Karl
zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, dass der Entwurf noch vor dem Sommer im Parlament beschlossen wird.
Frage des Bundesrats Hermann BRÜCKL (F/O): Welche Kriterien muss ein Bezirksgericht künftig erfüllen,
damit der jeweilige Gerichtsstandort erhalten bleibt?
Antwort: Justizministerin Beatrix KARL legte zunächst dar, warum sie eine Optimierung der bezirksgerichtlichen
Strukturen, die in den Grundzügen auf das Jahr 1849 zurückgehen, für notwendig erachtet. Damals
war z.B. das ausschlaggebende Kriterium, dass man innerhalb eines Tages mit der Kutsche das Gericht erreichen sollte.
Seitdem habe sich natürlich viel geändert und die Strukturen müssten daher an die neuen Gegebenheiten
angepasst werden. Im Vordergrund stehen für sie dabei folgende Punkte: die Verbesserung der Qualität
der Arbeit durch den Ausbau der Spezialisierungsmöglichkeiten, die Verbesserung des Kunden- und Bürgerservice
durch die Schaffung von größeren Einheiten, die Einrichtung von Servicecentern als erste Anlaufstelle
für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewährleistung einer lückenlosen Sicherheit.
Die in einer Zusatzfrage angesprochene Anhebung der Wertgrenzen an den Bezirksgerichten, die stufenweise erfolgen
soll, führe dazu, dass die BürgerInnen vor Ort nicht mehr zum Landesgericht fahren müssen, gab Karl
zu bedenken. Was die Zweisprachigkeit an den Gerichten betrifft, so soll diese natürlich weiter aufrechterhalten
werden, betonte die Ministerin. Sie habe zudem eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die auch eine Diskussionsgrundlage
für die Verhandlungen mit den Ländern sei. Erste Ergebnisse erwarte sie sich noch vor dem Sommer, informierte
die Ministerin.
Frage der Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O): Wie ist die Entwicklung betreffend die Vorratsdatenspeicherung
auf europäischer Ebene?
Antwort: Die Europäische Union sei in einem sehr ausführlichen Bericht im letzten Jahr zum Schluss
gekommen, dass die Vorratsdatenspeicherung einerseits ein notwendiges und nützliches Instrument für die
Strafrechtspflege darstellt, andererseits aber die Harmonisierung der unterschiedlichen Speicherverpflichtungen
in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Harmonisierung des Binnenmarktes verfehlt wurde, erläuterte Justizministerin
Beatrix KARL. Als verbesserungsbedürftig sehe man vor allem die
Datensicherheitsmaßnahmen insbesondere für das Verfahren der Datenübergabe vom Anbieter an die
Behörden an. Die Kommission plane, noch dieses Jahr einen Vorschlag für eine neue Richtlinie vorzulegen,
über den konkreten Inhalt sei aber bis jetzt noch nichts bekannt geworden, informierte die Justizministerin.
Was die nationale Ebene angeht, so glaube sie, dass mit der österreichischen Ausformung der Vorratsdatenspeicherung
ein guter Mittelweg - zwischen den notwendigen Mitteln zur Verbrechensbekämpfung und –aufklärung einerseits
und dem Datenschutz andererseits - gefunden wurde.
Frage des Bundesrats Ewald LINDINGER (S/O): In welcher Form werden bei der Bezirksgerichtsreform die regional
vor Ort Verantwortlichen eingebunden?
Antwort: Justizministerin Betarix KARL bekannte sich dazu, dass bei solchen Reformen die Betroffenen in
den Regionen voll eingebunden werden; es soll auch einen strukturierten Dialog vor Ort geben. Vorerst müsse
aber einmal abgewartet werden, bis klar sei, welche Bezirksgerichte betroffen sind. Es sei ihr ein großes
Anliegen, dass rasch eine Lösung mit den Ländern gefunden wird, damit es zu keinen weiteren Verunsicherungen
der MitarbeiterInnen kommt. Auf eine Zusatzfrage hin räumte Karl ein, dass die Verhandlungen ergeben können,
dass Bezirksgerichte über Ländergrenzen hinweg zuständig sein werden. Sie sei jedenfalls für
solche Lösungen offen, wenn sie von den betroffenen Ländern akzeptiert werden.
Frage des Bundesrats Kurt STROHMAYER-DANGL (V/N): Welche Erfahrungen gibt es in Bezug auf die Tätigkeit
des Rechtsschutzbeauftragten in Ihrem Ressort?
Antwort: Der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz ist zu einem sehr wichtigen Bestandteil der unabhängigen
Kontrolle staatsanwaltschaftlichen Handelns geworden, war Justizministerin KARL überzeugt. Seine Kompetenzen,
die in den Jahren stetig gewachsen sind, seien speziell seit dem Inkrafttreten der Strafprozessordnung erweitert
worden. Es obliege ihm nunmehr die Prüfung und Kontrolle der Anordnung, Genehmigung, Bewilligung und Durchführung
systematischer, über längere Zeit durchgeführter verdeckter Ermittlungen, der Auskunft über
Vorratsdaten und der Genehmigung einer optischen oder akustischen Überwachung von Personen sowie eines automationsunterstützten
Datenabgleichs. In der Folge informierte die Justizministerin ausführlich über die weiteren Zuständigkeiten
des Rechtsschutzbeauftragten sowie über dessen Tätigkeit im Jahr 2011. Insgesamt gebe es sehr gute Erfahrungen
mit dem Rechtsschutzbeauftragten, der sicher einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Vertrauens in die Justiz
leistet, unterstrich sie.
Frage der Bundesrätin Muna DUZDAR (S/W): Welche wirksamen Schritte beabsichtigen Sie zur stärkeren
Bekämpfung des Menschenhandels zu setzen?
Antwort: Bei diesem Thema arbeite sie eng mit Innenministerin Mikl-Leitner zusammen, führte Justizministerin
KARL aus. Zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zu dieser Problematik beabsichtige sie, einen Gesetzesentwurf vorzulegen,
der sowohl Strafverschärfungen als auch eine Ausweitung des Tatbestands vorsieht. So soll etwa die Grundstrafdrohung
von drei Jahren auf bis zu fünf Jahre, bei minderjährigen Opfern auf ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe
angehoben werden. Der Tatbestand soll auch dahin ausgeweitet werden, dass Menschenhandel zum Zweck der Ausnützung
zur Bettelei sowie zur Begehung strafbarer Handlungen ausdrücklich als Fälle von Menschenhandel definiert
werden. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Europarats-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt werde auch die Zwangsheirat neu zu regeln sein, kündigte Karl
an. Schließlich betonte die Ressortchefin noch die Bedeutung von Europol und Eurojust, die einen wichtigen
Beitrag zur länderübergreifenden Bekämpfung von Menschenhandel leisten. |