Monitoringausschuss sieht Selbstbestimmung nicht verwirklicht
Wien (bmask) - "Sachwalterschaft ist im Ergebnis die Bestimmung des Willens durch eine dritte
Person. Diese Fremdbestimmung steht in einem letztlich unauflöslichen Spannungsverhältnis zum Menschenrecht
auf Selbstbestimmung, das in der Konvention festgeschrieben ist", hält der Monitoringausschuss in seiner
jüngsten Stellungnahme fest.
"Menschen mit Behinderungen sind mündig, sie können klar denken, manche benötigen Hilfe dabei,
ihre Gedanken zu äußern", zitiert der Ausschuss eine Selbstvertreterin. Konsequenter Weise anerkennt
die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch das Recht auf Ausübung der Rechts-
und Geschäftsfähigkeit; wo notwendig, in Kombination mit Unterstützungsmaßnahmen. Ziel der
Konvention ist die Verwirklichung von Selbstbestimmung in ihrer Gesamtheit, um Chancengleichheit für Menschen
mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu gewährleisten. Dazu gehört auch, dass auch Menschen mit
Behinderungen Fehler machen dürfen und Risiken eingehen können.
Hebel, um mögliche Barrieren zu überwinden, sind neben umfassender Barrierefreiheit vor allem Unterstützung
und Assistenz, auch in der Entscheidungsfindung. Eine wichtige Rolle in der Verwirklichung von gleicher Rechts-
und Geschäftsfähigkeit spielt das soziale und gesellschafts-politische Umfeld. Das Erlernen von sozialen
Fähigkeiten, die Etablierung eines selbst-verständlich(er)en Umgangs mit Menschen mit Behinderungen braucht
vor allem einen gemeinsamen Alltag, den es in dieser Form in Österreich noch nicht gibt.
"Ein zentrales Element auf dem Weg zu einem selbstverständlicheren Umgang mit Menschen mit Behinderungen
ist ein gemeinsamer Schulalltag", hält der Monitoringausschuss fest und bekräftigt damit seine Stellungnahme
zu einer tiefgreifenden Reform des Bildungswesens, um einen inklusiven und barrierefreien Schulbesuch für
alle zu ermöglichen.
Die umfassende Stellungnahme zum Sachwalterrecht basiert auf einer Diskussion im Rahmen der sechsten öffentlichen
Sitzung des Ausschusses im November 2011. Mehr als 170 Personen, darunter viele Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter,
haben Probleme mit der geltenden Regelung und mögliche Alternativen diskutiert. Der internationale Experte
Michael Bach hat dabei das Modell der Unterstützten Entscheidungsfindung, das in Kanada bereits praktiziert
wird, vorgestellt.
Das Protokoll der öffentlichen Sitzung, sowie die Stellungnahme des Ausschusses sind auf der Website unter
www.monitoringausschuss.at abrufbar. Eine Leichter-Lesen-Version der Stellungnahme wird in Kürze ebenfalls
online sein.
Der unabhängige Monitoringausschuss ist zuständig für die Überwachung der Einhaltung der UN-Konvention
"Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" vom 13. Dezember 2006 in Angelegenheiten,
die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind, und hat sich auf der Grundlage von § 13 des Bundesbehindertengesetzes
in Umsetzung der mit 26. Oktober 2008 durch Österreich ratifizierten Konvention konstituiert. Dem weisungsfreien
Ausschuss gehören Vertreter/innen von Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Menschen mit Behinderungen,
Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit sowie der wissenschaftlichen Lehre an. |