Außenminister erörtert mit Staatspräsident Marzouki und Außenminister Abdessalem
Fortschritte im Reformprozess
Tunis (bmeia/apa) - Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger hat am 16.05. in Tunis mit
dem tunesischen Staatspräsidenten Moncef Marzouki und Außenminister Rafik Abdessalem sowie Vertretern
von Menschenrechtsgruppen die Fortschritte des Landes in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erörtert.
Wie Spindelegger gegenüber der APA telefonisch berichtete, gehe von radikalen religiösen Gruppen eine
Gefahr für die Entwicklung in diese Richtung aus.
Tunesien habe gegenüber anderen Ländern des "Arabischen Frühlings" einen "Vorsprung",
diesen sollte es auch bei der Durchführung des Reformprozesses behalten, stellte der Außenminister fest.
Es werde eine neue Verfassung vorbereitet und von Regierungsseite gebe es auch keine Hindernisse für eine
positive Entwicklung. Die Probleme lägen eine Stufe tiefer, innerhalb der Bürokratie gebe es noch immer
Einflüsse des alten Regimes. Zudem sei die Freiheit der Medien und die Befolgung der Menschenrechte nicht
immer gewährleistet.
Präsident Marzouki, der unter dem im Jänner 2011 gestürzten Diktator Zine el-Abidine ben Ali im
Gefängnis gesessen war, bezeichnete die gegenwärtigen sozialen Spannungen als größtes Problem
Tunesiens, wie Spindeleggers Sprecher Alexander Schallenberg ergänzend berichtete. Nicht zuletzt deshalb gebe
es ein großes Interesse an ausländischen Investitionen, auch aus Ländern wie Österreich, die
nicht durch die Kolonialzeit belastet seien. Marzouki wies zudem auf die enorm hohe Arbeitslosigkeit unter tunesischen
Akademikern hin.
Spindelegger berichtete auch von einem Treffen mit einem Priester, mit dem er die Frage der Religionsfreiheit in
Tunesien erörtert habe. Dabei sei klar geworden, dass diese durch radikale Gruppen innerhalb der Gesellschaft
bedroht sei, sagte der Außenminister in Anspielung auf die Salafisten, die eine mittelalterliche Auslegung
des Islam vertreten. Auch Menschenrechtsvertreter hätten ihm gegenüber gemeint, man wolle sich nicht
über die Regierung beschweren, sehr wohl aber über radikale Gruppen.
Der bei den ersten freien Wahlen im Oktober 2011 siegreichen, als gemäßigt islamistisch geltende Ennahda-Partei
attestierte Spindelegger, sie versuche die Dinge nach vorn zu bringen. Es bedürfe aber mehr Engagement, um
die Ziele, die man sich nach der Revolution in Tunesien gesetzt habe, zu verwirklichen.
Spindelegger erörterte auch Wirtschaftsthemen. Dabei ging es um die Gleichbehandlung von in- und ausländischen
Investoren und um Rechtssicherheit. Österreich habe größtes Interesse am Ausbau der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit mit Tunesien, auch im Bereich des Tourismus. Hierbei bedürfe es aber "klarer Signale".
Frauen etwa dürften nicht drangsaliert werden, wenn sie im Bikini am Strand sitzen.
Spindelegger ist am 17.05. in Tunis mit dem Industrie- und Handelsminister zusammengetroffen und anschließend
nach Marokko weitergereist. Dort waren unter anderem Gespräche mit Ministerpräsident Abdelillah Benkirane
und Saad Eddine Othmani geplant sowie am 18.05. Treffen mit Menschenrechtsgruppen. |