Salzburg geht neue Wege in der Bürgerpartizipation   

erstellt am
12. 06. 12

Widmann bei 1. Integrationskonferenz des Landes Salzburg: Nicht über sie reden, sondern mit denen reden, die es betrifft
Salzburg (lk) - "Nicht über sie reden, sondern mit denen reden, die es betrifft. Das ist mein Zugang zur Integration. Darum habe ich die 1. Integrationskonferenz des Landes Salzburg ins Leben gerufen. Sie soll allen Betroffenen und Interessierten die Möglichkeit zum Austausch geben." Das betonte Integrationsreferentin Landesrätin Dr. Tina Widmann am 12.06. bei einem Informationsgespräch im Vorfeld der 1. Integrationskonferenz des Landes Salzburg. Landesrätin Widmann freut sich, dass sie dazu viele Gäste begrüßen kann, die sich im Bereich der Integration einen Namen gemacht haben: Staatssekretär Sebastian Kurz, die beiden Salzburger Integrationsbotschafter Bahri Trojer und Sally Razak, Vertreter der Kultusgemeinden, der NGOs, des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), wissenschaftliche Expert/innen aus drei Ländern, die Diversity-Expertin und Buchautorin Beatrice Achaleke, die Salzburg-Song-Komponisten Christian Strohmayer und Bernhard Schönleitner sowie die Vortragenden Kenan Güngör und Gudrun Biffl.

"Besonders wichtig sind bei der Integrationskonferenz jedoch die mitdiskutierenden Bürgerinnen und Bürger Salzburgs, denn gelebte Bürgerpartizipation ist ein wesentlicher Bestandteil meiner politischen Linie. Themen und Probleme nicht zerreden, sondern gemeinsam Lösungsstrategien erarbeiten und diese dann umsetzen – deshalb beziehe ich unter dem Motto 'Salzburg sind wir' die Salzburgerinnen und Salzburger in Entscheidungen durch Bürgerpartizipation auf breiter Basis ein", unterstrich Landesrätin Widmann. "Denn Partizipation bedeutet Einbeziehung. Partizipation bedeutet Einbindung. Partizipation bedeutet Mitmachen. Partizipation bedeutet Freiheit und Verantwortung. Partizipation bedeutet am Ende Mittragen und Identifikation sowie Solidarität zur Entscheidung: Wer eingebunden ist und mitgemacht hat, der trägt Entscheidungen, Programme und Ideen sowie deren Umsetzung viel eher mit als jemand, der nicht einbezogen und eingebunden war und nicht mitmachen konnte. Salzburg sind wir – Zukunft gemeinsam entwickeln – für ein besseres Salzburg", skizzierte Landesrätin Widmann ihr Motto.

Viele Gründe für die 1. Integrationskonferenz
"Integration ist ein viel beanspruchtes und anspruchsvolles, ein zukunftsrelevantes und sehr emotionales Thema. Jeder hat seine Meinung – Multikultianhänger, Leitkulturverfechter, Diversity-Vertreter, Sozialromantiker, Rationaldenker und viele andere. Es gibt sehr differenzierte Standpunkte, dadurch sind große Spannungen möglich oder gar vorprogrammiert", sagte Widmann. Ein weiteres Problem sei, dass Entscheidungs-, Innovations- und Kommunikationsprozesse in Institutionen und oft auch in der Politik nur selten effizient ablaufen. Dazu komme, dass vorhandenes Wissen oder vorliegende Erfahrung nur beschränkt genutzt werde, weil es verteilt sei und diejenigen, auf die es verteilt ist, selten Gelegenheit haben, zusammenzutreffen, gemeinsam zu diskutieren und Lösungen zu erarbeiten, führte Widmann aus.

Auch das Potenzial der neuen Medien werde kaum genutzt. "Und wenn, dann höchstens zum Aufwiegeln und populistisch Nutzbarmachen widerlicher Propagandaparolen gegen den politischen Gegner. Für mich stellte sich aber die Frage: Wie finde ich eine wirksame Konsensfindungsstrategie auf breiter Ebene? Daher habe ich beschlossen, statt traditioneller Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse wie eben einem Integrationsbeirat einen neuen Weg zu gehen", so die Integrationsreferentin.

"Ich führe den von mir propagierten Weg der kleinen Schritte konsequent fort. Angefangen habe ich bereits im Vorjahr, als ich den Handlungsleitfaden der Migrationsstelle des Landes Salzburg, 'Die Drehscheibe', auf die Reise geschickt habe, und alle, die damit arbeiten, um Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge gebeten habe. Es gibt bereits eine zweite Auflage, in die einige Verbesserungen eingeflossen sind", zeigte sich Widmann erfreut. Sie verwies auch auf die Bezirksjugendgespräche, die im Herbst vergangenen Jahres in allen Salzburger Bezirken stattgefunden haben und bei denen Integration ein Schwerpunktthema war. Ein weitere Schritt sind die Dorf- und Stadtgespräche, die an den so genannten "Hotspots", dort wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, geführt werden. Dabei werden Mitbürger/innen mit Migrationshintergrund sowie Proponenten einer Gemeinde zu gemeinsamen moderierten Gesprächen und Diskussionen eingeladen.

