WIFO-Prognose für 2012 und 2013
Wien (wifo) - Die Wirtschaftspolitik steht im Euro-Raum vor großen Herausforderungen. Vor diesem
Hintergrund erscheint es äußerst schwierig, die internationale und heimische Wirtschaftsentwicklung
zu prognostizieren. Die vorliegende Prognose ist an sehr zuversichtliche Bedingungen hinsichtlich der Lösung
der anstehenden Probleme gebunden. Die heimische Wirtschaft sollte unter diesen Rahmenbedingungen heuer um 0,6%
und 2013 um 1,3% wachsen, wobei die Unsicherheit für 2013 besonders hoch ist.
Die jüngste Entwicklung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum und die Reaktionen der Wirtschaftspolitik überlagern
derzeit die konjunkturelle Entwicklung. Auch der Wahlausgang und die rasch eingesetzte neue Regierung in Griechenland
verringerten die Verunsicherung der Finanzmärkte über die Lage im Euro-Raum bislang nicht. Die Zinssätze
für Staatsanleihen von Spanien und Italien stiegen weiter, sodass eine zusätzliche Kreditaufnahme dieser
Länder deren Staatshaushalt abermals belastet. Dadurch könnte das Vertrauen der Finanzmärkte weiter
schwinden. Zugleich verzeichnen einige Länder im Euro-Raum - etwa Deutschland und Österreich - erhebliche
Zuflüsse an Finanzmitteln, sodass die Renditen für ihre Staatsanleihen sinken. Die beträchtlichen
Differenzen zwischen den Zinssätzen innerhalb der Währungsgemeinschaft erzeugen neben der ökonomischen
Belastung auch politische Spannungen. Die anhaltende Unsicherheit über eine Lösung der Krise beeinträchtigt
sowohl die Investitions- als auch die Konsumentscheidungen. Die vorliegende Prognose geht von zur Zeit optimistischen
Annahmen aus: Die Währungsunion bleibt in ihrer Zusammensetzung erhalten (andere Szenarien hätten erhebliche
Konsequenzen für das Bankensystem, deren Auswirkungen sich nicht prognostizieren lassen); die Unterschiede
zwischen den Zinssätzen für die Staatsanleihen der einzelnen Länder werden verringert und die strikten
Sparprogramme in den betroffenen Ländern etwas gelockert oder zumindest umgeschichtet, sodass national und
international auch wachstumsorientierte Investitionen unterstützt werden können.
Unter diesen Rahmenbedingungen könnte sich das wirtschaftspolitische Umfeld so ändern, dass die Verbesserung
der internationalen Konjunktur auch in Europa leichte aufwärtsgerichtete Kräfte entfalten sollte. Dies
würde gestützt durch die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar.
In diesem Fall würde die heimische Wirtschaft 2012 um 0,6% expandieren; 2013 würde sich das Wachstum
auf 1,3% erhöhen. Das Nachgeben der Rohstoffpreise ermöglicht - trotz der rückläufigen Tendenz
des Euro-Dollar-Wechselkurses - einen Rückgang der Inflation auf 2,3% im Jahr 2012 und 1,9% 2013.
Relativ gut entwickelt sich der österreichische Arbeitsmarkt. Aufgrund des Verlaufes seit Jahresbeginn ist
2012 insgesamt mit einer Ausweitung der Beschäftigung um 1,3% zu rechnen. 2013 dürfte sich die Dynamik
auf +0,4% verlangsamen. Die Arbeitslosenquote wird heuer nach nationaler Berechnungsmethode auf 7,1% steigen. 2013
ist mit einer weiteren Erhöhung zu rechnen (auf 7,4%).
Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte
bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der
Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen"
Bezug genommen.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.
Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über
den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen
Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.
Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche
Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte
nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.
Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden,
Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex
(VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist
die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität
innerhalb der Euro-Zone ( siehe auch http://www.statistik.at/ ).
Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen
Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel
und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex
(VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung
ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche
Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren
sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten
Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot
der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig
Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind
und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde
selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge
zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist
der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten
von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die
Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen
auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis.
Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
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