Bildungsvolksbegehren am Weg ins NR-Plenum
Wien (pk) - In der abschließenden Sitzung des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Bildungsvolksbegehrens
einigten sich die Abgeordneten am 31.05. darauf, bis zur nächsten Plenarsitzung des Nationalrates am 13. Juni
2012 einen Entschließungsantrag beziehungsweise mehrere Anträge auszuarbeiten. Einhellig sprachen sich
die Ausschussmitglieder für eine Reform des österreichischen Bildungssystems aus. Themen der vorangegangenen
Ausschusssitzungen, die mit der Generaldebatte am 1. März 2012 begonnen hatten, waren "Vorschulische
Einrichtungen-Frühpädagogik ", "Pädagogische und Organisatorische Schwerpunkte der Bildung"
beziehungsweise "PädagogInnenausbildung" sowie "Universitäten, Hochschulen, Erwachsenenbildung".
Dass eine Ausbildung von KindergartenpädagogInnen im tertiären Sektor notwendig sei, meinten übereinstimmend
mit den InitiatorInnen des Bildungsvolksbegehrens alle Fraktionen. Auch über den Sinn eines modernen Dienst-
und Besoldungsrechts für LehrerInnen und ein Forcieren von QuereinsteigerInnen in den Lehrberuf bestand Konsens.
Uneinigkeit herrschte jedoch über die pädagogischen und organisatorischen Maßnahmen, mit denen
generelle Änderungen im Bildungsbereich vorgenommen werden könnten. Kontrovers diskutiert wurde besonders
die im Volksbegehren geforderte Einrichtung von Ganztagsschulen. Bei der Diskussion zum universitären Bereich
war vor allem die Art der Finanzierung von Hochschulen strittiges Thema unter den Abgeordneten. Im Bildungsvolksbegehren
wird eine kontinuierliche Steigerung der öffentlichen Mittel für die Universitäten bis auf 2% des
BIP im Jahr 2020 verlangt.
Initiatoren des Volksbegehrens fordern konkrete Schritte
An der Schlussrunde des Ausschusses nahmen sowohl VertreterInnen der Fraktionen als auch Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens
teil.
Hannes Androsch bedankte sich als Bevollmächtigter des Volksbegehrens für die Behandlung der Bildungsinitiative
im Ausschuss und betrachtete die Übereinstimmung der Fraktionen in vielen Punkten als erfreulich. Allerdings
gab Androsch zu bedenken, dass das Parlament als Entscheidungsträger nun durch konkrete Handlungen zeigen
müsse, dass dem Volksbegehren als Instrument der direkten Demokratie entsprechend Rechnung getragen werde.
Zwar sei die Umsetzung der Maßnahmen Sache der Regierung, im Sinne des Selbstverständnisses des Parlaments
müssten die Abgeordneten jedoch mit Eckdaten und Zeitvorgaben in Anträgen die Reform auf den Weg bringen.
Bezugnehmend auf einen Bericht der EU und internationale Studien hob Androsch hervor, dass Österreichs Ausbildungssystem
nicht mit der Globalisierung Schritt halte, wodurch auch die Wettbewerbsfähigkeit der Republik gemindert werde.
Bernd Schilcher, Mitinitiator und ebenfalls Bevollmächtigter des Volksbegehrens, betonte, von den Kindergärten
bis zu den Universitäten seien durch die konstruktiven Ausschussdebatten viele Schwierigkeiten im heimischen
Bildungssystem verdeutlicht worden. Noch immer bestehe eine große Ungerechtigkeit in der österreichischen
Bildungslandschaft, wie sich an der unterschiedlichen Entwicklung von Kindern aus bildungsfernen und akademischen
Haushalten zeige. Eine verschränkte Form der Ganztagsschule, bei der Schul- und Freizeitbetreuung verbunden
wird, sei daher zu befürworten. Gravierende Effizienzmängel in der Schulverwaltung wirkten sich in Österreich
zudem negativ auf wichtige Bildungsbereiche wie die Naturwissenschaften aus, zeigte Schilcher auf. Bildung müsse
klar von Parteipolitik getrennt werden, hielt der Bildungsexperte fest und nannte die Beseitigung der Bezirksschulräte
als eine Maßnahme dafür. Mit der Einrichtung eines unabhängigen Bildungsrates, der Vorschläge
für das Bildungswesen ausarbeiten sollte, könne langfristig eine Verbesserung der Bildungssituation in
Österreich gewährleistet werden.
