OeNB informiert über Österreichs Direktinvestitionen im Jahr 2011
Wien (oenb) - Trotz eingetrübter Wachstumsaussichten in Folge der europäischen Staatsfinanzkrise
haben Österreicher im abgelaufenen Jahr 22 Mrd Euro an ausländischen Unternehmensbeteiligungen erworben.
Zugleich haben Ausländer für mehr als 10 Mrd Euro in heimische Unternehmen investiert. Beide Werte sind
bisher nur im Jahr 2007 – dem Jahr des Beginns der Wirtschaftskrise – überboten worden. Die österreichischen
Direktinvestitionen entwickeln sich dabei dynamischer als die weltweiten Trends. Mit Finanzierungsproblemen scheinen
die beteiligten Unternehmen nicht konfrontiert zu sein: Die „Kriegskasse“ der meisten Konzerne war dank regelmäßiger
Finanzierungsüberschüsse gefüllt und konnte bei Bedarf durch Wertpapieremissionen weiter gestärkt
werden. Inländische Direktinvestoren emittierten im Jahr 2011 verzinsliche Wertpapiere im Ausmaß von
2,5 Mrd Euro. Die Ertragslage der meisten Konzerne dürfte auch im Berichtsjahr gut gewesen sein, wie die hohen
Dividendenströme des Jahres 2011 vermuten lassen.
Die Hälfte der aktiven Direktinvestitionen entfiel laut Erhebungen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB)
2011 auf Eigenkapitaltransaktionen, 7 Mrd Euro erfolgten in Form konzerninterner Kredite und die reinvestierten
Gewinne beliefen sich auf geschätzte 3 Mrd Euro. Die regionale Streuung der aktiven Direktinvestitionen war
2011 erneut sehr breit: In 29 verschiedene Länder wurden jeweils mehr als 100 Mio Euro investiert. Deutlich
verschoben hat sich der regionale Fokus: Auf die früher dominierenden Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas
entfiel 2011 nur knapp ein Viertel der investierten Mittel. Die größte Transaktion des Jahres 2011 war
eine Neuordnung des VW-Konzerns, in den die Familien Piech und Porsche ihre Autohandelsfirma einbrachten. Diese
Transaktion, die gleichzeitig auch zu passiven Investitionen des Auslands in Österreich führte, war im
ersten Quartal 2011 nach einer Liste der UNCTAD die weltweit achtgrößte Direktinvestition. Übertroffen
wird Deutschland als Zielland von den Niederlanden. Dort dominieren konzerninterne Zweckgesellschaften, die mittels
konzerninterner Kredite für die nötige Konzernliquidität sorgen. Auf Platz drei der Zielländer
rangiert die Türkei, wo die OMV ihren Anteil an einer Tankstellenkette ausgebaut hat. Auf den Rängen
fünf und sieben liegen mit Ungarn und Rumänien – die einzigen Transformationsländer unter den ersten
zehn Zielländern. Statt der Ausweitung geschäftlicher Aktivitäten steht dort die Absicherung bestehender
Beteiligungen im Bankenbereich im Vordergrund. Neue regulatorische Rahmenbedingungen erfordern eine verstärkte
Eigenkapitalbasis und führten zu Kapitalzuschüssen durch die österreichischen Mütter.
Erwähnenswert ist das anhaltend starke Interesse an China, wo eine Vielzahl von Investoren aus den unterschiedlichsten
Branchen in Summe Investitionen in Höhe von 700 Mio Euro getätigt haben.
Auch passivseitig dominierten 2011 die Direktinvestitionen in Form von Eigenkapital (6,8 Mrd Euro). Die im Inland
verbliebenen reinvestierten Gewinne schätzt die OeNB auf 1,9 Mrd Euro. Zusätzlich wurde die Kapitalbasis
der Tochtergesellschaften mit Konzernkrediten in Höhe von 1,5 Mrd Euro ausgeweitet. Der erste Platz Italiens
in der Liste der Herkunftsländer im Jahr 2011 resultiert im Wesentlichen aus einer Zusammenfassung der Anteilsrechte
an der Bank Austria in einer Hand, wodurch etwa in den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich markante
Rückgänge zu verzeichnen waren. Es handelt sich dabei nur um eine regionale Verschiebung in der Finanzierungsstruktur.
Mit Deutschland, dem zweitwichtigsten Herkunftsland im Jahr 2011, gab es neben dem erwähnten „Megamerger“
auch eine Vielzahl kleinerer Engagements, die die enge wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit Deutschland
unterstreichen. Aus der am dritten Platz liegenden Schweiz kamen weniger als 1 Mrd Euro. Danach folgen „exotischere“
Herkunftsländer, wie Gibraltar, ein steuergünstiges Land für Firmensitze, Südafrika, von wo
aus u.a. ein bedeutender Papierkonzern seine Aktivitäten steuert, die Vereinigten Arabischen Emirate, die
ihre Beteiligung an der OMV aufgestockt haben oder Brasilien, das seit kurzem die Vorzüge der österreichischen
Gruppenbesteuerung zu schätzen weiß.
Die Branchengliederung zeigt aktivseitig das übliche Bild, wonach Beteiligungsgesellschaften und Managementgesellschaften
für den Löwenanteil der Investitionen (9,7 Mrd Euro) verantwortlich sind. Daneben haben aber auch Banken,
Handelsfirmen, Elektrizitätsversorger und die Elektroindustrie mehr als 1 Mrd Euro in Unternehmensbeteiligungen
gesteckt. Dazu kommen noch mit mehr als 0,5 Mrd Euro die Erdölindustrie und der Maschinenbau.
Passivseitig betrafen die ausländischen Direktinvestitionen in erster Linie den Handel, und zwar den Großhandel,
den Einzelhandel und den Fahrzeughandel. Weitere Mittel flossen in Holdinggesellschaften und „sonstige wirtschaftliche
Dienstleistungen“.
Dividenden sprudeln lebhaft
Österreichs Direktinvestoren haben im Jahr 2011 6,7 Mrd Euro an Dividenden aus ihren ausländischen Beteiligungen
erwirtschaftet. Angesichts noch zu erwartender Nachmeldungen ist damit zu rechnen, dass der Rekorderlös des
Jahres 2010 (7 Mrd Euro) übertroffen werden könnte. Die Dividendenzahlungen österreichischer Unternehmen
an ihre ausländischen Eigentümer beliefen sich im Jahr 2011 auf 5,5 Mrd Euro, ein Wert der bisher nur
im Jahr 2009 (6,1 Mrd Euro) übertroffen worden war. Österreich weist seit 2006 durchgehend eine positive
Bilanz der Direktinvestitionserträge aus.
Wenngleich erhaltene bzw. geleistete Dividendenzahlungen nicht eins zu eins auf die generelle Gewinnsituation umgelegt
werden können – Dividenden können notfalls aus angesparten Reserven ausgeschüttet werden – so sind
sie doch ein Indiz für eine gute Ertragslage der Direktinvestitionsunternehmen. Die Zinserträge bzw.
-aufwendungen für konzerninterne Finanzierungen waren mit jeweils rd. 1 Mrd Euro annähernd ausgeglichen. |