Schmied: "Effektive Maßnahmen im Interesse der SchülerInnen."; Kurz: "Zeichen,
dass uns Bildung viel wert ist"
Bildungsministerin Dr. Claudia Schmied und Staatssekretär Sebastian Kurz einigen sich auf ein Maßnahmenpaket
gegen Schulpflichtverletzungen, dessen Eckpunkte im kommenden Ministerrat vorgelegt werden. Nachstehend wird der
Vortrag an den Ministerrat veröffentlicht.
Bildungsministerin Dr. Claudia Schmied erklärt dazu: "Mit diesem Paket schaffen wir effektive Maßnahmen
gegen Schulpflichtverletzung im Interesse aller SchülerInnen - es geht um Hilfe, Motivation und nachhaltige
Bekämpfung der Ursachen von Schulpflichtverletzung statt existenzgefährdender Strafen."
Staatssekretär Sebastian Kurz betont: "Damit setzen wir ein Zeichen, dass uns Bildung etwas wert ist
und Bildungsraub in unserer Gesellschaft keinen Platz hat."
Im Zuge der Diskussion zum Thema Schulpflichtverletzung wurde auf Basis einer Studie und weiteren Analysen vereinbart
konkrete Maßnahmen zu entwickeln, die Schulpflichtverletzung im Interesse der Schülerinnen und Schüler,
der Lehrerinnen und Lehrer, der jeweiligen Erziehungsberechtigten, der Verantwortlichen im Bereich der Schulaufsicht
und letztendlich der gesamten Gesellschaft nachhaltig verhindern. Ziel ist es, die Ursachen für das Fernbleiben
vom Unterricht zu erkennen und die richtigen Schritte zu setzen.
Die vorliegende Expertise hat jene Formen von Schulpflichtverletzungen im Pflichtschulalter zum Thema, die aufgrund
ihrer Dynamik letztlich zur Anzeige der Erziehungsberechtigten geführt haben. Bei der Analyse ist gemäß
den einschlägigen Forschungen davon auszugehen, dass Schulschwänzen mit einem Bedingungsgeflecht aus
individuellen Problemlagen der Schülerinnen und Schüler, Situationsmerkmalen aus Familie und Schule in
Zusammenhang steht.
Auf Basis der Erkenntnisse der Studie wurden Eckpunkte eines Reformpaketes ausgearbeitet und ein Stufenplan, der
im Falle der Schulpflichtverletzung zum Einsatz kommt, entwickelt. Kommunikations- und Verhaltensvereinbarung Um
Schulpflichtverletzungen schon im Vorfeld zu verhindern, soll gesetzlich verankert werden, dass zu Beginn jedes
Schuljahres eine Kommunikations- und Verhaltensvereinbarung zwischen Schülerinnen und Schülern und den
klassenführenden Lehrerinnen und Lehrern zu erarbeiten ist. Diese definiert die grundlegenden Spielregeln
des Miteinanders und wird im Sinne der Vereinbarungskultur an Schulen (Basis sind die Richtlinien des Österreichischen
Zentrums für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen die im Auftrag des BMUKK erstellt wurden) erstellt.
Frühe Erkennung und und Prävention
Je früher den Ursachen für Schulpflichtverletzung begegnet wird, desto besser kann den Schülerinnen
und Schülern geholfen werden, wieder aktiv am Unterricht teilzunehmen und so ihr persönliches Leistungspotential
auszuschöpfen. Deshalb sind alle Akteurinnen und Akteure des Schulbetriebes (SchulleiterInnen, LehrerInnen,
Erziehungsberechtigten) angehalten auch präventiv bei den ersten Anzeichen von Schulpflichtverletzung wie
ersten Fällen von unentschuldigtem Fernbleiben vom Unterricht aktiv zu werden und im Rahmen der Möglichkeiten
unterstützende Angebote zu setzen bzw. die Ursachen zu beseitigen.
