EU-Parlamentsvizepräsident Othmar Karas erreicht parteiübergreifende Einstimmigkeit
bei neuen Banken-Regeln
Brüssel (övp-pd) - Das Europäische Parlament will die europäischen Banken durch
zusätzliche Kapitalpuffer weiter stabilisieren, die Finanzierung der Realwirtschaft erleichtern und für
Fairplay im Bankensektor sorgen. Das ist die Botschaft, die die Abgeordneten gestern Abend einstimmig über
alle Parteigrenzen hinweg an den Rat der europäischen Finanzminister sandten. Der Bericht des Parlamentsvizepräsident
Othmar Karas zur Umsetzung des "Basel III" genannten internationalen Banken-Regelwerks in EU-Recht wurde
ohne Gegenstimmen im für Finanzmarktregulierung zuständigen Parlamentsausschuss angenommen. "Dieses
Abstimmungsergebnis ist ein unmissverständliches Signal an den Rat, dass alle politischen Parteien fest entschlossen
sind, endlich mit der Stabilisierung der Banken und der Finanzierung von Wachstum ernst zu machen", betont
Karas. "Die neuen Kapitalanforderungen sind nicht nur ein Zentralstück der europäischen Bankenregulierung,
sondern auch ein 'Realwirtschaft-Finanzierungsgesetz'. Die große Herausforderung ist es, die Balance zu bewahren:
Einerseits müssen wir die Banken dazu bringen, solidere Sicherheitspuffer anzulegen und andererseits müssen
wir gleichzeitig das Wachstum finanzieren, das die Realwirtschaft in Europa jetzt braucht. Das Parlament will den
Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu Krediten vereinfachen", erläutert Karas.
In dem Beschluss spricht sich das Parlament dafür aus, dass die Banken nicht nur mehr, sondern auch besseres
Kapital auf die Seite legen müssen, um ihre Geschäftsrisiken abzudecken. Zusätzlich zu den ursprünglichen
Vorschlägen der Kommission sieht das europäische Parlament zusätzliche Kapitalpuffer für systemrelevante
Banken vor. Außerdem sollen die Rücklagen der Banken liquider - also beweglicher - werden, um im Krisenfall
schneller handeln zu können. "Europäische Banken müssen ein Fels in der Brandung des weltweiten
Finanzmarktes werden", so Karas. Das Parlament ist dagegen, dass den EU-Mitgliedstaaten weitgehend freie Hand
gelassen wird, weitere, zusätzliche Kapitalanforderungen an die Banken festzulegen. "Natürlich brauchen
wir eine gewisse Flexibilität, aber innerhalb eines europäischen Rahmens. Länder, die zusätzliche
Regeln einziehen wollen, müssen sich das innerhalb eines europäischen Verfahrens absegnen lassen. Wir
wollen einen europäischen Bankenbinnenmarkt und keine Extrawürste für Einzelne", betont Karas.
Die Parlamentarier sehen in der "CRD4" genannten neuen EU-Bankenregulierung aber auch eine "Stellschraube,
um die Kreditvergabe der Banken an die Realwirtschaft zu steuern". In Erweiterung des ursprünglichen
Gesetzesvorschlags der EU-Kommission sieht das Parlament verschiedene Instrumente zur Förderung von Wachstum
und Beschäftigung vor: Das Risikogewicht von Krediten an mittelständische Unternehmen (KMU) und an Betriebsgründer
soll um 30 Prozent gesenkt werden. Damit mehr Kredite unter diese neue Regelung fallen, wird die sogenannte Retailgrenze
bei Krediten von 1 Millionen auf 2 Millionen Euro angehoben. Außerdem soll das Risikogewicht für Infrastrukturprojekte
im Verkehrs-, Energie- und Telekombereich halbiert werden, um die Kredite zu vergünstigen. "Es entspricht
nicht mehr der Realität, dass ein KMU-Kredit als risikoreicher eingestuft wird als beispielsweise eine griechische
Staatsanleihe. Die Kommission ist aufgefordert, bis 2014 einen Vorschlag zu machen, wie in Zukunft das Risiko von
Staatsanleihen bewertet werden soll", so Karas.
Karas betont, dass mit den neuen Regeln aber auch für Fairplay im Bankensektor gesorgt werden soll: "Wir
müssen sicherstellen, dass die kontinental-europäischen Banken, die eher auf das Endkundengeschäft
ausgerichtet und anders strukturiert sind, durch Basel III nicht gegenüber den angloamerikanischen Investment-Banken
benachteiligt werden", so Karas. Deshalb wollen die Abgeordneten europäische Spezifika wie dezentrale
Eigentümerstrukturen und vertragliche Haftungsverbünde besser anerkennen. Aber auch innerhalb der Banken
sei Fairness angesagt: "Wir haben uns auf den Kompromiss geeinigt, dass Bonus-Zahlungen an Banker nicht höher
als das Gehalt sein dürfen. Das Verhältnis zwischen Gehalt und Zulagen der Banker darf nicht dazu führen,
dass leichtsinnige Geschäftspraktiken gefördert werden", so Karas. |