Nationalrat gibt grünes Licht für Reform der Pensionskassen   

erstellt am
16. 05. 12

Tenor der Abgeordneten: Weitere Schritte müssen folgen
Wien (pk) - Nach der Fragestunde setzte der Nationalrat seine Beratungen über Berichte aus dem Finanzausschuss fort und beschloss unter anderem mehrheitlich eine Änderung des Pensionskassengesetzes, mit der die betrieblichen Pensionskassen attraktiver gemacht werden sollen, nachdem sie im Zuge der Finanzkrise erhebliche Verluste eingefahren haben. Trotz divergierender Meinungen zum Säulenmodell generell und den betrieblichen Pensionskassen speziell war man sich einig, dass mit dieser Novelle nur ein erster Schritt gesetzt werden könne und man so bald wie möglich über eine generelle Reform verhandeln sollte.

Mit Mehrheit passierten die Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada und der Tschechischen Republik das Plenum.

Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte Präsidentin Barbara Prammer für 15.00 Uhr eine Debatte über einen Dringlichen Antrag des BZÖ betreffend "Österreich neu bauen, umfassende Staats- und Parlamentsreform" an. Im Anschluss daran wird auf Verlangen der FPÖ eine kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung betreffend Kürzungen bei Zuwendungen seitens des Landwirtschaftsministeriums an den Bauernbund stattfinden. Weiters liegt ein Fristsetzungsantrag der Regierungsparteien an den Innenausschuss betreffend die Änderung des Passgesetzes vor.

Betriebliche Pensionskassen brauchen weitere Reformen
Die Änderung des Pensionskassengesetzes passierte den Nationalrat mit S-V-Mehrheit. Die Gesetzesänderung ist als eine Folge mehrerer Kapitalmarktkrisen zu sehen, die in der Vergangenheit zu massiven Vermögensverlusten bei Pensionskassen geführt haben. Auch mit konservativen Veranlagungsstrategien konnten die Pensionskassen bei der Veranlagung des Vermögens der PensionsanwärterInnen und PensionistInnen Verluste nicht vermeiden.

Der Entwurf zur Änderung des Pensionskassengesetzes samt Anpassungen in anderen Gesetzen erlaubt es Anwärtern auf eine Betriebspension, künftig zwischen verschiedenen Veranlagungsstrategien zu wählen. Eine Veranlagungs- und Risikogemeinschaft sorgt mit einer garantierten Anfangspension für die nötige Sicherheit. Dazu kommen bessere Informationsrechte und Erleichterungen beim Wechsel zwischen dem Pensionskassensystem und der betrieblichen Kollektivversicherung. Im Betriebspensionsgesetz wird die Unverfallbarkeitsfrist verkürzt, die Möglichkeit variabler Arbeitgeberbeiträge erweitert und Rahmenbedingungen für einen individuellen Wechsel zwischen den Systemen festgelegt.

Konkret gibt ein Lebensphasenmodell den PensionsanwärterInnen die Möglichkeit, abweichend zu dem von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen vereinbarten Standardmodell, Entscheidungen für risikoreichere oder risikoärmere Veranlagungen zu treffen. Eine auf Sicherheit ausgerichtete Veranlagungs- und Risikogemeinschaft garantiert eine Anfangspension und vermeidet die Kürzung laufender Pensionen.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F), der die Debatte eröffnete, sprach von einem traurigen Tag für die Pensionsanwärter und stellte fest, seit 1990 sei man nicht in der Lage, ein sozial gerechtes Pensionskassengesetz zu präsentieren. Neubauer kritisierte insbesondere, dass die Hochzinsverträge bei dieser Novelle keine Berücksichtigung finden, und warf der Finanzministerin vor, sie habe Einbußen bei den PensionistInnen von bis zu 50 % zu verantworten. Jene Menschen, denen man anfangs Erträge von 7 % eingeredet hatte, seien heute die Geschädigten und die Geschröpften. Der Redner forderte mit Nachdruck eine Haftungsübernahme durch den Staat sowie die Möglichkeit des Wechsels der Pensionskasse und eine Option auf Auszahlung des veranlagten Kapitals.

Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) sah hingegen eine Reihe von Verbesserungen und hob insbesondere die Wahlfreiheit, die größere Flexibilität und die Einführung einer Sicherheitspension hervor. Klar war ihr allerdings, dass man bei der Einführung der Pensionskassen viel zu hohe Erwartungen geweckt hatte. Diese Reform knüpfe deshalb jetzt ein Sicherheitsnetz, das vor weiteren Verlusten schütze. Auch bestehe die Möglichkeit, die bisher erlittenen Verluste durch Vorwegbesteuerung abzumildern. Insgesamt zeigte sich Aubauer zuversichtlich, dass durch die vorliegende Novelle die Erträge wieder garantiert werden können.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) kritisierte grundsätzlich, die Pensionskassen seien als bloßes Konstrukt im Interesse der Banken in keiner Weise geeignet, Altersvorsorge zu betreiben. Die Menschen, die auf die Versprechungen der PolitikerInnen vertraut hatten, erlitten heute schwere Verluste. Die Pensionskassen laborierten an "multiplem Organversagen", das durch diese Reform nicht behoben werden könne. Vielmehr handle es sich um eine "kosmetische Behübschung" zu Lasten der Versicherten. Öllinger widersprach in diesem Zusammenhang seiner Vorrednerin und bemängelte vor allem, die Novelle erlaube keinerlei Wahlfreiheit, ein Wechsel sei nicht möglich, auch fehle es an jeglicher Kontrolle. Er schlug als Alternative die Möglichkeit eines Wechsels zu einer staatlichen Pensionskassa vor, bei der der Bund Renditen wie bei Staatsanleihen garantiert.

Abgeordneter Erwin KAIPEL (S) bezeichnete die Streichung der Mindestertragsgarantie durch die schwarz-blaue-Regierung als Kardinalfehler und sah darin den Grund für die hohen Verluste. Die vorliegende Novelle enthält seiner Einschätzung nach positive Aspekte, wobei Kaipel vor allem die Garantiepension, das Lebensphasenmodell und die besseren Informationsrechte begrüßte. In Zukunft sei die Politik aber weiterhin gefordert, Voraussetzungen für die Entwicklung marktfähiger Vorsorgeprodukte zu schaffen, gab der Redner zu bedenken, zeigte sich aber überzeugt, dass in weiteren Schritten Verbesserungen gelingen werden.

Abgeordneter Peter WESTENTAHLER (B) zog den Wert der von der Politik abgegebenen Garantieversprechen in Zweifel und bemerkte, die Menschen würden "angeschwindelt und für dumm verkauft". Jeder wisse doch, dass die Pensionskürzungen der letzten Jahre irreversibel sind. Die vorliegende Reform sei bloße Kosmetik, die nur billiges Marketing im Interesse der Pensionskassen bringe, resümierte Westenthaler. Scharf ging er im Übrigen mit Finanzministerin Fekter ins Gericht, der er unter Hinweis auf die jüngste Finanzausschusssitzung "Ahnungslosigkeit" und "Abgehobenheit" im Zusammenhang mit den Problemen der BezieherInnen von ausländischen Pensionen vorwarf.

Abgeordneter August WÖGINGER (V) wies diese Anschuldigungen scharf zurück und hielt fest, dass an den Finanzämtern Informationszentren für die PensionistInnen zur Verfügung stünden. Außerdem seien zu den Nachforderungen Informationsblätter mitgeschickt worden. "Es gibt eine deutsche Besteuerung" sagte Wöginger. Der Redner bezeichnete die vorliegende Gesetzesnovelle als einen ersten "Schritt in die richtige Richtung", der jedoch nur als Anfang von weiteren Veränderungen im Pensionssystem gewertet werden könne. Die Novelle bringe Informationsrechte, eine Garantie für die Anfangspensionen, einen erleichterten Umstieg in andere Pensionskassen und mehr Transparenz.

Abgeordneter Wolfgang ZANGER (F) wies auf die Notwendigkeit einer Mindestertragsgarantie hin und hob hervor, dass diese "einfach zu erwirtschaften" sei, und zwar durch Heranziehung von Bundesschatzscheinen. Kritik übte Zanger an der Gesetzesnovelle, da diese 800.000 Menschen ausklammere, die Verluste bis zu 50 % hinnehmen müssten. Außerdem vermisste der Redner die Verankerung einer Bundeshaftung in der Novelle.
   

