Feierliche Bestattung von Opfern der NS-Medizin am Wiener Zentralfriedhof am 9. Mai 2012
Wien (rk) - Im Mai 2002, vor zehn Jahren, wurden sterbliche Überreste der Opfer der NS-Kindereuthanasie
am Spiegelgrund im Rahmen einer feierlichen Zeremonie am Zentralfriedhof bestattet. Die kommenden Tage wird die
Stadt Wien nützen, um erneut und weiterhin in würdiger Weise aller Opfer der NS-Medizin zu gedenken -
in ihrer Gesamtheit und in ihrer Individualität. Dies erfolgt im Rahmen dreier Veranstaltungen, die sich mit
den Folgen der NS-Medizinverbrechen in Wien auseinandersetzen. Alle Veranstaltungen finden in Kooperation mit dem
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes statt.
1) Am Montag, den 7. Mai 2012 hält der deutsche Experte Michael Wunder im Rahmen der Wiener Vorlesungen einen
Vortrag über "Die Geschichte der Euthanasie im Nationalsozialismus und die Verantwortung für heutiges
Handeln".
Zeit: Montag, 7. Mai 2012, 19 Uhr
Ort: Gesellschaft der Ärzte, Billrothhaus, 9., Frankgasse 8
2) Am darauffolgenden Mittwoch, den 9. Mai, findet am Ehrenhain des Zentralfriedhofs im Beisein von Bundespräsident
Heinz Fischer, Bürgermeister Michael Häupl, Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely, Bildungsstadtrat
Christian Oxonisch, Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin
von Hamburg, die Bestattung von sterblichen Überresten von Opfern der NS-Medizin in Wien statt.
Zeit: 9. Mai 2012, 14:30-16:00 Uhr
Ort: Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 40, 1110 Wien
3) Am Montag, den 14. Mai, werden im Rahmen der Veranstaltung "Spiegelgrund-Überlebende erzählen"
Videointerviews mit ZeitzeugInnen der Wiener Jugendfürsorge in der Gedenkstätte Steinhof im Otto-Wagner-Spital
präsentiert.
Zeit: Montag, 14. Mai 2012, 10:00 Uhr
Ort: Otto-Wagner-Spital, V-Gebäude
NS-Medizinverbrechen in Wien und der Umgang damit nach 1945
Die Medizin übernahm im Nationalsozialismus eine neue und besonders menschenverachtende Aufgabe: die
von den Nazis so genannte "Ausmerzung" von Menschen, die sie als "minderwertig" qualifizierten.
Für Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, psychisch Kranke und Unangepasste war in der nationalsozialistischen
Volks- und Leistungsgemeinschaft kein Platz. Sie wurden verfolgt, eingesperrt und der Vernichtung preisgegeben.
Das heutige Sozialmedizinische Zentrum Baumgartner Höhe stand während der NS-Zeit im Brennpunkt der verschiedenen
Tötungsaktionen des Regimes gegen PsychiatriepatientInnen und Menschen mit geistigen Behinderungen. Etwa 3.200
Menschen wurden in den Jahren 1940/41 im Rahmen der so genannten "Aktion T4" nach Schloss Hartheim in
Oberösterreich deportiert und dort in der Gaskammer getötet. Nachdem aufgrund zahlreicher Proteste von
Angehörigen und verschiedenen Institutionen diese verbrecherische Vernichtungsaktion Ende August 1941 offiziell
gestoppt worden war, wurden die Ermordungen in die einzelnen Anstalten verlagert - "dezentralisiert".
Alleine für die Anstalt "Am Steinhof" ist in dieser Phase nach Schätzungen von ca. 3.500 zusätzlichen
Todesfällen bis 1945 auszugehen. Systematische Vernachlässigung, Unter- und Mangelernährung, mangelnder
Schutz vor Kälte sowie bewusst geförderte Infektionskrankheiten stellten die häufigsten Todesursachen
dar.
In der Anstalt "Am Spiegelgrund" wurden außerdem 789 Kinder und Jugendliche umgebracht, die meisten
davon als Opfer der so genannten "Kindereuthanasie". Von vielen der ermordeten Opfer wurden zur weiteren
wissenschaftlichen Ausbeutung Präparate angefertigt, an denen bis weit in die Nachkriegszeit hinein ohne Bedenken
wissenschaftlich-medizinisch geforscht wurde.
Aufarbeitung in den vergangenen Jahren
2002 wurden die Gehirnpräparate von über 400 in der NS-Zeit in der Klinik am Spiegelgrund ermordeten
Kindern im Rahmen einer feierlichen Zeremonie am Zentralfriedhof bestattet. Seit 2006 hat die Stadt Wien zahlreiche
Überlebende vom "Spiegelgrund" für deren wichtige Aufklärungs- und ZeitzeugInnenarbeit
über die Gräueltaten des Nazi-Regimes mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien ausgezeichnet.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes hat im Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit
der Stadt Wien und dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus im Jahr
2008 die seit 2002 bestehende Ausstellung "Der Krieg gegen die 'Minderwertigen' - Zur Geschichte der NS-Medizin
in Wien" im Pavillon V des Otto-Wagner-Spitals neu gestaltet und erweitert. Die Ausstellung erläutert,
beginnend mit der Vorgeschichte, die nationalsozialistischen Medizinverbrechen in Wien und thematisiert auch den
Umgang mit diesen Verbrechen nach 1945.
In den letzten Jahren wurden im Zuge einer umfassenden Erhebung zu Relikten der NS-Geschichte in der Geschäftsgruppe
Gesundheit und Soziales der Stadt Wien weitere Unterlagen und histologisches Material von Opfern der NS-Psychiatrie
aufgefunden und einer Sichtung und Aufarbeitung durch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
zugeführt. Unterlagen wie Fotos und Krankengeschichten wurden dem Wiener Stadt- und Landesarchiv übergeben,
die histologischen und anatomischen Präparate werden nun bestattet.
"Spiegelgrund-Überlebende erzählen"
Es werden im Rahmen der Veranstaltung "Spiegelgrund-Überlebende erzählen" Videointerviews
mit ZeitzeugInnen der Wiener Jugendfürsorge in der Gedenkstätte Steinhof im Otto-Wagner-Spital präsentiert.
Datum: 14.5.2012, um 10:00 Uhr
Ort: Otto-Wagner-Spital V-Gebäude
Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien
"Die Geschichte der Euthanasie im Nationalsozialismus und die Verantwortung für heutiges Handeln"
Vortrag des deutschen Experten Michael Wunder im Rahmen der Wiener Vorlesungen.
Datum: 7.5.2012, um 19:00 Uhr
Ort: Billrothhaus Gesellschaft der Ärzte
Frankgasse 8, 1090 Wien
Die Bestattung findet im Beisein von Bundespräsident Heinz Fischer, Bürgermeister Michael Häupl,
Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely, Bildungsstadtrat Christian Oxonisch, Kulturstadtrat Andreas
Mailath-Pokorny und Dorothee Stapelfeldt, Zweite Bürgermeisterin von Hamburg statt.
Datum: 9.5.2012, 14:30 - 16:00 Uhr
Ort: Wiener Zentralfriedhof Gruppe 40
Wiener Zentralfriedhof, 1110 Wien |