EU-Agrarbudget  

erstellt am
11. 05. 12

 Spindelegger und Berlakovich gegen weitere Kürzungen
Nettozahler-Länder sollen Einsparungen in anderen Bereichen vorschlagen
Wien (bmlfuw/aiz) - Österreich stehe zur Position der Nettozahlerländer, wonach der Vorschlag der EU-Kommission für den Finanzrahmen 2014 bis 2020 um etwa EUR 100 Mrd. zu hoch sei. Entsprechende Einsparungen im EU-Budget sollten allerdings nicht im Agrarbereich vorgenommen werden, weil im vorliegenden Entwurf ohnehin schon Kürzungen für die Landwirtschaft vorgesehen seien. Dies erklärte Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger am 10.05. bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich.

"Der österreichische Weg in der Agrarpolitik wird innerhalb der EU als vorbildlich bezeichnet. Weitere Budgetkürzungen in diesem Bereich würden vor allem die kleinbäuerlichen Betriebe treffen und die Leistungen der Landwirtschaft im Bereich der Lebensmittelerzeugung, der Landschaftspflege und dem Schutz vor Naturgefahren gefährden", warnte Berlakovich. Innerhalb der Nettozahlerländer solle nunmehr bei den weiteren Verhandlungen eine gemeinsame Position für Einsparungen gefunden werden, wobei sich Österreich dafür einsetze, dass der Agrarbereich ausgeklammert wird, so Spindelegger.

Bekanntlich hat die EU-Kommission Ende Juni 2011 ihren Vorschlag für den "Mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020" präsentiert. Er sieht für die nächsten sieben Jahre EUR 1.025 Mrd. an Mitteln für Verpflichtungen (1,05% des Bruttonationaleinkommens der EU) und EUR 972,2 Mrd. an Mitteln für Zahlungen (1% des BNE) vor. Das bedeutet gegenüber der aktuellen Periode 2007 bis 2013 eine leichte Anhebung. In den meisten Budgetkapiteln sind mehr Mittel als bisher vorgesehen, außer im Bereich "Bewahrung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen", der die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik beinhaltet. Berlakovich spricht von einem realen Minus von 9% für die Landwirtschaft.

Nettozahlerländer wollen EU-Haushalt um EUR 100 Mrd. verringern
Acht Nettozahlerländer in der EU - darunter auch Österreich - haben sich im September 2011 auf die Position verständigt, dass der Budgetentwurf der EU-Kommission zu hoch gegriffen sei. 1% der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union müsste ausreichen, die Aufgaben der kommenden Jahre zu finanzieren, argumentierten sie und forderten eine Verringerung des Finanzrahmens um etwa EUR 100 Mrd. Laut Spindelegger gehe es darum, dass der EU-Haushalt auf dem bisherigen Niveau belassen werden soll.

"Wir wollen, dass in den kommenden Jahren ab 2014 das Wirtschaftswachstum in der EU angekurbelt wird, dass Forschung und Innovationen weiterhin gefördert werden und dass die Entwicklung der kleineren und mittleren Betriebe unterstützt wird", sagte der Vizekanzler. Dies sei mit den vorhandenen Mitteln möglich. Wo genau nun Kürzungen im Umfang von EUR 100 Mrd. vorgenommen werden, solle in den weiteren Verhandlungen geklärt werden. Der Agrarsektor habe aber schon im aktuellen Kommissionsentwurf mit Kürzungen zu rechnen und solle daher von weiteren Einsparungen nicht betroffen sein, so Spindelegger. Die EU-Agrarpolitik solle weiterhin auf ihren zwei Säulen (Direktzahlungen und Ländliche Entwicklung) basieren. "Österreich hat den Weg einer nachhaltigen Landwirtschaft in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich beschritten und soll dies weiterhin tun können. Dafür müssen auch die entsprechenden Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden", unterstrich Spindelegger.

