ÖAI-Direktorin Ladstätter informiert über Schwerpunkte
der heurigen Grabungssaison
Wien (bmwf) - "Die traditionsreiche Grabung in Ephesos ist gerade aufgrund des breiten Spektrums
von der prähistorischen Zeit bis zum Mittelalter in der internationalen archäologischen Forschung ein
Juwel", betonte Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle bei einem gemeinsamen Pressegespräch
mit Dr. Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI).
Anlässlich der beginnenden Arbeiten in Ephesos skizzierte Ladstätter, die die Grabung in Ephesos leitet
und zur "Wissenschafterin des Jahres 2011" gewählt wurde, die Schwerpunkte der heurigen Grabungskampagne.
"Die archäologische Forschung in Österreich ist eng mit Ephesos verbunden, die heimischen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler haben sich durch ihr großes Engagement und ihre Exzellenz international einen hervorragenden
Namen gemacht", so Töchterle, der im Juni gemeinsam mit Bundespräsident Dr. Heinz Fischer Ephesos
besuchen wird.
Die Grabung Ephesos steht 2012 vor großen Herausforderungen: So sind umfangreiche Grabungen im spätantiken
Stadtzentrum - in unmittelbarer Nähe der Marienkirche - und auf der oberen Agora geplant, berichtete Grabungsleiterin
Sabine Ladstätter. Daneben erfolgt die Freilegung eines der hervorragend erhaltenen türkischen Bäder
in der mittelalterlichen Metropole Ayasoluk, dem heutigen Selcuk. Das vom Europäischen Forschungsrat (European
Research Council, ERC) geförderte prähistorische Projekt auf dem Cukurici Höyük wird im Herbst
die Grabungsarbeiten dominieren. Ein Schwerpunkt der Arbeiten liegt auf der Restaurierung und Konservierung von
Monumenten sowie deren Präsentation für die Öffentlichkeit. Dank privater Fördermittel werden
die Wandmalereien im Hanghaus 2, aber auch der prominente Hadrianstempel nachhaltig konserviert. Eine ganz besondere
Herausforderung an die Archäologie stellt ein von der türkischen Regierung initiiertes Projekt dar, das
die Wiedereröffnung des antiken Hafenkanals zum Ziel hat. Von Seiten des ÖAI werden seit Jänner
2012 zahlreiche Untersuchungen (Paläogeographie, Geophysik, Vermessung und Oberflächensurvey) durchgeführt,
um die Geländesituation beurteilen zu können.
"Natürlich bleibt die Publikation der Ergebnisse ein zentrales Ziel und das ÖAI kann sich glücklich
schätzen, eine eigene Abteilung für die Buchproduktion zu unterhalten", so Ladstätter weiter.
Dabei wird neben fachspezifischen Arbeiten besonderes Augenmerk auf eine öffentlichkeitswirksame Vermittlung
der wissenschaftlichen Ergebnisse - etwa durch Internetpräsenz, aber auch durch das Verfassen von populärwissenschaftlichen
Büchern und archäologischen Führern - gelegt.
Faszinierend und beispielgebend ist aus Sicht des Ministers besonders auch die Interdisziplinarität, die in
der Archäologie und speziell auch in Ephesos gelebt wird. Ephesos ist eine interdisziplinäre Grabung.
Neben der Archäologie und der Prähistorie sind folgende Disziplinen beteiligt: Anthropologie, Archäobotanik,
Archäozoologie, Architektur und Bauforschung, Biologie, Byzantinistik, Chemie, Epigraphik, Fotografie, Genetik,
Geodäsie, Geologie, Geophysik, Numismatik, Paläogeographie, Restaurierung, Stadtplanung, Statik und Turkologie.
Neben der eigentlichen Ausgrabungstätigkeit stehen die Aufarbeitung und Publikation des bestehenden Denkmälerbestandes,
zerstörungsfreie Prospektion, aber vor allem auch Konservierung und Restaurierung der Monumente im Zentrum
der Aktivitäten. Ephesos hat in der Türkei nach dem Topkapi Serail in Istanbul die zweithöchste
Besucheranzahl. Im Jahr 2011 besuchten erstmals mehr als 2 Millionen Menschen die antike Stadt, das Hanghaus 2
hatte über 100.000 Besucher/innen.
Österreich hat in den vergangenen zehn Jahren rund 11,5 Millionen Euro in die Forschungsaktivitäten in
Ephesos investiert, davon rund sechs Millionen Euro für die Schutzüberdachung des Hanghauses 2. Aber
auch private Mittel (Stichwort "Ephesos Foundation", die 2010 aus der Taufe gehoben wurde, sowie der
Verein "Gesellschaft der Freunde von Ephesos" und die beiden Stiftungen "American Society of Ephesus"
und die "Kaplan Foundation") werden lukriert.
Die Grabungskampagne Ephesos 2011 erstreckte sich über sechs Monate (9. Mai bis 28. Oktober). Die Restaurierungskampagne
dauert 12 Monate. Ganzjährig sind zwei Restauratoren vor Ort. Ephesos ist ein internationales Grabungsunternehmen.
216 Fachleute und Spezialisten aus 16 Ländern nahmen 2011 teil. Durchschnittlich 60 lokale Arbeiter/innen
sind auf der Grabung während der Saison beschäftigt.
Das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) ist eine nachgeordnete Dienststelle des Wissenschafts-
und Forschungsministeriums und widmet sich der Erforschung vergangener Kulturen des griechisch-römischen Kulturkreises
im Mittelmeerraum, in den Kulturräumen Zentraleuropas und des historischen Erbes der römischen Kultur
auf dem heutigen Staatsgebiet der Republik Österreich (Carnuntum, Mautern). Die Archäologie ist in Österreich
ein wichtiger Bestandteil einer aktiven Kulturpolitik im Kontakt mit den Staaten Südosteuropas und des Mittelmeerraumes.
Zweigstellen des ÖAI sind in Griechenland (Athen; Leiter: Dr. Georg Ladstätter) und Ägypten (Kairo;
Leiterin: Dr. Irene Forstner-Müller) eingerichtet. Das größte Grabungsunternehmen ist die Ephesos-Grabung
in der Türkei.
Das Budget des Wissenschafts- und Forschungsministeriums für das ÖAI beträgt heuer rund 3,5 Millionen
Euro (inklusive Personalkosten), dieser Betrag wird auch 2013 wieder zur Verfügung stehen. |