Bozen (lpa) - Stromnetz und Raumordnungsgesetz, öffentliche Aufträge und Kleinkinderbetreuung,
öffentliche Gesellschaften und Wohnbau, Altenheime und Erdbebenhilfe: Dies waren die Themen, die am 14.06.
bei einer gemeinsamen Klausur der Landesregierung und des Rates der Gemeinden im Palais Widmann in Bozen besprochen
worden sind.
Saßen sich heute im Pressesaal der Landesregierung gegenüber: Die Vertreter von Landesregierung und
Gemeinden (Foto: Pertl)Saßen sich heute im Pressesaal der Landesregierung gegenüber: Die Vertreter von
Landesregierung und Gemeinden (Foto: Pertl)
Knapp ein Jahr nach dem letzten Treffen sind Gemeinden und Landesregierung heute wieder zusammengekommen, um jene
Themen zu besprechen, die beiden gleichermaßen unter den Nägeln brennen. Zunächst konnte allerdings
mit Genugtuung festgestellt werden, dass in den vergangenen Monaten einige Anliegen gelöst werden konnten.
Landeshauptmann Luis Durnwalder nannte die Gemeindenfinanzierung und die zentrale Vergabestelle für öffentliche
Aufträge, den Wasserzins und die Tourismusfinanzierung als Beispiele.
Was die aktuellen Probleme betrifft, so ging es heute zunächst um all jene Beiträge, die den Gemeinden
nach feststehenden Kriterien zugewiesen werden, für die also weder beim Land noch bei der Gemeinde politischer
oder verwalterischer Handlungsspielraum besteht. "Es geht um Pro-Kopf-Beiträge wie etwa für die
Bildungsausschüsse, für Bibliotheken oder Feuerwehren", so der Landeshauptmann. Sie sollen künftig
den Gemeinden automatisch zugewiesen und vor Ort verteilt werden. "Dafür müssen wir nur noch eine
Regelung ausarbeiten", so Durnwalder.
Zweites Thema war das Stromnetz der SELNet, für das bereits ausgehandelt worden war, dass es von interessierten
Gemeinden auf ihrem Gemeindegebiet übernommen werden könne. "Anfangs gab es rund 30 interessierte
Gemeinden, aus unterschiedlichsten, vor allem finanziellen Gründen sind es nun allerdings weniger geworden",
erklärte Gemeinden-Präsident Arno Kompatscher. Dazu sei in den letzten Monaten das Problem fehlender
Information und Ansprechpartner gekommen, sodass es für die Gemeinden schwierig sei, den ursprünglich
gesetzten Termin am 30. Juni, zu dem sie ihr Interesse hätten bekunden müssen, einzuhalten. "Wir
haben deshalb mit der Landesregierung vereinbart, diesen Termin zu verschieben und die Frist bis 1. September zu
verlängern", so Kompatscher.
Auch das neue Raumordnungsgesetz war heute Gegenstand der Beratungen zwischen Landesregierung und Gemeinden. Es
ging dabei vor allem darum, einen Fachmann der Gemeinden in die Ausarbeitung des neuen Gesetzes einzubeziehen.
Wie bekannt, hatte die Landesregierung am Montag entschieden, zwei Expertinnen damit zu beauftragen, das bereits
vorliegende Gutachten eines Sachverständigen in einen Gesetzestext zu gießen, und zwar noch vor der
Sommerpause. "Heute haben wir uns darauf geeinigt, dass auch ein Fachmann der Gemeinden beigezogen werden
soll, damit wir von vornherein einen koordinierten Text ausarbeiten können", so Durnwalder heute. Zudem
wurde beschlossen, die Reform der Zuweisung der Gewerbegebiete und einige andere als dringlich empfundene Punkte
bereits vorab zu regeln, und zwar ohne die grundlegende Reform des Urbanistikgesetzes abzuwarten.
Seine Freude brachte Gemeinden-Präsident Kompatscher heute darüber zum Ausdruck, dass die zentrale Vergabeagentur
für öffentliche Aufträge nun ihre Arbeit aufnehmen könne. "Wir erwarten uns von dieser
Agentur große Einsparungen und auch eine Qualitätssteigerung, nachdem es für die Gemeinden kaum
noch möglich war, sich in dieser komplexen Materie zurechtzufinden", so der Präsident des Gemeindenverbandes.
Beraten wurde heute auch darüber, ob es möglich sei, alle Vergaberichtlinien in eine Art Einheitstext
zu kleiden, nachdem derzeit sehr viele unterschiedliche Rechtsquellen konsultiert werden müssten. "Das
Schwierige daran ist allerdings, dass der Staat die Regelungen fast täglich ändert und auch neue EU-Richtlinien
ausstehen", so Kompatscher. Diese will man nun ebenso abwarten wie die neuen Regelungen des Staates, um danach
einen "Einheitstext" oder Leitlinien für die Vergabe von Aufträgen erarbeiten.
