Mitterlehner: Wachstum ohne neue Schulden fördern
Wien (pk) - Die Ökonomen Markus Marterbauer (AK Wien) und Ulrich Schuh (EcoAustria) warteten
im Rahmen einer aktuellen wirtschaftspolitischen Aussprache im Wirtschaftsausschuss des Parlaments am 09.05. übereinstimmend
mit deutlich verbesserten Konjunkturprognosen auf. Marterbauer warnte davor, Europa könnte sich durch die
Konsolidierungspolitik in eine Rezession hineinsparen und empfahl eine Wachstumspolitik. Vorbild dafür sei
der New Deal Franklin D. Roosevelts, der mit höheren Steuereinnahmen auf Vermögen Infrastrukturinvestitionen
finanzierte. Demgegenüber plädierte Ulrich Schuh für die konsequente Fortsetzung der Konsolidierungspolitik.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wandte sich gegen Vorschläge, den europäischen Fiskalpakt aufzuschnüren
und bekannte sich zu einer Politik des Wachstums ohne neue Schulden. Zu den vielen von den Abgeordneten angeschnittenen
Einzelthemen der mehrstündigen Ausschussdebatte zählte die Förderung der Beschäftigung, insbesondere
Qualifizierungsmaßnahmen, sowie die Frage, wie es in Griechenland weitergehen solle, wobei die Experten Vorschläge
für ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone übereinstimmend nicht für zweckmäßig
hielten.
Marterbauer: Europa braucht Wachstumspolitik im Sinne des New Deal
Markus Marterbauer (AK Wien) bezeichnete die wirtschaftliche Lage Österreichs 2012 als relativ gut, die Prognosen
für das BIP-Wachstum liegen zwischen 0,4 Prozent und 0,8 Prozent, die Arbeitslosigkeit liege allerdings nach
wie vor um 50.000 Personen über dem Niveau vor der Finanzkrise, klagte Marterbauer. Das Budgetdefizit bleibe
mit 2,6 Prozent etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Überschüsse seien in der Leistungsbilanz zu erwarten.
Dies gehe auf gute Gewinne der sehr wettbewerbsfähigen Exportwirtschaft zurück. "Es fällt uns
aber zu wenig ein, was wir mit diesen Gewinnen anfangen sollen", klagte Marterbauer und sprach sich nachdrücklich
dafür aus, mit Hilfe der Gewinne aus der Exporttätigkeit Investitionen zu finanzieren und die Inlandskaufkraft
zu erhöhen. Die Inflationsrate tendiere gegen 2 Prozent und sei unproblematisch. Die Risiken im Zusammenhang
mit der Finanzkrise beurteile der Ökonom aber nach wie vor als hoch, außerdem warnte der Experte vor
den wirtschaftlichen Folgen der Sparpolitik in der EU.
Als dramatisch bezeichnete Marterbauer die Entwicklung der Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen in Griechenland,
Spanien und anderen europäischen Ländern, wobei er bedauerte, dass sich die EU nur auf die Reduktion
der Staatsverschuldung konzentriere. Der EU empfahl Markus Marterbauer, die automatischen Stabilisatoren wirken
zu lassen und zu akzeptieren, dass Budgetziele nicht erreicht werden. Es gelte die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen,
Arbeitsplätze für Jugendliche zu schaffen sowie soziale und ökologische Investitionen vorzunehmen.
Diese Investitionen sollen durch koordinierte Steuererhöhungen auf Vermögen und im Finanzsektor finanziert
werden. Marterbauer warnte davor, sich in eine Krise hinein zu sparen, es gelte vielmehr aus ihr herauszuwachsen.
Der Fiskalpakt sei aus seiner Sicht daher reformbedürftig und um Wachstumselemente zu ergänzen.
Für Österreich lauten Marterbauers Empfehlungen auf eine schrittweise Rückführung des Budgetdefizits,
Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit sowie Investitionen in soziale Dienstleistungen und in den sozialen
Wohnbau, wo der Bedarf steige, die Bewilligungen aber zurückgehen. Österreich sollte auch Initiativen
auf EU-Ebene setzen, um eine Rezession mit weiter steigender Jugendarbeitslosigkeit und sozialen Krisen zu verhindern.
