Spindelegger in Tunesien: Gefahr durch radikale Gruppen   

erstellt am
18. 05. 12

Außenminister erörtert mit Staatspräsident Marzouki und Außenminister Abdessalem Fortschritte im Reformprozess
Tunis (bmeia/apa) - Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger hat am 16.05. in Tunis mit dem tunesischen Staatspräsidenten Moncef Marzouki und Außenminister Rafik Abdessalem sowie Vertretern von Menschenrechtsgruppen die Fortschritte des Landes in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erörtert. Wie Spindelegger gegenüber der APA telefonisch berichtete, gehe von radikalen religiösen Gruppen eine Gefahr für die Entwicklung in diese Richtung aus.

Tunesien habe gegenüber anderen Ländern des "Arabischen Frühlings" einen "Vorsprung", diesen sollte es auch bei der Durchführung des Reformprozesses behalten, stellte der Außenminister fest. Es werde eine neue Verfassung vorbereitet und von Regierungsseite gebe es auch keine Hindernisse für eine positive Entwicklung. Die Probleme lägen eine Stufe tiefer, innerhalb der Bürokratie gebe es noch immer Einflüsse des alten Regimes. Zudem sei die Freiheit der Medien und die Befolgung der Menschenrechte nicht immer gewährleistet.

Präsident Marzouki, der unter dem im Jänner 2011 gestürzten Diktator Zine el-Abidine ben Ali im Gefängnis gesessen war, bezeichnete die gegenwärtigen sozialen Spannungen als größtes Problem Tunesiens, wie Spindeleggers Sprecher Alexander Schallenberg ergänzend berichtete. Nicht zuletzt deshalb gebe es ein großes Interesse an ausländischen Investitionen, auch aus Ländern wie Österreich, die nicht durch die Kolonialzeit belastet seien. Marzouki wies zudem auf die enorm hohe Arbeitslosigkeit unter tunesischen Akademikern hin.

Spindelegger berichtete auch von einem Treffen mit einem Priester, mit dem er die Frage der Religionsfreiheit in Tunesien erörtert habe. Dabei sei klar geworden, dass diese durch radikale Gruppen innerhalb der Gesellschaft bedroht sei, sagte der Außenminister in Anspielung auf die Salafisten, die eine mittelalterliche Auslegung des Islam vertreten. Auch Menschenrechtsvertreter hätten ihm gegenüber gemeint, man wolle sich nicht über die Regierung beschweren, sehr wohl aber über radikale Gruppen.

Der bei den ersten freien Wahlen im Oktober 2011 siegreichen, als gemäßigt islamistisch geltende Ennahda-Partei attestierte Spindelegger, sie versuche die Dinge nach vorn zu bringen. Es bedürfe aber mehr Engagement, um die Ziele, die man sich nach der Revolution in Tunesien gesetzt habe, zu verwirklichen.

Spindelegger erörterte auch Wirtschaftsthemen. Dabei ging es um die Gleichbehandlung von in- und ausländischen Investoren und um Rechtssicherheit. Österreich habe größtes Interesse am Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Tunesien, auch im Bereich des Tourismus. Hierbei bedürfe es aber "klarer Signale". Frauen etwa dürften nicht drangsaliert werden, wenn sie im Bikini am Strand sitzen.

Spindelegger ist am 17.05. in Tunis mit dem Industrie- und Handelsminister zusammengetroffen und anschließend nach Marokko weitergereist. Dort waren unter anderem Gespräche mit Ministerpräsident Abdelillah Benkirane und Saad Eddine Othmani geplant sowie am 18.05. Treffen mit Menschenrechtsgruppen.
     
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