Berlakovich: Es geht um die Zukunft unserer bäuerlichen Betriebe
"Es geht bei der Ausgestaltung des künftigen EU-Haushalts um sehr viel, nämlich auch um die Zukunft unserer bäuerlichen Betriebe", stellte Berlakovich fest. Es gehe um die flächendeckende Bewirtschaftung und die Sicherung einer nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft. Der erfolgreiche österreichische Weg der Agrarpolitik mit seinen Schwerpunkten - etwa dem Umweltprogramm und der Bergbauernförderung - dürfe nicht gefährdet werden, unterstrich der Landwirtschaftsminister. Wenn die EU ihr Ziel des "grünen Wachstums" umsetzen wolle, dürfe sie nicht ausgerechnet in jenem Bereich schmerzhafte Budgetkürzungen vornehmen, der geradezu prädestiniert für dieses ökologische Wachstum sei. Berlakovich verwies darauf, dass Österreich "Umweltmusterland und Biolandbau-Weltmeister ist".

Der Minister warnte zugleich, dass laut WIFO-Berechnungen Kürzungen der Agrarmittel in größerem Ausmaß den Verlust von etwa 100.000 Arbeitsplätzen im ländlichen Raum Österreichs zur Folge haben könnten. Berlakovich sprach sich in diesem Zusammenhang für die Sicherung des Kofinanzierungssatzes bei den Ausgleichszahlungen und klar gegen eine Renationalisierung der Agrarpolitik aus.

Bis Jahresende soll Budget fixiert werden
Die weitere Vorgangsweise beschrieb Spindelegger so: Einerseits sehe der EU-Budgetfahrplan regelmäßige Verhandlungen über die 60 auf dem Tisch liegenden Legislativvorschläge vor. Seit Jahresbeginn würden wöchentlich auf Expertenebene und monatlich auf Ministerebene Gespräche geführt. Mitte Juni werde im Rahmen eines EU-Gipfels die aktuelle "Verhandlungsbox" diskutiert. Dabei gehe es insbesondere um grundsätzliche Fragen (Finanztransaktionssteuer, Wachstumsfonds usw.), aber auch um einzelne Budgetkapitel.

Auf der anderen Seite muss laut Spindelegger innerhalb der Nettozahlerländer, zu denen auch Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Finnland, Dänemark, Großbritannien und Schweden gehören, eine gemeinsame Position gefunden werden, was die verlangten Kürzungen betrifft. Dies dürfte nicht ganz einfach werden, weil etwa die skandinavischen Länder in der Agrarpolitik einen anderen Weg verfolgen als etwa Deutschland und Österreich. Bis Jahresende sollten jedenfalls die Verhandlungen über den EU-Haushalt 2014-2020 finalisiert werden. Beim abschließenden EU-Gipfel sei auch Bundeskanzler Werner Faymann aufgefordert, sich für die Interessen der heimischen Bäuerinnen und Bauern einzusetzen, erklärte Berlakovich.

 

 Pirklhuber: Europas Landwirtschaft braucht Grüne Impulse und keine Blockadepolitik!
Grüne unterstützen "Greening" der europäischen Agrarpolitik
Wien (grüne) - "Anstatt die Kommission dabei zu unterstützen, die europäische Landwirtschaftspolitik sozial gerechter und ökologisch zielgenauer umzubauen, versucht Minister Berlakovich lediglich den österreichischen Anteil an den Agrarförderungen zu verteidigen. Aus politischem Kleingeist glaubt der Minister den Status Quo in Österreich verteidigen zu müssen, statt für eine offensive Ökologisierung der europäischen Agrarpolitik einzutreten", kritisiert Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftsprecher der Grünen, die Pressekonferenz von Spindelegger und Berlakovich.

"Besonders befremdlich ist, dass sich Vizekanzler Spindelegger bisher immer für eine Kürzung des österreichischen Beitrags für das EU-Budget ausgesprochen hat und jetzt eine ausreichende Ausgestaltung der Finanzmittel für die heimische Landwirtschaft einfordert. Der Umbau der europäischen Landwirtschaft zu einer ökologischen und nachhaltigen Wirtschaftsform wird nicht ohne Finanzmittel zu bewältigen sein", sagt Pirklhuber.