Vorbild sei der New Deal, die Politik des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der in den dreißiger
Jahren des letzten Jahrhunderts die Vereinigten Staaten durch Steuererhöhungen und Investitionen in die Infrastruktur
aus der Krise führte.
Ulrich Schuh: Konsolidierungspolitik fortsetzen, Defizite senken
Ulrich Schuh (EcoAustria Institut für Wirtschaftsforschung) schloss sich hinsichtlich der konjunkturellen
Einschätzungen seinem Kollegen Marterbauer an und bezeichnete die kurzfristigen Wirtschaftsaussichten Österreichs
als deutlich besser als befürchtet. Angesichts einer verbesserten Stimmungslage in der Wirtschaft prognostizierte
Schuh eine langsame Beschleunigung im Jahresverlauf und bezifferte das für 2012 zu erwartende BIP-Wachstum
für Österreich mit 1,25 Prozent. Anders als Marterbauer empfahl Schuh aber, die Konsolidierungspolitik
in der EU konsequent fortzusetzen und hielt es für dringend notwendig, die strukturellen Defizite der Staatshaushalte,
die bereits vor der Wirtschaftskrise bestanden und durch diese nur offenbar wurden, zurückzuführen.
Es gelte den Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen und die Preisstabilität zu wahren. Die Beschäftigungspolitik
der EU sei erfolgreich und für Österreich vorteilhaft, Schuh machte auch auf vernünftige und vernünftige
Arbeitsmarktreformen Deutschlands aufmerksam.
Ein Vergleich der Defizit- und Schuldendaten zwischen dem Euroraum und den USA oder Japan zeige, dass in Europa
weniger eine Schuldenkrise, sondern vielmehr eine Vertrauenskrise bestehe, die es zu lösen gelte, indem man
das chronische Staatsschuldenproblem, das durch ein kontinuierliches Ansteigen der Staatsschulden seit den siebziger
Jahren entstanden sei, löse und die Staatsfinanzen wieder auf solide Beine stelle, sagte Schuh. Auch gegenüber
Österreich nehme das Misstrauen der Märkte zu, warnte Ulrich Schuh.
Bei "prächtigem Beschäftigungswachstum" werde die Arbeitslosigkeit in Österreich hoch
bleiben und weiter steigen, vor allem die strukturelle Arbeitslosigkeit älterer Menschen und wenig qualifizierter
Arbeitskräfte. Schuh riet zur entschlossenen Integration älterer Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt.
Deutschland könne als Vorbild gelten, wenn es darum gehe, dass wachsende Arbeitsangebot älterer Arbeitnehmer
zu nutzen, sagte Ulrich Schuh.
Bundesminister Reinhold Mitterlehner bestätigte die günstigen Wachstumserwartungen der Experten und teilte
ihren Optimismus hinsichtlich der Entwicklung der Exporte, wobei er berichtete, dass sowohl die Exporte als auch
die Tourismusbuchungen eine gute Entwicklung zeigen, das BIP-Wachstum für 2012 werde seiner Ansicht nach 1
Prozent ausmachen, statt der von der EU prognostizierten 0,8 Prozent. Dies zeige, dass die wirtschaftspolitische
Strategie Österreichs richtig und die Ausrichtung der Exportwirtschaft auf die Schwarzmeerregion erfolgreich
sei. Gute Zuwächse verzeichne auch die Kreativwirtschaft. Vorschläge, den Fiskalpakt aufzuschnüren,
wies Mitterlehner zurück, bekräftigte aber seinerseits, dass es wichtig sei, auf Wachstum zu setzen,
nicht aber durch neue Schulden, wie er betonte. Der Minister unterstrich die Bedeutung regionalpolitischer Initiativen
zugunsten südeuropäischer Länder und setzte auf Strukturreformen in Griechenland, das etwa kein
ausreichendes Berufsausbildungssystem habe. In Österreich stellte Mitterlehner ein Nachbessern des Förderungsprogramms
für die thermische Sanierung in Aussicht. Klagen des Experten Marterbauer wegen fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen
entgegnete Minister Mitterlehner mit dem Hinweis darauf, dass der Bedarf bei den über Dreijährigen zu
93 Prozent abgedeckt sei, Defizite räumte der Minister aber bei den unter Dreijährigen ein. Bei der Lösung
von Arbeitsmarktprobleme setzt der Minister auf Qualifikationsmaßnahmen.
Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) thematisierte die Jugendarbeitslosigkeit und hielt es für notwendig,
in der EU zu verhindern, dass eine ganze Generation junger Menschen verloren gehe. Einmal mehr drängte Lichtenecker
auf ausreichende Förderungsmittel zur Fortsetzung der Forschungsstrategie und klagte über fehlende Ressourcen.
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) teilte die Befürchtung Marterbauers, in einen Teufelskreis aus Rezession
und Sparpolitik zu geraten und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Frage einer Wachstumspolitik nunmehr
wieder auf der Tagesordnung der EU stehe. Dabei richte sich der Blick stärker auf Österreich und dessen
Maßnahmen, eine Konsolidierungspolitik zu betreiben, ohne negative Auswirkungen auf das Wachstum in Kauf
nehmen zu müssen. Es gelte zu sparen, wo dies ohne negative Wirkungen auf die Nachfrage möglich sei.
Höheres Wachstum und niedrigere Arbeitslosigkeit zeige den Erfolg der Bundesregierung in diesem Bemühen
an. In diesem Zusammenhang plädierte Matznetter, den Schienenausbau fortzusetzen und sprach sich seinerseits
dafür aus, den Fiskalpakt um Wachstumselemente zu ergänzen. Kritik übte Matznetter an der Ablehnung
der Finanztransaktionssteuer durch den deutschen Finanzminister Schäuble. Die Transaktionssteuer könnte
Einnahmen für mehr Wachstum in Europa bringen. "Durch entschlossene Wachstumspolitik zeigen die BRIC-Staaten,
wie man durch Wachstum Millionen Menschen aus der Armut holt, formulierte Matznetter.
Abgeordneter Peter Haubner (V) sah Österreich wirtschaftlich gut aufgestellt und führte die positive
Beschäftigungsentwicklung insbesondere auf die vielen kleinen und mittleren Betriebe zurück, in denen
das Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern für wirtschaftlichen Erfolg und Stabilität sorgt.
Die Defizitproblematik sei nicht auf die Konjunktur, sondern auf strukturelle Probleme zurückzuführen,
daher sei es wichtig, den Konsolidierungskurs fortzusetzen. Haubner sprach die Hoffnung aus, dass es gelingen werde,
die bislang gute Exportbilanz in die Zukunft fortzuschreiben.
Abgeordneter Ernest Windholz (B) trat für eine Politik der Stabilisierung und Wachstumsförderung ohne
neue Schulden aus, bekräftigte die Auffassung seiner Fraktion, Griechenland sollte aus der Eurozone ausscheiden,
und warnte vor einer Zunahme der Inflation in Folge einer Lohn-Preis-Spirale.
Abgeordneter Bernhard Themessl (F) beurteilte die wirtschaftliche Lage aus der Sicht der kleineren und mittleren
Unternehmen deutlich weniger positiv als die Experten und der Wirtschaftsminister. Er klagte über hohe Lohnnebenkosten,
bürokratische Belastungen, Facharbeitermangel und eine hohe Abgaben- und Steuerquote. Beim Thema Jugendarbeitslosigkeit
problematisierte Themessl die versteckte Jugendarbeitslosigkeit durch staatliche Ausbildungseinrichtungen und wies
auf die hohe Langzeitarbeitslosenquote bei älteren Menschen hin.
Themessls Ansicht, die Lohnkosten seien in Österreich zu hoch, trat der Wirtschaftsminister entgegen, bezifferte
sie mit 10 bis 17 Prozent und informierte darüber, dass die Industrie derzeit kein Problem damit habe, eine
4,2 Prozent hohe Lohnsteigerung durch Innovationen zu erwirtschaften. Mitterlehner trat auch der Auffassung entgegen,
die Belastung der Betriebe durch Bürokratie habe zugenommen. Probleme räumte Mitterlehner gegenüber
Themessl bei der schulischen Grundausbildung der Lehrlinge ein und machte auf Bemühungen aufmerksam, die Schulausbildung
zu verbessern und die Jugendlichen mit Coachingmaßnahmen zu unterstützen.