Ausschussobmann Elmar Mayer (S) sah die regen Debatten im Ausschuss zum Bildungsvolksbegehren als Beleg für
die hohe Bedeutung, die das Parlament Instrumenten der direkten Demokratie beimesse. Die BildungssprecherInnen
der Parlamentsfraktionen seien gefordert, die Diskussion zu Thematiken wie der Elementarpädagogik oder der
PädagogInnenausbildung weiter voranzutreiben. Mit dem Beschluss der modularen Oberstufe und der verstärkten
Sprachförderung habe der Nationalrat bereits wichtige Akzente gesetzt. Nun gelte es, weitere Hemmnisse der
Bildungsentwicklung mit entsprechenden Anträgen auszuräumen. Für die Ausarbeitung konkreter Entschließungsanträge
sprach sich Abgeordneter Werner Amon (V) ebenfalls aus. Es müssten damit inhaltlich genaue Handlungsanleitungen
mit Fristen für die Regierung geschaffen werden. Zustimmend äußerte Amon sich zur tertiären
Ausbildung für KindergärtnerInnen, hänge doch die Entwicklung der Kinder stark von der Ausbildungsqualität
ihrer BetreuerInnen ab. Der V-Abgeordnete merkte jedoch an, dass es in diesem Bereich bezüglich Kostenentwicklung
und Länderkompetenzen noch Dissens gebe.
Bildungsgerechtigkeit in Österreich herzustellen, sei ein zentraler Auftrag an die Politik, befand Abgeordneter
Ewald Sacher (S). Dazu seien ganztägige, verschränkte Schulformen entscheidend. Der S-Mandatar wertete
in diesem Zusammenhang die Förderung der sozialen, sprachlichen und kreativen Kompetenz von SchülerInnen
ebenso wie ihre Persönlichkeitsentwicklung als essentiell. Dazu bedürften die Schulen natürlich
ausreichender budgetärer und baulicher Ausstattung. Schulische Baumaßnahmen seien auf Grund der föderalen
Kompetenzverteilung in Österreich nicht einfach zu realisieren, bemerkte Abgeordneter Walter Rosenkranz (F)
an Sacher gerichtet. Es gebe im Land zu viele verschiedene Schulerhalter, verteilt zwischen Bund, Ländern
und Gemeinden. Er wünsche sich daher, dass durch die Bildungsdebatte eine Diskussion über den Föderalismus
initiiert werde.
Die Abgeordneten Harald Walser und Daniela Musiol (beide G) befürchteten angesichts des konsensualen Klimas
im Ausschuss einen Stillstand der Bildungsreform. Walser monierte, bis jetzt habe es noch keine konkreten Maßnahmen
beispielsweise für einen verschränkten Unterreicht an den Schulen gegeben. Chancengleichheit im Bildungssystem
solle als das zentrale Ziel der Bildungsinitiative gesehen werden, unterstrich Musiol. Als Problem wertete sie
die Kompetenzverteilung im Bildungsbereich zwischen Bund und Ländern und kündigte an, ihre Fraktion werde
einen entsprechenden Antrag im Familienausschuss einbringen.
Zwar ziehe sie insgesamt positive Bilanz über die Ausschussdebatten, meinte Abgeordnete Ursula Haubner (B),
doch seien für die nächsten Schritte besonders die VerterterInnen der Regierungsparteien am Zug. Diese
müssten nun entscheiden, wie mit Reformfragen zur Schulverwaltung, zu einer einheitlichen PädagogInnenausbildung
und einem neuen LehrerInnendienstrecht umgegangen werde. Haubner schlug für die schulische Ganztagsbetreuung
regionale Modelle vor, betonte aber, die Entscheidungsfreiheit der Eltern, welche Schulform die beste für
ihre Kinder wäre, müsse erhalten bleiben.
Die Abgeordneten sollten den Ausschussdiskussionen jetzt Taten zur Problemlösung folgen lassen, meinten beide
Bevollmächtigten des Volksbegehren, Androsch und Schilcher. Letzterer regte zu diesem Zweck eine Enquete an,
bei der Unklarheiten, etwa hinsichtlich Verwaltungsreform und Initiativrechts des Parlaments, zusammen mit VertreterInnen
von Regierung und Verwaltung beseitigt werden könnten.