Ziel der Integrationskonferenz ist es, ein Strategiepapier zur Integration zu erarbeiten. "Das Integrationsstrategiepapier entsteht durch neue Mittel und Instrumente in der Kommunikation und direkten Bürgerbeteiligung. In der Integrationskonferenz werden die relevanten Themen in einem 'World Cafe' – einer offenen Diskussionsrunde zu entsprechenden Themen – besprochen, Situationen analysiert, Wünsche geäußert sowie Vorschläge und Ideen für Lösungen eingebracht. Alle diese Beiträge münden in eine Zusammenfassung und werden für eine Konsultation vorbereitet. In den einzelnen Themenbereichen werden dabei die Ergebnisse so aufbereitet, dass für Vorschläge und Ideen jeweils einzelne Absätze erstellt werden, die in der Konsultation von den Teilnehmern erneut diskutiert, kommentiert und bewertet werden können. Und zwar mittels einer e-Konsultation", erklärte Landesrätin Widmann.

e-Konsultation auf http://www.salzburg-sind-wir.at
Die der Integrationskonferenz folgende "e-Konsultation" – auf einer eigenen Plattform im Internet (www.salzburg-sind-wir.at) – fördert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und eine dynamische Interaktion innerhalb der Community. Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Teilnehmergruppen kommt es schnell zu zahlreichen neuen Ideen, die eine optimale Grundlage zur Entscheidungsfindung bilden. Um am Ende der Konsultation zu einem Ergebnis zu kommen, wird nach der ersten Diskussionsphase ein Konsensfindungsalgorithmus eingesetzt. Durch die Abstimmung über die eingebrachten Vorschläge kommen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern akzeptierte Lösungen zustande, die in einer späteren Umsetzung auch unterstützt werden.

Mitwirkende an der e-Konsultation sind:

  • Teilnehmer an der Integrationskonferenz
  • Die von den Teilnehmern nominierten Personen – jede/r Teilnehmer/in kann jeweils bis zu zehn Personen nominieren, von denen sie/er annimmt, dass Interesse und Bereitschaft zum Engagement in der Konsultation und zum Thema Integration besteht.
  • Jede/r Bürger/in, der/die sich auf der Plattform anmeldet
  • Eine von Landesrätin Widmann ausgewählte Expertenrunde mit international anerkannten Wissenschaftern


Ziel ist ein auf breiter Basis erstelltes Integrationspapier
"Das Ergebnis der Konsultation wird ein auf breiter Basis erstelltes Integrationsstrategiepapier für Salzburg sein, das mir als politisch Verantwortliche nach einem Realismuscheck durch unabhängige Expert/innen als wichtiges Basispapier für die in Zukunft zu setzenden Schritte dienen wird. Ich freue mich darauf, im Sommer erste Ergebnisse präsentieren zu dürfen", zeigte sich Landesrätin Widmann von einer Politik unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger Salzburgs überzeugt.

Beatrice Achaleke: Zuwanderung ist Chance für Mitteleuropa
Die Bevölkerung Mitteleuropas werde in den nächsten Jahrzehnten nur durch Zuwanderung wachsen. Klein- und Mittelbetriebe, ebenso wie die Politik und somit die allgemeine Gesellschaft, haben dadurch die Chance, einen Prozessmusterwechsel einzuleiten, der Gewinn bringe. Das Zusammenwirken von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Zugehörigkeiten prägt bereits heute den Alltag in vielen europäischen Gesellschaften und Unternehmen. Allerdings sei der Umgang mit dieser Vielfalt häufig nicht optimal. Das bedeute, dass Chancen brachliegen, von denen eine Gesellschaft und Betriebe spür- und messbar profitieren könnten, wenn sie genutzt würden, betonte Beatrice Achaleke, Diversity-Managerin und Autorin des Buches "Vielfalt statt Einheit – wo ich herkomme".

"Ich verstehe Integration als die Bereitschaft und die Fähigkeit einer Gesellschaft, ein Umfeld zu schaffen, in dem jede und jeder in ihrer und seiner Individualität teilnehmen und teilhaben, sich entfalten und das Gefühl haben kann, das eigene Potenzial voll zu erreichen – unabhängig davon, wie groß die Unterschiede sind. Voraussetzung dafür ist die Erkenntnis, dass es keine allgemeingültigen Rezepte gibt und dass Charakter, differenzierte Wahrnehmung, Bewertung und Einbindungsstrategien entscheidend sind", betonte Achaleke.

Allein die aktuelle demographische Veränderung und der daraus resultierende Fachkräftemangel verlangen nach neuen Spielregeln und nach einem Umdenken, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben und als internationaler Standort attraktiv zu sein bzw. zu bleiben. Keine moderne Gesellschaft könne es sich heute leisten, auf die Talente bzw. Beiträge ganzer Generationen zu verzichten, einfach weil sie von woanders herkommen, anders aussehen oder weil ihre Eltern zufällig woanders auf die Welt gekommen sind. Um das brachliegende Potenzial von Menschen mit so genannten "Migrationshinter- oder -vordergrund" zu entdecken und zu nutzen, brauchen wir eine andere Integrationspolitik, die offen, partizipativ, anerkennend und einladend ist.

"Diversity oder Vielfalt erhöht die Spannung im System. Auch in der Natur entstehen Ordnungsmuster immer aus Widerspruch, Lernprozessen, Wachstum und Wissen und nicht aus Harmonie. Wer komplexe, perfekt funktionierende Ordnungsmuster haben will, muss die Unterschiedlichkeit im System forcieren, Querdenkern, anderen Kulturen und Denkweisen eine Chance geben, brachliegendes Potenzial nutzen, Netzwerke bauen und sein Spektrum so erweitern", sagte Achaleke.

     
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