Hauptausschuss diskutiert Wirkungsweise der Euro-Schutzschirme
Wien (pk) - Die aktuelle Lage im Euro-Raum, gekennzeichnet durch die Schuldenkrise, stand am 30.05.
im Mittelpunkt des zweiten Teils des Hauptausschusses. Grundlage dafür waren die Quartalsberichte zum Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz.
Die Diskussion kreiste um die Frage, ob die Schutzschirmmechanismen und der Fiskalpakt tatsächlich in der
Lage sind, die anstehenden Probleme umfassend zu lösen, bzw. ob die Mittel der Schutzschirme auch ausreichen.
Eine Debatte entwickelte sich auch darüber, ob und inwieweit trotz Budgetkonsolidierung neue Schulden notwendig
sind.
Bundesministerin Maria Theresia Fekter betonte in ihrer Stellungnahme, es sei gelungen, in den letzten beiden Jahren
zu stabilisieren. Mit den Schutzschirmen seien konkrete Programme verbunden, die einzuhalten sind, machte sie gegenüber
kritischen Stimmen geltend. Andernfalls gebe es keine Hilfsgelder. Fekter sprach sich abermals dezidiert gegen
Eurobonds aus, da diese in der jetzigen Situation die Zinsen für Österreich erhöhen würden.
Die drei Quartalsberichte (Juli bis Dezember 2011 und Jänner bis März 2012) über die Maßnahmen
gemäß dem Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das die Teilnahme Österreichs an Hilfsmaßnahmen
für andere EU-Staaten ermöglicht, wurden mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP zur Kenntnis
genommen.
Nach diesen Tagesordnungspunkten wurde der Ausschuss unterbrochen, um bei einem weiteren Termin die Quartalsberichte
über die Maßnahmen aufgrund des Bankenpakets (Finanzmarktstabilitätsgesetz) sowie die vorliegenden
Berichte zur Ausfuhrförderung zu diskutieren.
Politik des Machbaren ohne Ideologie – ein schwieriger Weg
Im Hinblick auf die Bewertung der bisher eingesetzten Mechanismen zur Bewältigung der Finanz- und Schuldenkrise
sprach sich Klubobmann Josef Cap (S) für eine "realistische" Debatte aus. Entscheidend seien die
Handlungsspielräume, sagte er. Derzeit seien die Finanzmärkte zu wenig geregelt, im gesamten Wirtschaftssystem
stimme einiges nicht. Daher sei die Politik aufgefordert, das politisch Machbare zu analysieren, um den Finanzmärkten
wieder einen Rahmen zu geben. Er wandte sich damit auch gegen eine, wie er sagte, "eindimensionale Schuldendiskussion"
und reagierte damit auf die Aussagen von Abgeordnetem Günter Stummvoll (V), der sich dagegen gewandt hatte,
Wachstum durch Schulden zu erzeugen. Es gehe um Sparen und Investieren, so wie man es in Österreich mache,
sagte Stummvoll. Dazu warf Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) ein, die Sparfähigkeit hänge davon ab, in
welcher Situation sich eine Volkswirtschaft befindet. In einer Rezession könne man nicht wie wild sparen,
man könne nicht nur Defizit und Schulden als Kennzahlen heranziehen, sondern müsse auch Beschäftigungsquoten,
Arbeitslosenzahlen und Handelsbilanz berücksichtigen. In einer Rezession müsse man investieren und dabei
sei eine Neuverschuldung unumgänglich, so Krainer.
Schulden seien nicht gleich Schulden, bemerkte Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F). Es sei falsch, Schulden zu
machen, um Schulden zu tilgen, zu befürworten seien jedoch zusätzliche Belastungen, um Investitionen
zu tätigen. Ähnlich äußerte sich Abgeordneter Johannes Hübner (F), der meinte, bei strukturellen
Krisen oder etwa Immobilienblasen könne man sich nicht auf lange Frist mit "deficit spending drüber
turnen".
Der G-Mandatar Werner Kogler trat dafür ein, die Instrumentarien, die man derzeit zur Hand habe, näher
zu bewerten. Schutzschirme und Fiskalpakt lösen seiner Meinung nach die Probleme nicht umfassend, die Schutzschirme
seien zwar teilweise vernünftig, um Dominoeffekte zu vermeiden, sozialpolitisch wirkten sie sich jedoch verheerend
aus. Wenn man sich lediglich auf den Fiskalpakt konzentriere, dann sende man ein falsches Signal aus, nämlich
dass man Spekulationen und deren Verluste absichere. Er verlangte daher auch eine intensive Diskussion über
den geplanten ESM und den zu ändernden Art. 136 AEUV und warnte, dass die Grünen dem nicht einfach zustimmen
werden.
