Bundesrat stimmt mit breiter Mehrheit Reform zu
Wien (pk) - Die Reform der Sicherheitsbehörden ist nun fix. Die acht Sicherheitsdirektionen,
vierzehn Bundespolizeidirektionen und neun Landespolizeikommandos werden nun zu insgesamt neun Landespolizeidirektionen
zusammengeführt. Das diesbezügliche Bundesverfassungsgesetz, mit dem die erforderlichen verfassungsgesetzlichen
Rahmenbedingungen festgelegt werden, und das Sicherheitsbehörden-Neustrukturierungs-Gesetz – SNG, das der
Schaffung der notwendigen organisatorischen Voraussetzungen dient, passierten am 03.05. den Bundesrat ohne Einspruch
mit breiter Mehrheit.
Alle Fraktionen begrüßten unisono die damit gelungene Verwaltungsreform im Sicherheitsbereich, auch
Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einem "Meilenstein" und erinnerte an die bereits erfolgten
Reformschritte, die im Rahmen ihres Ressorts seit 2003 durchgeführt wurden. Sie hob insbesondere hervor, dass
bei jeder Landespolizeidirektion und jedem Polizeikommissariat ein Bürgerservice eingerichtet werde, sodass
die BürgerInnen nur mehr eine Ansprechstelle für polizeibehördliche Angelegenheiten haben werden.
Die Grünen stimmten den beiden Gesetzen jedoch nicht zu. Sie teilten zwar die positive Einschätzung dieser
Veraltungsreform, äußerten aber nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken, sondern warnten auch vor parteipolitischen
Postenbesetzungen, was von der Ministerin sowie von der ÖVP dezidiert in Abrede gestellt wurde.
Die Debatte wurde von Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) eingeleitet. Eine Verwaltungsvereinfachung sei immer zu
begrüßen, sagte er, er befürchte aber aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit, dass die
notwendigen Neubesetzungen parteipolitisch erfolgen werden. Dönmez führte auch verfassungsrechtliche
Bedenken an, da die Landespolizeidirektionen erstinstanzlich entscheiden, aber auch bei Berufungen in der zweiten
Instanz zuständig sein sollen, bis die Verwaltungsgerichte installiert sind. Er räumte aber ein, dass
innerhalb dieser Behörde dann jeweils zwei unterschiedliche Bereiche die Entscheidungen treffen. Aus diesen
Gründen würden die Grünen gegen die vorliegende Reform stimmen, erklärte der grüne Bundesrat.
Dönmez bedankte sich am Schluss seiner Ausführungen bei der Bundesregierung für den Entschluss,
nicht zur Fußball-WM in die Ukraine zu fahren, und unterstrich, dass niemand über die Verletzung von
Menschenrechten hinwegschauen dürfe.
Bundesrat Franz PERHAB (V/St) sprach von einer "sensationellen und historischen Reform", wie es sie im
Innenministerium in der zweiten Republik noch nicht gegeben habe. Das Innenressort zählt ihm zufolge zu den
reformfreudigsten, Perhab erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Neuorganisation der COBRA, die Gründung
des Bundeskriminalamts und der Sicherheitsakademie, die Eingliederung des Zollwesens und die Zusammenführung
der Gendarmerie mit der Polizei. Ministerin Mikl-Leitner führe nun die Dynamik weiter und gewährleiste,
dass die Sicherheit in Österreich auf hohem Niveau bleibe. Besonders hob Perhab die Einrichtung von Bürgerservicestellen
nach dem One-Stop-Shop-Prinzip hervor, wodurch in Hinkunft alle polizeibehördlichen Angelegenheiten an einer
Stelle erledigt werden können. Zusammenfassend meinte er, durch die vorliegenden Gesetze würden die Behördenstruktur
und die Verwaltung verschlankt, ohne die Serviceleistungen für die BürgerInnen einzuschränken.