In der weiteren Debatte riet Markus Marterbauer, sich beim Ausbau der Kinderbetreuung die skandinavischen Länder
und nicht den EU-Durchschnitt zum Zielwert zu setzen, warnte vor der Erhöhung der Arbeitslosigkeit der unter
24-Jährigen und berichtete von einem Aufholprozess Österreichs bei der betrieblichen Forschung. Nicht
im Spitzenfeld bewege sich Österreich aber bei der universitären Forschung. Für 2012 rechne er nicht
mit nachfragedämpfenden Maßnahmen durch das Konsolidierungspaket, wohl aber im Jahr 2013. Wer eine nicht-budgetbelastende
Politik zur Förderung des Wirtschaftswachstums betreiben will, müsse hohe Einkommen stärker belasten
und niedrige Einkommen schonen, weil die Bezieher hoher Einkommen eine hohe Sparneigung zeigen, während niedrige
Einkommen fast zur Gänze für Konsum ausgegeben werden, was die Nachfrage stärke. Griechenland sollte
nicht aus der Eurozone austreten, weil das seine Probleme nicht lösen würde, die Schulden müssten
weiterhin in Euro beglichen werden.
Ulrich Schuh führte die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Österreich auf das gute Ausbildungssystem
zurück. Die wirtschaftspolitische Koordination zwischen den EU-Ländern sollte gestärkt und von Ländern
eingefordert werden, die finanzielle Hilfen erhalten. Auch Schuh sprach sich dafür aus, die Forschungsqualität
an den Universitäten zu erhöhen und Defizite im Bildungssystem zu beseitigen, weil deren Korrektur sehr
teuer komme. Die hohen Wachstumsraten in China seien auf den Aufholprozess dieses Landes zurückzuführen.
In der wirtschaftspolitischen Betrachtung riet Schuh zu Realismus. Angesichts mittelfristig schwieriger Zeiten
habe es wenig Sinn, die Lage schön zu reden. Österreich sei Niedrigsteuerland, es habe eine hohe Abgaben-
und Steuerquote. Eine Finanztransaktionssteuer habe Vor- und Nachteile wie jede Abgabe, klärte der Experte
auf. Ausgezeichnet entwickle sich derzeit die Exportwirtschaft, der Zuwachs zeige aber bereits eine flachere Tendenz.
Wichtig wäre es, die wirtschaftspolitische Strategie in Europa nicht nach jeder Wahl zu ändern, sagte
Schuh, der sich ebenfalls für eine Wachstumspolitik ohne neue Schulden aussprach. In der Lohnpolitik bewähre
sich der produktivitätsorientierte Kurs, den Deutschland und Österreich verfolgen. |
Auch Ulrich Schuh wandte sich gegen eine Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. Dieses Land müsste seine
wirtschaftspolitischen Hausaufgaben in jedem Fall lösen, sagte der Experte.
Beim Thema Pensionsreform plädierte Schuh dafür, die Älteren in den Arbeitsmarkt hereinzuholen.
Das Inflationsproblem sollte man nicht unter den Tisch wischen, die steigenden Ölpreise könnten zu einer
Lohn-Preis-Spirale mit negativen ökonomischen Auswirkungen führen, warnte er. Zur Lösung der Probleme
auf dem Arbeitsmarkt drängte Schuh auf Qualifizierungsmaßnahmen.
Weiters schlug Abgeordneter Rainer Widmann (B) vor, in die Nutzung erneuerbarer Energieträger zu investieren
und Mängel im Schulsystem sowie bei der Kinderbetreuung zu beheben. Bei der Förderung der betrieblichen
Forschung plädierte Widmann für steuerliche Maßnahmen. Die Streichung der Förderung älterer
Arbeitnehmer kritisierte Widmann. Zwischen Sparen und Wachstumspolitik gelte es einen Mittelweg zu finden, sagte
der Abgeordnete. Bei den Spritpreisen sollte der Staat eingreifen, weil ein Großteil der Spritpreiserhöhung
hausgemacht sei, sagte Widmann. Auch er sprach sich für eine Zurückführung der chronischen Staatsschulden
aus.
