Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts für schlagkräftigere Behörden und mehr
Transparenz - Eventueller Preismissbrauch bei Strom und Gas soll künftig leichter nachweis- und verhinderbar
werden
Wien (bmwfj/bmj) - Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Justizministerin Beatrix Karl haben
eine gemeinsame Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts erarbeitet, die am 12.06. im Ministerrat beschlossen
wurde. "Unser Gesetzespaket schafft schlagkräftigere Wettbewerbsbehörden und nützt daher der
Wirtschaft und den Konsumenten. Mehr Markt, Transparenz und Wettbewerb zahlen sich nachhaltig aus", betont
Mitterlehner unter Verweis auf die Stärkung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und das erleichterte Aufdecken
von Preismissbrauch. "Es geht um mehr Transparenz, mehr Durchschlagskraft des Kartellgesetzes und gleiche
Rahmenbedingungen für alle Unternehmen. Das ist letztlich in unser aller Interesse: Es ist gut für Unternehmen,
gut für Konsumenten, gut für Österreich", so Karl. Die heute im Ministerrat beschlossenen Novellen
sollen noch vor dem Sommer im Parlament beschlossen werden und am 1. Oktober 2012 in Kraft treten.
Stärkung der BWB und neue Kronzeugenregelung
Die Novelle des Wettbewerbsgesetzes stärkt die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als schlagkräftige
Aufgriffs- und Ermittlungsbehörde. "Ihre Ermittlungsbefugnisse werden an jene der EU-Kommission angepasst,
und Auskunftsverlangen können künftig schneller, nämlich per Bescheid, durchgesetzt werden",
betont Mitterlehner. Bisher war die BWB in diesem Bereich eingeschränkt, weil eine Anrufung des Kartellgerichts
notwendig war. Künftig kann die BWB auch Verwaltungsstrafen von bis zu 75.000 Euro für Auskunftsverweigerungen
sowie unrichtige, irreführende oder unvollständige Auskünfte verhängen.
Mit einer weiteren Neuregelung wird in der Regierungsvorlage ein zusätzlicher Anreiz für Kronzeugen geschaffen:
Der komplette Erlass der Geldbuße für das Unternehmen ist selbst dann möglich, wenn die BWB bereits
einen Verdacht hat und der Kronzeuge erst danach Beweise vorlegt, die ein Vorgehen gegen das Kartell ermöglichen.
Bisher kam es in einem solchen Fall nur zu einer Minderung der später fälligen Geldbuße. Mit der
jetzigen Reform erfolgt hier eine Anpassung an die auf EU-Ebene geltende Kronzeugenregelung. Darüber hinaus
werden die Rechte der BWB bei Hausdurchsuchungen ausgeweitet und die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden
intensiviert.
Reformen im Strom- und Gasbereich
Teil des Pakets ist auch eine neu ins Kartellrecht aufgenommene Regelung, wonach die Wettbewerbsbehörden
einen eventuellen Preismissbrauch durch marktbeherrschende Versorger im Strom- und Gasbereich künftig leichter
nachweisen bzw. verhindern können. "Unser Vorbild für diese Neuregelung ist Deutschland. Dort hat
sich eine entsprechende Regelung bewährt", betont Mitterlehner. Künftig sollen die zuständigen
Wettbewerbsbehörden nur noch den Nachweis erbringen müssen, dass die Preise höher sind als auf einem
vergleichbaren Markt, und dann ein Verfahren einleiten können. Dabei muss das betroffene Energieversorgungsunternehmen
nachweisen, ob und inwiefern die höheren Preise auch sachlich gerechtfertigt sind. Hier kommt es also zu einer
Beweislasterleichterung für die Wettbewerbsbehörden. Die entsprechende Bestimmung im Kartellgesetz wird
von Oktober 2012 bis Dezember 2016 befristet, damit eine Evaluierungsmöglichkeit gegeben ist.