Bundesrat Gerald KLUG (S/St) betrachtete die vorliegende Reform der Sicherheitsbehörden in einem größeren
Kontext gemeinsam mit den Plänen eines Bundesamts für Asyl- und Fremdenwesen sowie mit der Reform der
Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Neuorganisation der Sicherheitsbehörden unter dem Titel "aus 31 macht
9" führe zu einer Neuaufstellung der polizeilichen Ressourcen, die 2014 optimal zu den neuen Landesverwaltungsgerichten
passen. Damit gelinge in Österreich ein Rechtschutzniveau, wie es höchsten europäischen Standards
entspricht, bemerkte Klug. Dies werde auch positive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort haben, da eine Beschleunigung
der Genehmigungsverfahren zu erwarten sei. Klug zufolge wird mit den gesetzlichen Maßnahmen nicht nur eine
übersichtliche Struktur geschaffen, sondern auch die Basis für qualitativ bessere Verfahren und raschere
Entscheidungen gelegt. Der SP-Bundesrat ging in weiterer Folge auf die Bedenken der Grünen hinsichtlich parteipolitischer
Postenbesetzungen ein und meinte "wir sind gebrannte Kinder". Dennoch sei es unangebracht, berechtigte
Vorwürfe gegen ehemalige Minister der neuen Ministerin anzulasten. Vielmehr gäben die notwendigen Ausschreibungen
für die Spitzenpositionen eine Chance, ein hohes Maß an Sensibilität und Transparenz unter Beweis
zu stellen, sagte Klug.
Auch Bundesrat Johann ERTL (F/N) würdigte die vorliegende Reform, die, wie er betonte, nur die oberste Führungsstruktur
betrifft. Er teilte die verfassungsrechtlichen Bedenken von Dönmez, fügte jedoch hinzu, dass der Verfassungsgerichtshof
diese Sonderkonstellation als zulässig betrachtet, weil im Fall einer Berufung ein anderer Bereich tätig
wird. Ertl zeigte sich auch skeptisch, dass die kommenden Postenbesetzungen völlig objektiv erfolgen, und
meinte, dieser Punkt sollte nochmals überarbeitet werden, zumal in diesen Fällen das Einvernehmen mit
den Landeshauptleuten zu suchen ist, beziehungsweise diese ein Anhörungerecht haben. Trotz dieser Kritik bewertete
Ertl die Reform als einen zukunftsweisenden Schritt, der die volle inhaltliche Zustimmung der FPÖ erhalte.
Er hoffte, dass die dadurch erzielten Einsparungen dafür verwendet werden, mehr Präsenz der Exekutive
auf der Straße zu gewährleisten.
Bundesrat Christoph KAINZ (V/N) betrachtete das Gesetzespaket als einen weiteren Schritt zur Effizienzsteigerung
und nannte es als gutes Beispiel dafür, wie man Sicherheit erhöht und Steuermittel spart. Damit würden
drei Themenbereiche berührt, die für die Bevölkerung Priorität haben: nämlich Sicherheit,
moderne Strukturen und Effizienzsteigerung. Kainz attestierte der Ministerin einen "tollen Verhandlungserfolg".
Was die Befürchtungen hinsichtlich der Postenbesetzungen betrifft, stellte er parteipolitische Einflussnahme
in Abrede und meinte, es müssten die Besten zum Zug kommen. Er zeigte sich sicher, dass man dabei höchste
Sensibilität walten lassen werde. Wenn die Grünen heute dagegen stimmten, dann stellten sie sich als
eine "Unsicherheitspartei" dar.
Das rief eine zweite Wortmeldung von Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) hervor, der nochmals unterstrich, dass
seine Fraktion die Verwaltungsreform begrüße. Wenn man aber den Sicherheitsapparat als eine der tragenden
Säulen der Demokratie versteht, dann müsse man die Bedenken ernst nehmen, zumal in der Vergangenheit
parteipolitische Postenbesetzungen erfolgt seien. Er wehrte sich vehement gegen den Vorwurf von Bundesrat Kainz,
plakativ und vereinfachend die Sachlage zu betrachten, und wiederholte seine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das wiederum veranlasste Bundesrat Christoph KAINZ (V/N) zu einer Replik, indem er meinte, die Ablehnung der Grünen
werfe die berechtigte Frage auf, ob sie für Sicherheit oder für Unsicherheit stehen. Man könne für
ein Stimmverhalten nicht die Erfahrungswerte aus der Vergangenheit heranziehen, konstatierte er und wies den Vorwurf
reiner parteipolitischen Postenbesetzungen in der Vergangenheit zurück.