Definition Schulpflichtverletzung
Um eine einheitliche Entscheidungsgrundlage zu geben, ab wann ein Fall von Schulpflichtverletzung vorliegt,
soll diese gesetzlich festgeschrieben werden. Schulpflichtverletzung liegt vor, wenn eine Schülerin/ein Schüler
fünf unentschuldigte Fehltage in einem Semester bzw. 30 unentschuldigte Fehlstunden in einem Semester bzw.
drei aufeinander folgende unentschuldigte Fehltage hat.
Liegt eine Schulpflichtverletzung laut dieser Definition vor, tritt Stufe I des Stufenplans in Kraft, welcher gesetzlich
verankert werden soll.
Stufe I
Als erster Schritt wird durch die klassenführende Lehrerin bzw. den klassenführenden Lehrer ein verpflichtendes
Gespräch zwischen Schüler/in, Erziehungsberechtigten (Erziehungsberechtigen) und Lehrperson geplant und
durchgeführt. Dabei wird nach den Gründen für das Fernbleiben vom Unterricht gesucht und eine schriftliche
Vereinbarung über die nächsten Schritte seitens der Beteiligten sowie Klärung der Verantwortung
für die Vermeidung der Schulpflichtverletzung bzw. für die Verbesserung der Situation (in Bezug auf Anwesenheit,
Motivation, Lernleistung, soziale Integration, etc.) getroffen.
Erziehungsberechtigte: Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe, Kontrolle der Einhaltung der Schulpflicht,
Unterstützung des Schülers/der Schülerin bei Lernproblemen, Schulängsten, Motivationsproblemen
oder sozialen Problemen.
Schulebene: Maßnahmen zur Verbesserung des Klassenklimas und zur Vermeidung von Mobbing und
Bullying; gezielte Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Leistungen; individuelles Förderkonzept,
das mit der Schülerin oder dem Schüler vereinbart wird.
Schülerebene: Einhaltung der Anwesenheitspflicht an der Schule, aktive Teilnahme am Unterricht,
aktive Mitarbeit an der Behebung der Probleme.
Nach maximal 4 Wochen wird in einem weiteren Gespräch zwischen den Beteiligten überprüft, ob die
Vereinbarung von allen eingehalten wurde. Zeigen die gesetzten Maßnahmen keine oder eine zu schwache Wirksamkeit,
tritt Stufe II in Kraft. Ist absehbar, dass die Vereinbarungen von einer Seite nicht eingehalten werden, kann dies
auch schon zu einem früheren Zeitpunkt passieren.
Stufe II
Unter der Federführung der Schulleitung werden die schulischen/schulinternen Beratungssysteme (Schülerberater/in,
Beratungslehrer/in, Schulpsycholog/innen) eingebunden und an den Standorten, wo diese zur Verfügung steht,
durch Schulsozialarbeit und Jugendcoaching (Bundessozialamt) ergänzt. Ziel ist die Konfliktlösung und
Vermittlung zwischen den Beteiligten und die gemeinsame Identifizierung möglicher Ursachen (Schulphobie, familiäre
Probleme, Sucht). Wichtig sind die Vermittlung zwischen den Akteuren und das Verhindern weiterer Eskalation. Auf
Basis der Problemanalyse werden Lösungsansätze erarbeitet. Die in Stufe I getroffene Vereinbarung wird
zwischen allen Beteiligten unter Berücksichtigung der Lösungsvorschläge der Beratungs- und Unterstützungssysteme
adaptiert.
Nach maximal 4 Wochen wird in einem weiteren Gespräch zwischen den Beteiligten überprüft, ob die
Vereinbarung von allen eingehalten wurde. Zeigen die gesetzten Maßnahmen keine oder eine zu schwache Wirksamkeit,
tritt Stufe III in Kraft. Ist absehbar, dass die Vereinbarungen von einer Seite nicht eingehalten werden, kann
dies auch schon zu einem früheren Zeitpunkt passieren.