Seitens der Freiheitlichen und des BZÖ wurde die Befürchtung geäußert, dass Österreich
die Gelder für die Hilfspakete nicht mehr zurückbekommen werde. Griechenland sei ein Fass ohne Boden,
sagte etwa Abgeordneter Christoph Hagen (B), Griechenland war von Anfang an ein Insolvenzfall, ergänzte Abgeordneter
Alois Gradauer (F). Auch Abgeordneter Werner Kogler (G) konstatierte aus seiner Sicht die Insolvenz Griechenlands.
Gradauer bezichtigte die Regierungen in der EU, eine falsche Europa-Politik zu machen und appellierte, es sei dringend
an der Zeit umzukehren und die Hartwährungsländer in einen eigenen Verbund zusammenzufassen. Die bisher
eingegangene Haftungssumme für Österreich bezifferte er mit 62,3 Mrd. €. Unvorstellbar, wenn diese Haftungen
schlagend würden, stellte daraufhin F-Klubobmann Heinz-Christian Strache die Frage in den Raum. Man habe das
gesamte Geld in ein krankes System gepumpt, kritisierte er, hätte man bereits im Jahr 2009 ein Ende gemacht,
wäre der Schaden wesentlich geringer gewesen. Man müsse nun die Alternativen nützen, so Strache.
In Griechenland fehle es an der geeigneten Volkswirtschaft, um die Schulden abzubauen, meinte Abgeordneter Peter
Fichtenbauer (F) und zeichnete ein ähnliches Szenario für Portugal. Griechenland werde nicht in der Eurozone
bleiben, zeigte er sich überzeugt. Wie sein Klubkollege Johannes Hübner sprach er sich dafür aus,
sich die Fakten ohne jegliche Ideologie anzuschauen.
Auch die größten Ökonomen und Wirtschaftswissenschafter seien unterschiedlicher Meinung, was die
Wirkung der ganzen Mechanismen betrifft, stellte Abgeordneter Günter Stummvoll fest. Beim Euro seien Fehler
passiert, räumte er ein, nun müsse man "step by step" die Wirkungen der Maßnahmen beobachten.
Jedenfalls ist seiner Meinung nach die Eurozone heute besser vorbereitet als noch vor zwei Jahren, um Dominoeffekte
zu vermeiden. Wie die Finanzministerin hielt er Eurobonds für kein geeignetes Mittel, solange es in Bezug
auf die Schuldenpolitik und die Wettbewerbsfähigkeit so große Diskrepanzen gibt.
Fekter: Wir haben stabilisiert und sind heute besser vorbereitet
In ihrer Replik auf die Diskussion machte Finanzministerin Maria Theresia Fekter darauf aufmerksam, dass mit den
Schutzschirmen konkrete Programme verbunden seien. Das heißt, die Euro-Länder geben Geld, im Gegenzug
dazu sind von den Abnehmerländern strukturelle Maßnahmen vorzunehmen. Die Bedingungen müssen demgemäß
auch eingehalten werden. Dass die Schutzschirme Wirkung zeigen, sehe man an Irland und Portugal, wo die Maßnahmen
gegriffen hätten.
Im Jahr 2009 mitten in der Bankenkrise sei die Schuldenkrise mit Griechenland gekommen, erinnerte sie. Hinsichtlich
der Banken sei es gelungen, eine Ansteckung zu vermeiden, und zwar aufgrund des Bankenpakets, aber auch mit Hilfe
der so genannten "Vienna Initiative", womit die Gefahr in den osteuropäischen Ländern für
die heimischen Institute abgewendet werden konnte. Als die Krise in Griechenland virulent wurde, habe man ein "Lehman
2" verhindern wollen. Es sei auch gelungen, einen geordneten Schuldenschnitt für Griechenland ohne Ansteckungsgefahr
zu erreichen. Darüber hinaus habe es ein zweites Hilfspaket für das Land gegeben, das auch eine Zinssenkung
beinhaltet. Das zeige, dass es gelungen ist, in den letzten beiden Jahren zu stabilisieren.
Dass nun eine neue Bankenkrise in Spanien passiert ist, sei ein neues Problem, aber man sei besser vorbereitet.
Das Programm für Griechenland sei für zehn Jahre ausgerichtet mit dem Ziel, dass sich das Land wieder
selbst refinanzieren kann. Es sei aber derzeit nicht abschätzbar, was die künftige griechische Regierung
vorhat, jedenfalls werde kein Geld fließen, wenn sie sich nicht an die eingegangenen Verpflichtungen hält,
die neben einem Schuldenabbau Strukturreformen und Wachstumsimpulse vorsehen. Die nächste Tranche im Juni
werde vorläufig nicht fließen, sagte Fekter. "Ich möchte zu einem Europa gehören, wo
man Länder nicht in die Pleite schickt", stellte die Finanzministerin aber unmissverständlich klar.