"Die Phantasielosigkeit der ÖVP sowie des Landwirtschaftskammerpräsidenten Wlodkowski gipfelt im Aufruf zu einer Blockadepolitik der Ökologisierungsbemühungen der EU-Kommission. Anstatt für ein Leitbild der Agrarförderung einzutreten, das sich an den Arbeitsplätzen und den tatsächlich erbrachten Leistungen orientiert, steht die ÖVP mal wieder auf der Reform-Bremse. Wir Grünen unterstützen die von der Kommission angekündigten verbindlichen Ökologisierungs- Maßnahmen, werden unser Augenmerk aber darauf richten, dass diese nicht zu überschießender Bürokratisierung führen, meint Pirklhuber.

 

Muhm: Jetzt Geld in Wachstum und die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit investieren
AK fordert: Mittel von der Landwirtschaft zur Beschäftigung umzuschichten
Wien (ak) - "Es ist Zeit bei der Verteilung von EU-Fördergeldern die richtigen Prioritäten zu setzen. Europas Jugend braucht mehr Beschäftigung und nicht die umfassende Förderung einer Berufsgruppe wie der Landwirte", betont AK Direktor Werner Muhm angesichts der von Minister Nikolaus Berlakovich präsentierten Forderung nach mehr EU-Geldern für Bauern. Während die durch die Finanzmarktkrise verursachte Arbeitslosigkeit auf ein Rekordhoch von 24 Millionen Menschen in Europa gestiegen ist, schrumpft die Anzahl der Bauern: "Wenn für diese immer kleiner werdende Gruppe mehr Geld ausgegeben wird, fehlt das dann den jungen Menschen, bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und bei der Bildung", sagt Muhm.

Die österreichische Bundesregierung vertritt in den Verhandlungen die Position, dass das EU-Budget insgesamt um 10 Prozent gekürzt werden soll. Trotzdem fordern die Bauern heute eine Ausnahme von dieser Einsparung für sich ein. Während die Arbeitslosigkeit in Europa seit 2007 um 8,5 Millionen Menschen angewachsen ist, sinkt die Anzahl der Bauern massiv: Heute gibt es bereits um 25 Prozent weniger Landwirte als noch vor 10 Jahren. "Vor diesem Hintergrund sind ein gleichbleibendes Budget für die Landwirtschaft und Förderungen für Großbauern aus öffentlichen Gelder kaum mehr zu argumentieren. Das würde in Folge bedeuten, dass der einzelne Bauer deutlich mehr bekommt - unabhängig davon, ob es sozial gerechtfertigt ist. In Zeiten, wo alle sparen müssen, kann es nicht sein, dass eine Berufsgruppe gegenüber allen anderen deutlich bevorzugt wird."

Schon jetzt geht fast 40 Prozent des EU-Budgets an Bauern. Für soziale und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind dagegen nur 8 Prozent des Geldes vorgesehen. Ein Festhalten am derzeitigen Agrarbudget würde folglich bedeuten, dass in allen anderen Bereichen noch stärker gekürzt werden müssten - also auch bei Bildung, Forschung und anderen Zukunftsinvestitionen. "Gerade hier aber konnte Österreich besonders erfolgreich EU-Mittel lukrieren. Eine Kürzung bei Zukunftsinvestitionen ist ökonomisch nicht sinnvoll, denn genau davon profitieren alle, die in ländlichen Regionen leben", sagt Werner Muhm.

Die AK fordert für das EU-Budget in der Finanzperiode 2014-2020: + eine Verdopplung der europäischen Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (ESF): 80 Milliarden mehr für Jugendliche und Arbeitslose + dass Gelder, die für die Entwicklung des ländlichen Raumes vorgesehen sind (ELER), tatsächlich auch der gesamten Bevölkerung am Land zu Gute kommen: Konkret bedeutet das, dass damit auch Kinderbetreuung und andere fehlende soziale Infrastruktur finanziert wird und nicht wieder nur landwirtschaftliche Maßnahmen. + Bei den Ausgaben für Landwirtschaft (EGFL): Dass die Mittel entsprechend der Entwicklung der in der Landwirtschaft tätigen Personen angepasst werden. Dabei sollen Mittel aus dem Topf der Direktzahlung hin zur 2. Säule, den Agrarumweltmaßnahmen, verschoben werden.