Stufe III
Zeigten die bisher gesetzten Maßnahmen keine Wirkung, wird die Schulaufsicht mit dem Fall befasst
und die Beteiligten werden über notwendige rechtliche Schritte im Falle weiterer Schulrechtsverletzung eingehend
informiert. In einem Erziehungsberechtigten-Schüler/in-Lehrer/in-Gespräch mit der Schulaufsicht überprüft
diese die Einhaltung der Vereinbarung aus der Stufe I und II und klärt die weitere Vorgehensweise unter Nutzung
der schulischen Beratungssysteme zur Überprüfung der Fortschritte in der Vermeidung von Schulpflichtverletzung
und der Beseitigung der Ursachen und Gründen hierfür ab. Nach maximal 2 Wochen wird in einem weiteren
Gespräch zwischen den Beteiligten inklusive Schulaufsicht überprüft, ob die Vereinbarung von allen
eingehalten wurde. Zeigen die gesetzten Maßnahmen keine oder eine zu schwache Wirksamkeit, tritt Stufe IV
in Kraft. Ist absehbar, dass die Vereinbarungen von einer Seite nicht eingehalten werden, kann dies auch schon
zu einem früheren Zeitpunkt passieren.
Stufe IV
Da davon ausgegangen werden kann, dass der Verdacht der Kindeswohlgefährdung vorliegt, wird die Jugendwohlfahrt
mit dem Fall befasst. Die Schule übermittelt die Information über die Fallgeschichte inklusive der getroffenen
Vereinbarungen im Sinne der Amtshilfe. Die Jugendwohlfahrt beginnt unverzüglich mit der Gefährdungsabklärung
und bietet Unterstützung zur Bewältigung von Erziehungsproblemen.
Um die gesetzten Schritte nachhaltig zu gestalten, wird die gegenseitige Kommunikation zwischen Schule und Jugendwohlfahrt
im Rahmen des derzeit in Verhandlung stehenden Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes geregelt. Die Übermittlung
von Daten beschränkt sich auf allgemeine Informationen der Jugendwohlfahrt über Abklärungsschritte
(z.B. Datum von Gesprächen mit Schülern, Eltern, Fallkonferenz etc.) sowie die Gefährdungseinschätzung
(Vorliegen bzw. nicht Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung). Die weitere Zusammenarbeit von Jugendwohlfahrt
und Schule über das gemeinsame Vorgehen in Bezug auf die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler
werden dadurch optimiert.
Nach maximal 4 Wochen überprüfen die Schulleitung und die Jugendwohlfahrt, ob die gesetzten Maßnahmen
Wirkung gezeigt haben. Zeigen diese keine oder eine zu schwache Wirksamkeit, tritt Stufe V in Kraft. Ist durch
die Schulleitung und die Jugendwohlfahrt absehbar, dass die gesetzten Maßnahmen keine oder eine zu schwache
Wirksamkeit haben, kann dies auch schon zu einem früheren Zeitpunkt passieren.
Stufe V
Haben alle gesetzten Maßnahmen keine oder eine zu geringe Wirkung gezeigt, erfolgt die Anzeige der
betroffenen Schülerin oder des betroffenen Schülers bei der Bezirksverwaltungsbehörde durch die
Schulleitung. Die Höchststrafe wird von Euro 220,- auf Euro 440,- erhöht. Zusätzlich wird eine verpflichtende
Rückmeldung über den Ausgang des Verfahrens gemäß §24 Schulpflichtgesetz von der die
Strafe aussprechenden Behörde an die Schule gesetzlich verankert, um so weitere Maßnahmen am Schulstandort
anzupassen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass auch bei dieser Stufe das Wohl des/r Schülers/in im
Vordergrund steht und der/die Schüler/in von Schule und Jugendwohlfahrt entsprechend weiter begleitet werden
muss.
Jährliche Erhebung
Um die Wirksamkeit des Maßnahmenpaketes zur Vermeidung von Schulpflichtverletzung zu überprüfen,
wird die Anzahl der Schulpflichtverletzungen jährlich umfassend erhoben und durch das BMUKK gesammelt. Auf
Basis dieser Zahlen wird nach 3 Jahren eine Evaluierung durchgeführt.
Auf Basis dieser Eckpunkte werden die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen erarbeitet und dem Ministerrat
nach der Begutachtung gemeinsame zur Beschlussfassung vorgelegt. |