Die EFSF könne man nicht mit Eurobonds vergleichen, führte sie weiter aus, denn die EFSF dürfe nur
unter strengsten Bestimmungen Geld aufnehmen. Aufgrund des Verlusts des Triple A für einige EU-Länder
zahle die EFSF mit 3,875 % höhere Zinsen als Österreich, mit 2,27 % bzw. 2,31 %. Das bedeute, die Einführung
von Eurobonds würde für Österreich wesentlich höhere Zinsen zur Folge haben, warnte die Fekter.
Angesichts der Inhomogenität würden Eurobonds darüber hinaus die Vergemeinschaftung der Schulden
bedeuten. Solange man daher keinen Einfluss auf die Schuldenpolitik anderer Länder hat, so lange werde sie
gegen Eurobonds sein.
Die Quartalsberichte zum Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz
Die Quartalsberichte der Finanzministerin über die Maßnahmen, die aufgrund des Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetzes
getroffen wurden, betrafen die Monate Juli bis Dezember 2011 und das erste Quartal 2012.
Während die Griechenlandhilfe bislang aufgrund bilateraler Abkommen erfolgte, wurde die "European Financial
Stability Facility (EFSF) zur Finanzierung des Maßnahmenpakets im Interesse der Wahrung der Finanzmarktstabilität
in Europa geschaffen, eine Aktiengesellschaft, bei der die Garantiegeber verpflichtet sind, anteilsmäßige
Haftungen für etwaige Kapitalmarkttransaktionen auszustellen. Der Haftungsrahmen für die EFSF wurde von
440 Mrd. € auf knapp 780 Mrd. € erhöht. Die EFSF wird bis zur Einrichtung des dauerhaften Krisenmechanismus
(European Stability Mechanism – ESM) die vereinbarte Darlehenskapazität in vollem Umfang bereitstellen. Im
Juli erfolgte mittels eines Rahmenabkommens eine Erweiterung der Flexibilität des EFSF und des geplanten ESM,
die entsprechende Novelle zum Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz trat mit 7. Oktober 2011 in Kraft und findet
sich im BGBl. I 90/2011.
Im 4. Quartal wurde die letzte Tranche aus dem bilateralen Abkommen mit Griechenland ausbezahlt, der Stand der
österreichischen Auszahlungen an Griechenland beträgt rund 1,555 Mrd. €, der Rest soll laut Beschluss
vom 21. Juli 2011, mit dem das Abkommen mit Griechenland angepasst wurde, im Wege der EFSF abgewickelt werden.
Bis Ende März 2012 erfolgten griechische Zinszahlungen von insgesamt 79,680 Mio. € an Österreich. Per
30. März 2012 trat dann rückwirkend die Zinssenkung und Laufzeitverlängerung der bilateralen Darlehen
in Kraft.
Der Stand der österreichischen Haftungen für die ESFS betrug bis dahin ca. 5,038 Mrd. €. Der heimische
Haftungsanteil an Emissionen der EFSF beträgt aufgrund des Ausstiegs von Irland, Portugal und Griechenland
als Haftungsgeber 2,9806%.
In der Zwischenzeit wurde bei Griechenland die Schuldenrestrukturierung mit Beteiligung des Privatsektors durchgeführt
und ein zweites Programm mit einem Volumen von bis zu 172,6 Mrd. € beschlossen, zu dem die Euroländer über
die EFSF 144,6 Mrd. € und der IWF rund 28 Mrd. € beitragen. In Summe umfassen das 1. und 2. Hilfsprogramm von Euroländern
und IWF rund 245,59 Mrd. €, wovon rund 48,15 Mrd. € (19,6%) vom IWF stammen und die restlichen 197,44 Mrd. € (80,4%)
von den Ländern der Eurozone.
Was Irland betrifft, verfasste die fünfte Mission der Troika eine positiven Bericht über die Fortschritte
bezüglich der Budgetkonsolidierung und der Strukturreformen, positive Bewertungen gab es auch nach drei Missionen
zu den Konsolidierungsschritten in Portugal. Die nächsten Tranchen an Hilfszahlungen wurden daher für
beide Länder freigegeben, aber bis Ende März 2012 noch nicht ausbezahlt.
Bis dahin wurden von internationalen Gebern 43,65 Mrd. €, knapp 49,7% des Gesamtvolumens an externen Hilfe, an
Irland ausbezahlt (EFSM: 18,4 Mrd. €, EFSF: 9,2 Mrd. € und IWF: 16,05 Mrd. €).
Für Portugal wurden bislang 38,8 Mrd. € zur Verfügung gestellt (EFSM: 15,6 Mrd. €, EFSF: 9,6 Mrd. € und
IWF: 13,6 Mrd. €), das sind knapp 49,7% des Gesamtvolumens. |