Für Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) beweisen die hohen Verluste bei den Pensionskassen wie wichtig die staatliche Vorsorge ist. Deshalb sprach sie sich für die verstärkte Förderungen staatlicher Kassen aus. Es sei notwendig, zu hinterfragen, was die bestehende Verteilung bedeute und welche Risikoverlagerung dadurch entstehe. Das Pensionsthema sei ein Generationenthema, so die Rednerin, die die Gesetzesnovelle ebenfalls als einen ersten Schritt in die richtige Richtung bewertete.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) meinte, dass das Pensionskassensystem in Österreich von vornherein "auf wackeligen Beinen" gestanden sei. Die Rednerin ging besonders auf die Aufgaben der Finanzmarktaufsicht als Aufsichtsorgan der Pensionskassen ein und hinterfragte diese. Trotz der Kontrolle sei keine "Notbremse" gezogen worden, sodass es zu hohen Verlusten bei den Pensionskassen kam. Lichtenecker forderte daher genauere Kontrollen, um eine Stabilität bei den Kassen sichern zu können. Abschließend wies die Abgeordnete darauf hin, dass ihrer Ansicht nach weitere Reformen notwendig seien, um die Ansprüche der Versicherten gewährleisten zu können.

Bundesministerin Maria Theresia FEKTER gab zu bedenken, dass die Banken- und Schuldenkrise das Umfeld erschüttert und damit die Ertragslage der Pensionskassen verringert hat. Mit der vorliegenden Novelle reagiere man darauf und schaffe zahlreiche Verbesserungen für Berechtigte des Pensionskassensystems. Die Ministerin stimmte Abgeordneter Lichtenecker zu und räumte ein, dass man ursprünglich hinsichtlich der Erträge überzogene Versprechungen gemacht habe. Außerdem waren ihr zufolge die Erstausstattungen nicht ausreichend. Deshalb habe man schon früher Korrekturen vorgenommen. Das vorliegende Paket sei im Interesse der Begünstigten ausverhandelt worden und nehme auch auf die Finanzierbarkeit Rücksicht, betonte Fekter. Mit den getroffenen Maßnahmen wolle man in Hinkunft Pensionskürzungen vermeiden, die Wahlmöglichkeit sicherstellen und die Informationsrechte der Begünstigten stärken. Auch Fekter versicherte, dass man damit noch nicht die letzte Reform der zweiten Säule vorgelegt hat.

Abgeordnete Irina FÜRNTHRATH-MORETTI (V) hielt ebenfalls die Kritik an den Pensionskassen für berechtigt, wies aber darauf hin, dass man angesichts des frühen Pensionseintrittsalters und der hohen Lebenserwartung mit der staatlichen Vorsorge allein nicht auskommen könne. Am Beginn hätten die Pensionskassen eine hohe Rendite erwirtschaftet, die Krise habe aber hohe negative Auswirkungen gehabt, obwohl die Kassen relativ konservativ veranlagt haben, bemerkte die V-Mandatarin. Das habe zu einer großen Verunsicherung geführt, weshalb man bemüht gewesen sei, mit der Novellierung mehr Sicherheit zu geben. Sie befürworte die Änderungen, die mehr Wettbewerb und mehr Transparenz bringe.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) thematisierte ebenfalls die ursprünglich unrealistischen Annahmen bezüglich der erwarteten Renditen und bedauerte die enormen Verluste für die Betroffenen. Die zweite Säule sei daher reformbedürftig, stellte er fest und versicherte, dass alle zur staatlichen Vorsorge stünden. Man müsse aber auch die Problematik des Generationenvertrags mitberücksichtigen, fügte er hinzu. Dolinschek kritisierte die Regierung, den Geschädigten nicht ausreichend zu helfen, und vermisste darüber hinaus in diesem Zusammenhang auch eine Reform der Abfertigung neu.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) erinnerte daran, dass man vor rund 20 Jahren das ambitionierte Drei-Säulen-Modell geschaffen habe, nämlich die staatliche Pensionsvorsorge, die betrieblichen Pensionskassen und die Privatvorsorge. Nach einem erfolgreichen Start der Pensionskassen habe es durch die Finanzkrise einen dramatischen Einbruch gegeben, hielt er fest, der Staat könne jedoch nicht alles ausgleichen, denn dann wäre man wieder beim staatlichen Modell und bei einer Aushöhlung des Drei-Säulen-Modells. Die Novelle sei unter Einbindung aller Beteiligten erarbeitet worden, es gebe eine garantierte Anfangspension, ein Lebensphasenmodell, die Möglichkeit des Wechselns und eine Informationsverpflichtung – alles in allem Verbesserungen und eine Weiterentwicklung, so Höfinger.