Abgeordneter Alois Gradauer (F) hielt es für nicht verwunderlich, wenn die Menschen in Europa das Vertrauen
verlieren, da politische Versprechungen nicht gehalten, sondern gebrochen werden. Gradauer verlangte entschlossene
Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit, eine Verbesserung der Eingangsqualifikation der katastrophal schlechten
Eingangsqualifikation der Lehrlinge und Reformen bei Pensionen, im Gesundheitswesen und in der Bürokratie,
statt Belastungen der Menschen. Das Konsolidierungspaket wird die Lohnnebenkosten bis 2017 um insgesamt 2 Mrd.
Euro erhöhen, kritisierte Gradauer. Um zu verhindern, dass Konzerne und Staat weiterhin "die Autofahrer
abkassieren", schlug Gradauer eine paritätische Preisregelung vor.
Abgeordneter Franz Riepl (S) sprach sich dafür aus, das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen mit Hilfe
der Berufsschulen zu fördern und ortete Privilegien der Betriebseigentümer bei der Ausschüttungspolitik
auf Kosten der Investitionen auch in Österreich.
Abgeordnete Birgit Schatz (G) wollte wissen, ob eine Arbeitszeitverkürzung ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit
darstellen könnte.
Abgeordneter Josef Auer (S) sprach von zu hohen Dividenden der Aktiengesellschaften bei zu geringen Investitionen,
sah Probleme beim sozialen Wohnbau und meinte, die Abgabenquote sei ungleich verteilt.
Abgeordneter Josef Lettenbichler (V) wandte sich gegen Vorschläge, eine Wachstumspolitik mit neuen Schulden
zu finanzieren und trat für eine Fortsetzung des Sparkurses ein.
In seinen Antworten auf die zahlreichen Detailfragen der Abgeordneten machte Markus Marterbauer darauf aufmerksam,
dass man bei der Beurteilung der Staatsschulden - anders als bei Unternehmen – die Aktivseite nicht kenne. Unternehmen
werden nicht nur nach ihrem Schuldenstand, sondern auch nach ihren Investitionen beurteilt. Er könne keine
Überschuldung der Staaten erkennen, wohl aber die finanziellen Folgen der Bewältigung der Bankenkrise.
Das Zinsniveau für die österreichische Staatsschuld sei auf einem historischen Tiefststand, das Rating
daher ziemlich bedeutungslos. Bedauerlicherweise sei die solide Wohnbauförderung in Europa durch eine Krise
unter Druck geraten, deren Ausgangspunkt der Versuch der USA war, Wohnbauförderung auf der Basis privater
Verschuldung zu betreiben. Marterbauer hielt es für notwendig im Gesundheitswesen 2 Mrd. Euro aus dem stationären
Bereich zur Pflege umzuschichten. Die kommunalen Dienste sollten auf der Grundlage einer höheren Grundsteuer
ausgebaut und damit Arbeitsplätze geschaffen werden. 80.000 zusätzliche Jobs würde eine Verkürzung
der Arbeitszeit von 10 Prozent bringen, sagte Marterbauer, der neuerlich darauf hinwies, dass die Dividenden der
Industriebetriebe stark steigen. "Das sind Mittel, die besser für Lohnerhöhungen und Investitionen
aufgewendet werden sollten", sagte der Experte.
Auch Ulrich Schuh räumte ein, dass die Staatsschulden nur ein unvollständiges Bild der finanziellen Lage
der Staaten geben, warnte aber davor, die finanziellen Spielräume durch steigende Zinszahlungen einzuschränken
und untermauerte damit sein Plädoyer für eine Fortsetzung der Sparpolitik.
