Europas Schuldenkrise   

erstellt am
10. 05. 12

…im Fokus der 40. Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB
Wien (oenb) - Bei der 40. Volkswirtschaftlichen Tagung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) liegt der Fokus auf den wirtschaftspolitischen Implikationen der aktuellen europäischen Staats­schuldenkrise. „Die jüngsten Entwicklungen an den europäischen Anleihenmärkten zeigen, dass die Haushaltsprobleme im Euroraum bedauerlicherweise noch nicht als vollständig gelöst betrachtet werden können“, stellt Gouverneur Univ.-Prof. Dr. Nowotny in seiner Eröffnungs­rede fest.

Mehrere Staaten des Euroraums seien derzeit mit einem Glaubwürdigkeitsproblem konfrontiert, welches zu hohen Risikoprämien führe. Sehr hohe Verschuldungsniveaus, die zum Teil auf die Folgen der Rezession zurückzuführen sind, machen in einem solchen Umfeld signifikante Konsolidierungsprogramme notwendig. Die daraus resultierende soziale und politische Instabilität und das abgeschwächte Wirtschaftswachstum führen ihrerseits wiederum zur Verunsicherung der internationalen Kreditgeber. Die positive Wirkung der Konsolidierung wird somit abgeschwächt. Eine Lektion aus den jüngsten Konsolidierungen sollte, so Gouverneur Nowotny, sein, dass „Konsolidierungen immer im Zusammenhang mit ihren Wachstums­auswirkungen betrachtet werden müssen“. Im Speziellen seien die zeitlichen Wirkungen der Konsolidierungsmaßnahmen, die kurzfristig wachstumsdämpfend, langfristig jedoch wachstums­erhöhend wirken, zu berücksichtigen. Diese zeitliche Verzögerung führe zur Notwendigkeit von „externen Politikinterventionen“.

Hilfen von außen – durch die europäische und internationale Staatengemeinschaft – erscheinen somit unerlässlich. Dabei ist es aber gleichzeitig wichtig, geeignete Anreize zu schaffen, sodass die notwendigen tiefgreifenden strukturellen Wirtschaftsreformen in den betroffenen Ländern in Angriff genommen und umgesetzt werden. Es müsse dabei ein optimaler Reformpfad gewählt werden, der die politische Durchführbarkeit der Reformen sichere, um neuerlich potenziell entstehenden negativen Vertrauenseffekten entgegenzuwirken.

Die Entscheidungsprozesse der Europäischen Union (EU) zur Krisenbekämpfung werden oft als langwierig und schwerfällig kritisiert. Dies vernachlässige jedoch, so Nowotny, die Tatsache, dass es sich bei den Mitgliedsländern des Euroraums bzw. der EU letztendlich um souveräne Demokratien handle. Sowohl in den Krisenländern als auch in den Geberländern erfordern die Reform- und Hilfsprogramme letztlich die Akzeptanz und Unterstützung der nationalen Parlamente und der Bevölkerung. Darüber hinaus vernachlässige diese Kritik auch, dass die EU sowohl im Bereich der Krisenbekämpfung als auch bei der Reform des wirtschaftspolitischen Rahmens weitreichende Schritte gesetzt hat. Die Antworten der europäischen Wirtschaftspolitik auf die Krise haben – das sei jetzt schon klar – die europäische Integration wesentlich vorangetrieben. „Die Schuldenkrise läutet eine neue Ära in der europäischen Wirtschafts- und Finanzarchitektur ein“, betont Gouverneur Nowotny. Die aus der Krise resultierenden gegen­wärtigen Probleme seien schwierig zu lösen, deren Bewältigung impliziere aber ein enormes Potenzial für ein aus der Krise wirtschaftlich und politisch gestärkt hervorgehendes Europa. „Die Krise könnte genutzt werden, um die einzelnen, nationalen Interessen zu überwinden und eine tiefere Integration der EU zu erreichen“, sagte Nowotny.

Die Staatsschuldenkrise erinnere schließlich auch daran, dass Bankenkrisen die Realwirtschaft schwer und über längere Zeiträume beeinträchtigen. In Zukunft müsse daher verstärktes Augenmerk auf die Ausgestaltung der Finanzmarktregulierung gelegt werden.
     
zurück