Ein heißes Thema war heute auch die Beteiligung der Gemeinden an Gesellschaften, nachdem in diesem Bereich
große Unsicherheit herrscht. Das Problem dahinter: Die neuen Regelungen der Regierung Monti verbieten es
Gemeinden mit weniger als 30.000 Einwohnern, an Gesellschaften beteiligt zu sein, an denen auch Land und/oder Private
Anteile halten. Nun ist dies aber für nahezu jede Gemeinde der Fall, nachdem die allermeisten mit eigenen
Gesellschaften vor allem in den Energiesektor eingestiegen sind. Etwas lockerer ist die Bestimmung für Gemeinden
mit 30.000 bis 100.000 Einwohner, die höchstens an einer Gesellschaft beteiligt sein dürfen. Ausnahmen
gibt’s außerdem in den Bereichen Wasser- und Müllbewirtschaftung und für Zusammenschlüsse
von Gemeinden, für die das Staatsgesetz allerdings auch Beschränkungen vorsieht. "Wir haben nun
Rechtsgutachten von Land und Gemeinden vorliegen, die zwar in manchen Punkten übereinstimmen, in anderen aber
auch zu unterschiedlichen Schlüssen kommen, sodass wir verschiedene Entscheidungen der Landesregierung vorerst
auf Eis legen müssen", so Landeshauptmann Durnwalder. Ein gemeinsames Gutachten von Land und Gemeinden
soll nun Klarheit schaffen.
Auch die Kleinkinderbetreuung war heute Thema der Aussprache zwischen Landesregierung und Gemeinden, nachdem diese
von beiden zu gleichen Anteilen finanziert wird. So übernehmen Land und Gemeinden je ein Drittel der Betreuungskosten,
unabhängig davon, ob ein Kind bei einer Tagesmutter oder in einem Kinderhort untergebracht wird, das verbleibende
Drittel wird von den Eltern aufgebracht. "Sollten diese ein bestimmtes Einkommen nicht überschreiten,
können sie für dieses Drittel zudem um eine Unterstützung ansuchen", so Gemeinden-Präsident
Kompatscher. Die dafür notwendigen Mittel sollen nun in einen gemeinsamen Fonds fließen, zudem will
man gemeinsam auch nach neuen Möglichkeiten der Unterstützung von Familien suchen. "Es geht vor
allem um innovative Möglichkeiten zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf", so Kompatscher.
Diese wollen nicht nur Land und Gemeinden ausfindig machen, es sollen vielmehr auch die Unternehmen mit ins Boot
geholt werden.
Die so genannte Sicherheitskommission des Landes hat bisher bei allen Großveranstaltungen in Südtirol
die Einhaltung der Sicherheitsstandards überprüft. „Vier bis fünf Kommissionsmitglieder müssen
für diese Kontrollen durch das Las fahren, um Zelte, Bühnen oder Tribünen zu kontrollieren. Das
kostet und ist außerdem nicht notwendig, weil die Kontrollen auch von Experten der Gemeinden oder Freiberuflern
durchgeführt werden können“, so Landeshauptmann Durnwalder. Landesregierung und Rat der Gemeinden haben
deshalb heute vereinbart, dass die Sicherheitskommission des Landes von Kommissionen auf Gemeindeebene abgelöst
wird und die Kontrollen vor Ort selbst vornehmen können.
2011 hat die Landesregierung in Absprache mit den Gemeinden das Wohnbauförderungsgesetz angepasst, um die
Wiedergewinnung alter Bausubstanz zu forcieren. Damit soll zum einen Kulturgrund gespart werden und gleichzeitig
leerstehende Gebäude im Zentrum vor dem Verfall und die Zentren vor dem Aussterben bewahrt werden.
Laut Gemeindenpräsident Arno Kompatscher habe die Neuregelung sehr gute Ergebnisse gezeigt und könne
in etlichen Gemeinden sehr erfolgreich zur Anwendung gebracht werden. Besonders im Vinschgau habe unverbaute Fläche
eingespart werden können. In einigen Gemeinden, vor allem in den Städten habe die Neuregelung aber nicht
den gewünschten Effekt bewirkt, sondern den Immobilienmarkt angeheizt. Damit die Immobilienpreise nicht noch
weiter ansteigen, sei eine Anpassung notwendig. „Wir denken, dass in den betroffenen Gemeinden die Sanierung der
Bausubstanz gefördert werden sollte und nicht die Unterstützung beim Erwerb des Bauvolumens“, so Kompatscher.
Es komme immer häufiger vor, so Landeshauptmann Durnwalder, dass geschuldete Betreuungskosten für Seniorenheimbewohner
von deren - zur Zahlung verpflichteten -Angehörigen nicht beglichen werden. Die säumigen Schuldner konnten
bisher von den Betreibern der Strukturen, unter anderem die Gemeinden, nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Mit
einer Gesetzesänderung wird die Landesregierung nun die Voraussetzungen schaffen, dass alle Seniorenheimbetreiber
in Zukunft die gesetzlich verankerte Möglichkeit haben, die geschuldeten Gelder einzutreiben.
Der Rat der Gemeinden hat vor einer Woche die Gemeinden aufgerufen, Geldmittel für den Wiederaufbau in den
Erdbebengebieten in der Emilia Romagna zur Verfügung zu stellen. Bei der heutigen Aussprache haben die Gemeindenvertreter
mit der Landesregierung vereinbart, dass die von den Gemeinden zur Verfügung gestellten Gelder in konkrete
Wiederaufbauprojekte des Landes fließen. „Uns geht es darum, dass wir sehen, wofür unsere Mittel eingesetzt
werden und würden uns deshalb am Wiederaufbau einer Struktur, den das Land übernimmt, wie zum Beispiel
eines Kindergartens oder einer Schule, beteiligen“, so Gemeindenpräsident Arno Kompatscher. Die Landesregierung
hat sich mit dem Ansinnen der Gemeinden einverstanden erklärt. |