Bundesministerin Johanna MIKL-LEITNER unterstrich, man habe es mit der größten Behördenreform in
der Zweiten Republik zu tun und freute sich über den breiten Konsens und die Akzeptanz. Durch die Zusammenführung
von 31 Behörden auf neun würden die obersten Führungsstrukturen schlanker und effizienter. Es seien
rund 400 MitarbeiterInnen betroffen, informierte sie, an den Kompetenzen der Bezirkshauptmannschaften ändere
sich nichts, stellte sie klar. Man werde in Zukunft auch Doppel- und Mehrgleisigkeiten verhindern.
Auch sie wies auf die großen Reformschritte ihres Ministeriums in den letzten Jahren hin und betonte, die
von ihrer Vorgängerin, Ministerin Fekter, entwickelte Strategie "Innen-sicher" habe eine Leitlinie
für die Sicherheit des Landes entwickelt und die Behördenreform von heute stelle einen Kernpunkt dieser
Strategie dar.
Die Ministerin wollte den heutigen Beschluss ebenfalls in einem größeren Kontext sehen und nannte in
diesem Zusammenhang den Plan eines Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, das mit 2014 seine Arbeit aufnehmen
soll, die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Haushaltsreform. Den verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich
der Zusammenführung von Behörde und Wachkörper widersprach die Innenministerin. Das funktioniere
in Wien gut und wichtig sei eine ausreichende Kontrolle, die auf mehreren Ebenen - sowohl intern als auch extern
- gewährleistet sei. Wichtig sei ihr der Grundsatz, "jede Aufgabe in eine Hand" zu geben. Sie hob
auch die Einrichtung von Bürgerservicestellen bei jeder Landespolizeidirektion und bei den Polizeikommissariaten
hervor sowie das ständige Bemühen um eine Modernisierung des Aus- und Fortbildungswesens. Vehement wies
sie die Bedenken hinsichtlich parteipolitischer Postenbesetzungen zurück und versicherte, dass die klaren
gesetzlichen Regelungen auf Punkt und Beistrich eingehalten würden und man dabei Sensibilität und Professionalität
walten lassen werde.
Weitere Beschlüsse des Bundesrats
Einhellig befürworteten die Bundesrätinnen und Bundesräte sodann das Abkommen zwischen Österreich
und Tschechien über eine Änderung des Grenzverlaufs an der gemeinsamen Staatsgrenze. Die beiden Nachbarstaaten
wollen damit gewährleisten, dass die Staatsgrenze auch künftig in der Flussmitte der Thaya verläuft,
nachdem sich der Flusslauf durch die Errichtung des Thaya-Damms geringfügig verändert hat.
Ebenso einstimmig machten die Mitglieder der Länderkammer den Weg für die Änderung des Unfalluntersuchungsgesetzes
frei, das auf Verbesserungen des österreichischen Rechtssystems vor allem hinsichtlich der Untersuchung von
Flugunfällen abzielt.
Auch der nächste Tagesordnungspunkt betraf den Flugverkehr. In Umsetzung einer EU-Richtlinie wurde das Bundesgesetz
über die Festlegung von Flughafenentgelten ( Flughafenentgeltegesetz – FEG) verabschiedet, jedoch nur mit
mehrheitlicher Zustimmung der Bundesrätinnen und Bundesräte.
Schließlich vertrat auch der Bundesrat einhellig die Auffassung, dass Österreich offiziell keine "Seemacht"
mehr sein soll. Die entsprechende Vorlage, mit der das Seeschifffahrtsgesetz und das Bundesgesetz zur Erfüllung
des Internationalen Schiffsvermessungs-Übereinkommens von 1996 geändert werden, regelt nunmehr den Rückzug
des Binnenlandes Österreich aus der gewerbsmäßigen Seeschifffahrt und schafft bei dieser Gelegenheit
gleichzeitig eine verfassungskonforme Regelung von Befähigungsausweisen für den Jachtsport auf See.
Einstimmig votierte der Bundesrat schließlich für das Kooperationsabkommen über Satellitennavigation
zwischen der Europäischen Union und Norwegen. Oslo verpflichtet sich darin, künftige gemeinschaftspolitische
Maßnahmen zum Schutz der europäischen GNSS EGNOS und Galileo mitzutragen und sich am Galileo-Programm
finanziell zu beteiligen. |