Einstimmige Beschlüsse im EU-Ausschuss
Wien (pk) - Das erste Thema im EU-Ausschuss des Bundesrates vom 24.05. bildete ein EU-Verordnungsentwurf
zur Anpassung von Befugnissen der EU-Kommission bei der Änderung und Ergänzung von Lebensmittel-Richtlinien.
Wie Experten des Gesundheitsministeriums (Brigitte Magistris und Ingrid Neuner) und des Außenministeriums
(Andreas Kumin) ausführten, entsprechen die Anpassungen dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen
Union (AEUV). Die vorgesehenen "delegierten Rechtsakte" bei der Änderung oder Ergänzung technischer
Merkmale seien nur bei "nicht wesentlichen Vorschriften" möglich. Verständnis für die
in einer Stellungnahme des Niederösterreichischen Landtages ausgedrückte Auffassung, man sollte Änderungen
des sachlichen, geografischen und zeitlichen Anwendungsbereichs in einer Richtlinie nicht der EU-Kommission überlassen,
zeigte hingegen Daniela Nowotny, die Expertin des Landwirtschaftsministeriums, die auch die Sorge teilte, dass
lokale Interessen bei Entscheidungen auf EU-Ebene nicht die gebührende Beachtung finden könnten. Vor
diesem Hintergrund beschloss der EU-Ausschuss des Bundesrates auf Antrag von Bundesrat Edgar Meyer (V) und Stefan
Schennach (S) einstimmig eine "Begründete Stellungnahme", in der das Vorhaben als mit dem Subsidiaritätsprinzip
nicht vereinbar bezeichnet wurde.
In der Debatte erläuterte Brigitte Magistris (Gesundheitsministerium) die Vorlage und hielt fest, dass mit
"delegierten Rechtsakten" nur "nicht wesentliche" Änderungen und Ergänzungen vorgenommen
werden dürfen. "Komitologieverfahren" seien bei der EU Routine, sie sehe wenig Spielraum für
eine Subsidiaritätsklage. Die vom Niederösterreichischen Landtag zum Ausdruck gebrachte Angst um Produktbezeichnungen,
die auf lokalen Märkten zulässig sind, wie etwa die Bezeichnung "Marillenmarmelade", hielt
die Expertin für unbegründet, diese Verkehrsbezeichnung wurde durch eine Richtlinienänderung für
lokale Märkte und Wochenmärkte in Deutschland und Österreich durchgesetzt.
Andreas Kumin (BMAeiA) beschrieb das neue Gesetzgebungsverfahren im Detail und informierte darüber, dass künftig
nationale Experten und Experten des Europäischen Parlaments im Vorfeld der Entscheidung gehört werden.
Nachträglich haben der Rat und das Europäische Parlament die Möglichkeit, Einspruch gegen solche
Entscheidungen der Kommission zu erheben.
Bundesrat Edgar Mayer (V) legte einen – letztlich einstimmig verabschiedeten - Antrag auf "Begründete
Stellungnahme des Bundesrates" vor, weil das gegenständliche Vorhaben mit dem Subsidiaritätsprinzip
nicht vereinbar sei. Die Möglichkeit delegierter Rechtsakte stehe in einem offenkundigen Spannungsverhältnis
zur Subsidiaritätsprüfungsbefugnis nationaler Parlamente und sei daher restriktiv auszulegen, hielt Mayer
gegenüber dem EU-Vorhaben fest. Der Bundesrat machte darauf aufmerksam, dass der Kommission die Befugnis zu
delegierten Rechtsakten ohne konkrete Befristung und bestimmtes Ziel und Inhalt eingeräumt werden sollen.
Lediglich der Gegenstand – technische Merkmale, Verkehrsbezeichnungen und Definitionen - werden genannt. Die Kommission
erhalte damit nicht hinreichend determinierte Rechtsgestaltungsbefugnis in Bereichen, die in Durchführungsbefugnisse
der Mitgliedsstaaten, etwa bei traditionellen und regionalen Produktbezeichnungen, substantiell eingreifen können.
Sachverständige sollen bei der Vorbereitung dieser Rechtsakte zwar konsultiert werden, es sei aber nicht einmal
festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten oder die nationalen Parlamente Sachverständige nominieren können.
Damit werde, so der Obmann des EU-Ausschusses des Bundesrates, auch den Handlungsspielraum des Bundesrates berührt.
Bundesrat Martin Preineder (V) erinnerte an die schlechten Erfahrungen, die Niederösterreich in Produktbezeichnungsfragen
mit der EU machen musste und zeigte sich besorgt, dass die Vorlage womöglich die Vermarktungschancen der Erzeuger
regionaler Produkte beeinträchtigen könnte. Preineder nannte als Beispiel "Steinfelder Erdäpfel".
Bundesrat Stefan Schennach (S) sah lokale und Wochenmärkte zwar nicht in Gefahr, registrierte aber gleichwohl
das Spannungsverhältnis zwischen delegierten Rechtsakten und der Subsidiarität. "Die Identität
Europas beginnt zu Hause und auch auf lokalen Märkten", formulierte Schennach, daher unterstütze
er die begründete Mitteilung, sagte der Bundesrat, dem es darum ging, "Brüssel zum Nachdenken zu
bringen".