Qualitätssicherung an Kindergärten, Schulen, Universitäten nötig
In zwei abschließenden Diskussionsrunden wurden weitere Aspekte der Bildungsdebatte beleuchtet. Abgeordneter
Franz Riepl (S) nannte den kostspieligen Bedarf vieler SchülerInnen an Nachhilfe als Argument für eine
Ganztagsschule und machte sich für ein vereinfachtes Nachholen von Bildungsabschlüssen stark. Die zu
frühe Selektion der SchülerInnen bezeichnete Abgeordneter Josef Auer (S) als Hauptgrund für den
Nachwuchsmangel in der österreichischen Wissenschaft.
Die Punkte qualitätsvolle PädagogInnenbildung mit ausreichendem Praxisbezug, die Förderung von QuereinsteigerInnen
in den Lehrberuf und ein neues Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrpersonal hatten für Abgeordnete Anna
Franz (V) in den nächsten Schritten der Bildungsreform Priorität. Für Abgeordneten Josef Riemer
(F) waren klare Zielsetzungen der Reformmaßnahmen von höchster Bedeutung, um brennende Zukunftsprobleme
wie den Fachkräftemangel der österreichischen Wirtschaft zu lösen. Sein Parteikollege Walter Rosenkranz
bezog sich in seiner Wortmeldung auf den von Initiator Schilcher vorgeschlagenen Bildungsrat, den er generell positiv
bewertete. Jedoch befürchte er dabei erneut eine parteipolitische Besetzung. Zum Punkt Ganztagsschule plädierte
er vehement für die Wahlfreiheit der Eltern, die anhand veröffentlichter Bildungsrankings der Schulen
selbst eine Auswahl treffen sollten.
Abgeordneter Kurt Grünewald (G) legte sein Hauptaugenmerk auf die Lage der österreichischen Universitäten
und kritisierte, dass die derzeitige Studieneingangsphase nicht der Orientierung der Studierenden sondern vielmehr
der Selektion diene. Zudem bemängelte er, dass es in Österreich keine Perspektiven für den wissenschaftlichen
Nachwuchs gebe und das Bachelorstudium Internationale Entwicklung abgeschafft werde. Die Universitäten Österreichs
seien unterfinanziert, erklärte Abgeordneter Rainer Widmann (B) und sprach sich für an Stipendien gekoppelte
Studiengebühren aus. Im Rahmen der Kooperation von Universitäten und Unternehmen bei Forschungsprojekten
bekrittelte er, dass die universitären Basismittel gekürzt würden, sobald Unternehmen Kosten der
Innovationsforschung tragen. Die Abgeordneten forderte Widmann auf, einen Initiativantrag zur Bildungsinitiative
im Plenum einzubringen.
Aus Sicht von S-Abgeordneter Gabriele Binder-Maier sollten gesetzliche Rahmenbedingungen für Modellregionen
der Ganztagsschulen geschaffen werden. Weiters betrachtete sie die Entwicklung der Sprachkompetenz sowie der Kreativität
von Kindern als ausschlaggebend für einen reibungslosen Übergang vom Kindergarten in die Schule. Zur
Qualitätssicherung in der Frühpädagogik sollten KindergärtnerInnen daher auf tertiärer
Ebene ausgebildet werden.
Außerdem sei für die nötigen finanziellen Mittel im universitären Bereich zu sorgen, pflichtete
Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) ihrer Vorrednerin bei. Zur besseren sozialen Durchmischung an den Universitäten
erachtete sie den Ausbau des studentischen Förderwesens als wichtig. Abgeordnete Silvia Fuhrmann (V) sagte,
neben der LehrerInnenausbildung und dem Besoldungssystem müssten die Gestaltungsfreiheit der Schulen hinsichtlich
pädagogischer Ausformung und Personalmanagement im Vordergrund der Bildungsdebatte stehen. Zu ihrem Vorschlag,
verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schulen und Musikschulen im Bereich Kreativitätsförderung zu
forcieren, bemerkte Abgeordneter Walter Rosenkranz (F), ein derartiger F-Antrag sei nicht umgesetzt worden.
Abgeordnete Harald Walser (G) und Ursula Haubner (B) drängten abschließend darauf, keine Zeit mehr bei
der Umsetzung der Maßnahmen zur Bildungsreform verstreichen zu lassen. Laut Walser biete der Umgang mit den
Forderungen des Volksbegehrens bis zur nächsten Plenardebatte eine Chance, der Politikverdrossenheit in der
Bevölkerung entgegenzuwirken. Haubner stellte fest, dass erst nach Abschluss des Ausschusses die eigentliche
Arbeit beginne und glaubwürdige Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungssystems getroffen werden sollten. |