 

Wlodkowski: Was bestellt wird, muss auch bezahlt werden
Landwirtschaftskammer begrüßt Regierungs-Initiative für stabiles Agrarbudget
Wien (lkö) - "Die Gesellschaft erwartet von Europas Bäuerinnen und Bauern, dass sie auch in Zukunft Antworten auf die drängenden Herausforderungen geben: Sie sollen die Ernährung von 500 Mio. EU-Bürger garantieren, eine Intakte Umwelt zur Verfügung stellen, Arbeitsplätze für 40 Mio. Menschen in den ländlichen Regionen sichern und gegen die Folgen des Klimawandels, von dem sie selbst am meisten betroffen sind, ankämpfen. Das alles aber geht nur dann, wenn das EU-Agrarbudget nicht dem Rotstift zum Opfer fällt. Denn die Leistungen, die die Gesellschaft bei den Bauern bestellt, müssen auch bezahlt werden. Da jedoch viele dieser Leistungen, wie etwa intakte Siedlungsräume, gepflegte Landschaft, lebendige Dörfer von den Menschen zwar nachgefragt, jedoch nicht über die Märkte entlohnt werden, ist die öffentliche Hand am Zug. Deshalb begrüßt die Landwirtschaftskammer, dass sich Vizekanzler und Landwirtschaftsminister für ein weiterhin stabiles EU-Agrarbudget ausgesprochen haben", stellte Gerhard Wlodkowski, Präsident der LK Österreich, fest und ergänzte: "Wir erwarten nun vom Bundeskanzler, dass er in der entscheidenden Verhandlungsrunde, in der die Staats- und Regierungschefs der EU die Budgetmittel beschließen, die heimischen Bäuerinnen und Bauern nicht im Stich lässt."

Nicht leichter für Österreich
"Für Österreichs Landwirtschaft wird es in der nächsten EU-Periode zwischen 2014 und 2020 sicherlich nicht leichter werden. Auch wenn es noch keinen Beschluss über das künftige EU-Budget gibt, liegen die Gefahren für unsere bäuerlichen Unternehmen heute schon auf der Hand: Wird das geplante 'Greening' unverändert in Kraft gesetzt, konterkariert es wichtige Maßnahmen des Umweltprogramms ÖPUL, das fatale Folgen für dessen Finanzierung hat: Die in der ersten Säule verpflichtend vorgeschriebene Förderungsvoraussetzung kann nämlich in der zweiten Säule als freiwillige Maßnahme nicht mehr entlohnt werden. Darüber hinaus wird auch die Umschichtung der Direktzahlungen von den 'alten' in die 'neuen' Mitgliedsländer die Gelder für Österreich verdünnen. Wir appellieren daher an das EU-Parlament, den Agrarministerrat und die Staats- und Regierungschefs, alle für das EU-Agrarbudget ruinösen Kürzungen im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft in Europa zu vermeiden", so Wlodkowski weiter.

Österreichs Landwirtschaft ist schon "grün"
"Die heimischen Bauern haben die Zeit nach dem EU-Beitritt des Landes offensiv dazu genutzt, unsere Landwirtschaft nachhaltig und ökosozial zu gestalten. Das gelang derart großartig, dass die EU-Kommission Österreich als Vorbild für die übrigen Mitgliedstaaten bezeichnet hat. Wenn nun die Agrarpolitik der EU 'grüner' werden soll, so ist das zwar zu begrüßen, doch geht das keinesfalls mit weniger Budgetmitteln und auch nicht mit starren Vorschriften, die für alle Mitgliedsländer gleich gelten sollen, also für die 'grünen' ebenso, wie für jene, die erst auf dem Weg dorthin sind. Daher verlangen wir in der neuen Agrarpolitik genügend Flexibilität. Dazu brauchen wir eine ausreichende Dotierung, um den von der Gesellschaft gewünschten Weg weiter gehen zu können", stellte Wlodkowski abschließend fest.
     

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