Auch Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G) schloss sich dem vorliegenden Antrag an und unterstrich die Bedeutung
regionaler Produktbezeichnungen für eine lebendige Regionalität.
In einer weiteren Expertenrunde erklärten Brigitte Magistris und Ingrid Neuner (Gesundheitsministerium) den
Bundesräten die Richtlinienänderung, mit der Österreich das Recht eingeräumt wurde, auf lokalen
Märkten und Wochenmärkten Produkte mit der Bezeichnung "Marmelade" in Verkehr zu bringen.
Andreas Kumin merkte an, dass mit delegierten Rechtsakten nur technische Merkmale geändert werden können,
nicht aber Verkehrsbezeichnungen.
Bundesrat Johann Ertl (F) erfuhr von den Experten, dass Produkte mit zulässigen lokalen Bezeichnungen überall
auf dem Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden können, wenn sie der Etikettierungs-Richtlinie entsprechen.
In der Praxis bedeute dies, zusätzliche Etiketten in der jeweilige Landessprache anzubringen, führte
Brigitte Neuner aus.
Einstimmig gegen Plastiksackerln
Ein Vorschlag zur Änderung der EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle zielt auf
eine weitere Harmonisierung bei der Definition von Verpackungen in den Mitgliedstaaten, um gleiche Ausgangsbedingungen
für die Wirtschaftsteilnehmer auf dem Binnenmarkt zu schaffen. Vorgesehen sind zusätzliche Beispiele
im Anhang der Richtlinie, die der leichteren Klärung der Frage dienen sollen, was eine Verpackung ist und
was nicht.
Georg Fürnsinn (Landwirtschaftsministerium) leitete die Verhandlungen mit dem Hinweis darauf hin, dass diese
Vorlage in der EU unmittelbar vor einer Entscheidung stehe, nachdem in den bisherigen Ratsarbeitskreisverhandlungen
die notwendige qualifizierte Mehrheit nicht zustande gekommen sei.
Zur Absicht des Bundesrates, eine Mitteilung in Richtung Verbot von Plastiksackerln auszusprechen, wies Axel Steinsberg
(WKO) darauf hin, in Österreich bestünden keinerlei Probleme bei der Sammlung und Verwertung von Plastiksackerln.
Die Verpackungsrichtlinie hielt der Experte nicht für eine geeignete Grundlage, um zu einem Plastiksackerlverbot
zu gelangen.
Bundesrat Stefan Schennach hielt es demgegenüber für wichtig, den politischen Willen des Bundesrates
für einen Verzicht auf Plastiksackerln zum Ausdruck zu bringen und dabei den Grundsatz der Abfallvermeidung
zu betonten. Schennach wies auf die extremen Umweltbelastungen hin, die von Plastiksackerln ausgehen, und hielt
es nicht für sinnvoll, solche Verpackungen unter hohem Energieverbrauch zu erzeugen, sie dann in der Landschaft
zu deponieren, um sie schließlich einzusammeln und thermisch zu verwerten. Angesichts der Erkenntnisse, die
der Film "Plastic Planet" deutlich macht, sei es hoch an der Zeit, das Thema Plastiksackerlverbot auch
in der EU breit zu diskutieren. Das werde nun auch von Seiten des Bundesrates untermauert, sagte Schennach.
Auch Bundesrat Edgar Mayer (V) sprach von einer politischen Willensäußerung des Bundesrates. Die von
Mayer und Schennach beantragte Mitteilung formulierte den Standpunkt des Bundesrates zur Vermeidung von Plastikmüll.
Festgestellt wird, dass die EU diesbezüglich keine Maßnahmen getroffen habe, obwohl es in Italien bereits
seit 2011 ein "Plastiktaschenverbot" gibt. Diese Verpackungen seien nur 30 Minuten in Gebrauch, ihr Abbau
dauere hingegen bis zu 400 Jahre. Der Bundesrat bezeichnete es als eine sinnlose Verschwendung, Erdöl für
die Erzeugung eines Wegwerfartikels zu verwenden, zu dem Alternativen besthen. Die vom EU-Ausschuss des Bundesrats
einstimmig verabschiedete Mitteilung enthält ausdrücklich auch den Hinweis auf eine gleichgerichtete
Entschließung des Nationalrats vom 17. Mai 2011.
Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G) unterstützte die Mitteilung, sprach aber zudem die Befürchtung
aus, dass die klarere Unterscheidung zwischen Verpackung und Nicht-Verpackung, auf die die Änderung der Verordnung
abziele, in einigen Bereichen unlogisch sei und umweltschädliche Systeme bevorzuge. Kompostierbare wiederverwendbare
und recyklierbare Produkte würden ihren Kostenvorteil verlieren, sagte Kerschbaum, die die Einordnung von
Toner-Kartuschen, CD-Hüllen und Kaffepads als "Nicht-Abfälle" für nicht begründbar
ansah. Die Experten Axel Steinsberg und Georg Fürnsinn sahen aber keine Möglichkeit, die Verpackungsrichtlinie
im Sinne Kerschbaums zu ändern. |