Bei der Diskussion um die Ausschüttung von Unternehmensgewinnen mahnte der Experte ein, marktwirtschaftliche
Grundsätze ernst zu nehmen und wies überdies darauf hin, dass die Unternehmen aktuell verstärkt
in Eigenkapital investieren. Von einer Arbeitszeitverkürzung könne man keine Lösung der Arbeitsmarktprobleme
erwarten, sagte Schuh, weil eine Arbeitszeitverkürzung nicht dazu beitrage, die Produktivität zu erhöhen.
Die hohen Spritpreise seien auf hohe Ölpreise zurückzuführen, analysierte Ulrich Schuh und warnte
entschieden vor der Wiedereinführung der Einführung einer amtlichen Preisregelung sowie vor einer Preisfestsetzung
durch eine paritätische Kommission.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner wandte sich dagegen, den europäischen Fiskalpakt aufzuschnüren
und bekräftigte seine Eintreten zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Die Förderung
der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer habe man auslaufen lassen, weil die Betriebe von sich aus mehr
ältere Arbeitnehmer nachfragen, informierte der Wirtschaftsminister. Von einer Arbeitszeitverkürzung
erwartete sich Mitterlehner übereinstimmend mit Ulrich Schuh keine positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.
Die Gestaltung des Benzinpreises sei zu einem großen Teil von der Entwicklung der Preise im Ausland abhängig.
Die Rohstoffreserven nehmen ab, die Nachfrage zu, daher steige der Preis. Langfristig werde man das Problem nur
durch spritsparende Fahrzeuge und den Ausbau der E-Mobilität lösen können, zeigte sich Mitterlehner
überzeugt.
Forderungen nach Spritpreissenkung: Ausschuss will Testlauf mit Verordnung des Ministeriums abwarten
Unter Hinweis auf die vom Wirtschaftsministerium angekündigte Spritpreisverordnung vor den kommenden Feiertagen
wurden Antrage der Opposition vertagt, in denen BZÖ und FPÖ Maßnahmen gegen die hohen Treibstoffpreise
forderten und dabei auch amtliche Preisregelungen zur Diskussion stellten.
Bundesminister Reinhold Mitterlehner äußerte sich grundsätzlich skeptisch zu den geforderten Preisregelungsmaßnahmen
und gab zu bedenken, eine Lösung sei – wenn überhaupt - nur auf internationaler Ebene möglich, langfristig
müsse man sich jedenfalls aufgrund des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage bei Sprit auf höhere
Preise einstellen. Man werde nun aber prüfen, ob sich die Verordnung entsprechend auf den Markt auswirkt.
Die Abgeordneten Robert Widmann (B), Ernest Windholz (B) und Bernhard Themessl (F) wiesen auf die Brisanz des Themas
hin und drängten auf rasches Handeln seitens des Ministeriums, wobei Windholz die Verordnung als ersten Erfolg
der Initiative seiner Fraktion interpretierte. Namens der Grünen trat Abgeordnete Ruperta Lichtenecker dafür
ein, die Problematik über eine ökologisch orientierte Neuregelung der Pendlerpauschale zu lösen.
Unterstützung fand die Verordnung Mitterlehners beim Abgeordneten Franz Riepl (S), der zudem mit dem Vorschlag
aufhorchen ließ, die Tankstellen generell dazu zu verpflichten, ihre Preise bereits am Montag für die
gesamte Woche festzulegen.
Gastgärten, MasseurInnen: Anträge der Grünen vertagt
Nicht durchsetzen konnten sich schließlich die Grünen mit zwei Anträgen. Zum einen verlangte
Abgeordnete Birgit Schatz (G) in ihrer Initiative entsprechende Änderungen beim Betriebsgenehmigungsverfahren
nach der Gewerbeordnung, um Anrainer von Gastgewerbebetrieben vor Lärmbelästigungen, die vor den Lokalen
entstehen, zu schützen. Abgeordnete Ruperta Lichtenecker wiederum drängte in einem Entschließungsantrag
auf Maßnahmen, die einen existenzsichernden Berechtigungsumfang für MasseurInnen gewährleisten.
Beide Anträge wurden unter Hinweis auf noch bestehenden Evaluierungsbedarf von der Ausschussmehrheit vertagt. |