Auf die Kritik des Abgeordneten Karl ÖLLINGER (G) in einer zweiten Wortmeldung verteidigte sich Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V), dass sie eine Betriebspension aus ihrer ORF-Zeit in der Höhe von 80 € beziehe und sie keinesfalls für eine bestimmte Pensionskasse Propaganda mache, sondern für die Versicherten eintrete.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) bezeichnete die Ergebnisse der Pensionskassen als "grottenschlecht", zumal sie oftmals schlechtere Erträge als ein Girokonto brächten. Für ihn stellen die Staatsanleihen eine Benchmark dar. Finanzprodukte die diese Zinssätze nicht erreichen, haben seiner Meinung nach keine Berechtigung, auf dem Markt gehandelt zu werden.

Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada und der Tschechischen Republik
In der Folge stimmte der Nationalrat den Doppelbesteuerungsabkommen mit Kanada und der Tschechischen Republik jeweils mehrheitlich zu.

Abgeordneter Roman HAIDER (F) kritisierte scharf, dass durch die Vorgaben der OECD, die nun in die beiden Doppelbesteuerungsabkommen einfließen, das österreichische Bankgeheimnis aufgeweicht wird. Die FPÖ trete daher dafür ein, die bestehenden Texte beizubehalten, sagte Haider, kündigte aber die Zustimmung seiner Fraktion für künftige Abkommen an, da diese immer noch besser seien als eine Doppelbesteuerung. Der F-Mandatar ließ auch kein gutes Haar an Lichtenstein, das seit drei Jahren ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich verhindere.

Abgeordneter Gabriel OBERNOSTERER (V) betonte, derartige Abkommen stünden für Steuergerechtigkeit und Rechtssicherheit und seien daher für die stark exportorientierte Wirtschaft Österreichs, wo jeder zweite Arbeitsplatz vom Export abhängt, notwendig. Obernosterer rechnete vor, dass beispielsweise nach Kanada Exporte in der Höhe von 780 Mio. € getätigt werden, Importe in der Höhe von 356 Mio. €, was ein Handelsaktiva von 424 Mio. € bedeutet. Das Handelsvolumen von 9,7 Mrd. € mit Tschechien sei wesentlich höher, wobei sich hier Export und Import ausglichen. Österreich sei nach den Niederlanden und Deutschland auch der drittstärkste Investor in der Tschechischen Republik.

Abgeordneter Hubert KUZDAS (S) unterstrich ebenfalls die Notwendigkeit derartiger Abkommen, damit erwirtschaftete Gelder nicht doppelt besteuert werden. Auch er übte heftige Kritik an Lichtenstein und dessen mangelnde Kooperationsbereitschaft und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Ergebnisse, die der Untersuchungsausschuss bislang gebracht hat. Dabei gehe es nicht nur um Steuerflucht, sondern auch um Verdunkelung, sagte er, in Lichtenstein lägen nicht besteuerte Kapitalerträge und Spekulationsgewinne.

Bundesministerin Maria Theresia FEKTER verwies auf unklare Formulierungen im Text des Doppelbesteuerungsabkommens mit Kanada, die auf unzulängliche Übersetzungen aus dem Englischen zurückgehen, und stellte in Aussicht, dass man diese in zukünftigen Ausgaben des Textes korrigieren werde.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) meinte, zu den Doppelbesteuerungsabkommen selbst sei nichts weiter zu sagen. Die Grünen würden ihnen zustimmen. Er wolle den Anlass aber benützen, um festzuhalten, dass Österreich gegenüber Staaten, welche sich eine Sonderposition in Steuerfragen herausnehmen, konsequenter auftreten sollte und eine klare Gesamtposition in der Frage der Steuerhinterziehung vertreten müsse. Immer nur das österreichische Bankgeheimnis "mit Zähnen und Klauen" zu verteidigen, sei zu wenig. Man brauche die gegenseitige Unterstützung der Staaten, wenn man mehr Steuergerechtigkeit erreichen wolle. Österreich dürfe Methoden der Verschleierung einer Steuerpflicht keinen Vorschub leisten, hielt er fest.

Abgeordneter Michael SCHICKHOFER (S) meinte, die Doppelbesteuerungsabkommen seien für UnternehmerInnen wie ArbeitnehmerInnen wichtig. Klare Regelungen der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Nachbar Tschechien seien wichtig, da das Land immerhin der sechstgrößte Außenhandelspartner Österreichs sei. Auch zu Kanada gebe es gute Beziehungen. Durch die Abkommen würden auch OECD-Vorgaben erfüllt und es werde Steuerumgehung verhindert, was zu mehr Steuergerechtigkeit beitrage. Österreich müsse darauf achten, jeden Verdacht zu vermeiden, es würde Steuerhinterziehung schützen, betonte Schickhofer.
     
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