Zwei Innsbrucker Forschungsarbeiten in Nature publiziert
Innsbruck (universität) - Die renommierte Fachzeitschrift Nature veröffentlichte am 23.05.
zwei Arbeiten aus den Labors der Innsbrucker Quantenphysik: Ein Team um Rainer Blatt hat eine effiziente und frei
justierbare Schnittstelle für Quantennetzwerke gebaut und Rudolf Grimm ist es mit seiner Gruppe gelungen,
ein neues Quasiteilchen - ein repulsives Polaron - in einem Quantengas experimentell zu erzeugen. Dies unterstreicht
einmal mehr die weltweit führende Rolle der Innsbrucker Physik.
Die Quantenphysik wird die Zukunft der Informationsverarbeitung nachhaltig verändern, sie liefert aber auch
vielfältige neue Einsichten in noch unerforschte Geheimnisse der Natur. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
an den Physik-Instituten der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
(IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tragen wesentlich zu diesem Forschungsgebiet bei
und liefern immer wieder weltweit beachtete Ergebnisse. Das zeigen auch die aktuellen Arbeiten aus den Gruppen
von Rainer Blatt und Rudolf Grimm, die das angesehene Fachmagazin Nature nun veröffentlicht.
Präzise Quanten-Schnittstelle gebaut
Eine Forschungsgruppe um Rainer Blatt, Tracy Northup und Andreas Stute vom Institut für Experimentalphysik
der Uni Innsbruck hat im Labor erstmals eine effiziente und darüber hinaus frei einstellbare Schnittstelle
zwischen einem einzelnen Ion und einem einzelnen Lichtteilchen (Photon) realisiert. Dazu fangen die Physiker ein
Kalzium-Ion in einer Paul-Falle und platzieren es zwischen zwei sehr stark reflektierenden Spiegeln. Mit einem
Laser regen sie das Ion an und produzieren dabei ein mit dem Ion verschränktes Photon, das zwischen den Spiegeln
reflektiert wird. Über die Frequenz und Amplitude des Lasers lässt sich die Verschränkung zwischen
Kalzium-Ion und Photon gezielt einstellen. Diese Methode hat zwei große Vorteile gegenüber allen bisherigen
Ansätzen, Atome mit Lichtteilchen zu verschränken: „Die Ausbeute an verschränkten Photonen ist hier
um ein Vielfaches höher und kann im Prinzip auf über 99 Prozent gesteigert werden“, erklärt die
gebürtige US-Amerikanerin Tracy Northup. „Aber vor allem erlaubt uns dieser Aufbau, die Verschränkung
zwischen dem Ion und dem Photon nach Belieben einzustellen.“ Dazu werden Frequenz und Amplitude des Laserlichts
so verändert, dass Teilchen und Photon den gewünschten gemeinsamen Quantenzustand einnehmen.
Herzstück des Experiments ist ein sogenannter optischer Resonator, der aus zwei sehr stark reflektierenden
Spiegeln besteht. Zwischen diesen Spiegeln werden die Lichtteilchen bis zu 25.000 mal hin- und reflektiert, bevor
sie in einen Lichtleiter gekoppelt werden. „Neben der hohen Effizienz zeichnet sich die Verschränkung in unserem
System durch die höchste bisher gemessene Präzision des verschränkten Quantenzustandes von Ion und
Photon aus“, freut sich Andreas Stute. Das Experiment liefert Einsichten in die Interaktion von Licht und Materie
und könnte beim Bau von Quantencomputern und in einem zukünftigen Quanteninternet Anwendung finden.
Widerspenstiges Quasiteilchen erzeugt
Die Gruppe um Wittgenstein-Preisträger Rudolf Grimm und START-Preisträger Florian Schreck hat
in einem Quantengas erstmals repulsive Polaronen erzeugt und genau studiert. Um diese im Labor herzustellen, erzeugen
sie in einer Vakuumkammer ein ultrakaltes Quantengas aus Lithium- und Kaliumatomen. Mit Hilfe von elektromagnetischen
Feldern wird die Wechselwirkung zwischen den Teilchen kontrolliert. Hochfrequenzpulse drängen die Kaliumatome
dann in einen Zustand, in dem diese Teilchen die sie umgebenden Lithiumatome abstoßen. Dieser komplexe Zustand
kann physikalisch als Quasiteilchen beschrieben werden, da er sich in verschiedener Hinsicht so wie ein neues Teilchen
mit modifizierten Eigenschaften verhält. Nachgewiesen haben die Forscher die repulsiven Polaronen durch die
Analyse des gesamten Energiespektrums der Teilchen. „Wir konnten auf diese Weise sowohl anziehende als auch abstoßende
Polaronen erzeugen und analysieren“, erzählt Prof. Grimm. Während attraktive Polaronen schon ausführlich
untersucht wurden, betraten der Quantenphysiker und sein Team mit den widerspenstigen Quasiteilchen wissenschaftliches
Neuland.
In Festkörpern zerfallen solche Quasiteilchen sehr rasch und können nicht wirklich untersucht werden.
Aber auch in Quantengasen machen die abstoßenden Eigenschaften Schwierigkeiten. „Das Polaron kann nur in
einem metastabilen Zustand existieren“, erklärt Rudolf Grimm, „und die Lebensdauer ist entscheidend, ob man
mit diesen Polaronen überhaupt etwas anfangen kann. Zu unserer Überraschung zeigen unsere Polaronen eine
gegenüber früheren Experimenten in ähnlichen Systemen um das Zehnfache gesteigerte Lebensdauer.
Unsere Versuchsanordnung bietet uns deshalb eine ideale Plattform, um die auf abstoßenden Wechselwirkungen
basierenden Vielteilchenzustände eingehender zu analysieren.“
Die Arbeit zu den repulsiven Polaronen entstand in enger Kooperation mit zwei Theoretikern aus Dänemark und
Spanien. Beide Projekte, deren Ergebnisse nun im Fachmagazin Nature veröffentlicht werden, entstanden im Rahmen
des FWF Spezialforschungsbereichs FoQuS. |