Neues Wettbewerbsmonitoring
Neu im Paket verankert wurde ein Wettbewerbs-Monitoring im Aufgabenkatalog der BWB. Dabei soll insbesondere
die Wettbewerbsintensität bestimmter Sektoren bzw. wettbewerbsrechtlich relevanter Märkte über mehrere
Jahre dargestellt werden. Entsprechende Indikatoren können unter anderem der Konzentrationsgrad, die Regulierung
des Sektors und Preisentwicklungen im internationalen Vergleich und im Verhältnis zu angebots- und nachfrageseitigen
Einflussfaktoren sein. Die Anzahl der Marktteilnehmer sowie Zu- und Austritte sind ebenso ein Indiz für die
Situation des Wettbewerbs in einer Branche. Bei der Auswahl der Branchen soll auch auf Empfehlungen der Wettbewerbskommission
Rücksicht genommen werden. Um Verwaltungskosten für Unternehmen zu vermeiden, soll das Wettbewerbsmonitoring
auf Basis vorliegender Daten erstellt werden. Dazu können beispielsweise Geschäftsberichte von Aktiengesellschaften,
Infos von Branchenverbänden oder Eurostat, das Firmenbuch und Unternehmensregister herangezogen werden.
Wirksamere Aufsicht, mehr Transparenz und bessere Durchsetzbarkeit
Der vorliegende Entwurf des Kartellrechts beruht auf drei wesentlichen Eckpfeilern: noch wirksamere und
noch transparentere Aufsicht; mehr Transparenz für Konsumenten und Unternehmen; bessere Durchsetzbarkeit von
Ansprüchen gegen Kartellrechtssünder. "Um die Aufsicht im Kartellrecht noch wirksamer zu gestalten,
schließen wir alte Schlupflöcher", so die Justizministerin. Bisher wurden Kartelle erst ab einer
gewissen Marktdominanz vom Gesetz erfasst. Dadurch konnten beispielsweise Preisabsprachen in einigen Fällen
nicht geahndet werden. Die neue Regelung verhindert, dass Preisabsprachen, Einschränkungen der Erzeugung oder
des Absatzes, sowie die Aufteilung der Märkte - wie bisher - vom Kartellverbot ausgenommen werden.
"Um mehr Transparenz für Konsumenten und Unternehmen zu schaffen, sollen künftig Entscheidungen
des Kartellgerichts von Amts wegen und ohne Kostenersatz in der Ediktsdatei veröffentlicht werden. Häufig
fehlten den Geschädigten bisher die notwendigen Informationen, um ihre Schadenersatzansprüche geltend
zu machen. Mit dieser Regelung und mit der besseren Durchsetzbarkeit von Ansprüchen schaffen wir Abhilfe",
betont Karl. Um ein wirksames zivilrechtliches Sanktionensystem aufzubauen, wurden weiters eigene konkretisierende
Bestimmungen eingeführt.
Auch bei der Frage nach der Höhe des Schadenersatzes gibt es wesentliche Verbesserungen: Bei der Entscheidung
über den Schadensumfang kann der anteilige Gewinn des Unternehmens berücksichtigt werden. Schon ab Schadenseintritt
(nicht wie bisher ab Kenntnis von Schaden und Schädiger) ist das Unternehmen verpflichtet die Schadenersatzforderung
des Geschädigten zu verzinsen.
Schadenersatzansprüche können künftig auch nicht mehr durch eine lange Verfahrensdauer verjähren:
Ein Verfahren vor dem Kartellgericht, vor der Europäischen Kommission oder vor der Wettbewerbsbehörde
verhindert in Zukunft die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs. "Wir stellen mit diesem Gesetzesvorschlag
einen gut funktionierenden Wettbewerb klar in den Mittelpunkt. Denn fairer Wettbewerb ist gut für Wirtschaft
und Konsumenten", so Karl am Ende des Ministerrats. |