Linz (lk) - Der erste Teil der Reise einer Delegation des Oö. Landtags (Präsidium und Klubspitzen)
in die Schweiz stand ganz im Zeichen der Information über die Vorteile und Herausforderungen eines föderalistischen
Verfassungskonzepts und dessen praktische Auswirkungen.
Im Institut für Föderalismus der Universität Freiburg, einer Universität, deren Träger
der Kanton ist, wurde zunächst das Schweizer Modell theoretisch dargestellt, diskutiert und in seinen praktischen
Auswirkungen hinterfragt. Die Wissenschafter hoben dabei folgende Erfolgsfaktoren hervor:
- Das System von zwei gleichberechtigten Kammern des Bundesparlaments, deren Mitglieder unmittelbar gewählt
werden und die gegenseitig ein absolutes Veto haben;
- starke Kantonsparlamente, die auch ein direktes Initiativrecht an das Bundesparlament haben;
- die konsequente Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, wonach grundsätzlich die Länder für
alle Angelegenheiten zuständig sind, soweit nicht durch die Bundesverfassung der Bund für zuständig
erklärt wird;
- die Konzentration von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung bei Bund oder den Kantonen, die – innerhalb
eines vorgegebenen Harmonisierungsrahmens – über eine eigene Steuerhoheit verfügen;
- die befristete verfassungsrechtliche Verankerung der Finanzierung von großen Infrastrukturvorhaben und
eines kooperativen Finanzausgleichs;
- die Abstimmung zwischen den Kantonen durch Staatsverträge, mit denen auch gemeinsame Einrichtungen geschaffen
werden können;
- das System der unmittelbaren Mitwirkung, in dem – je nach Frage – 50.000 oder 100.000 Stimmberechtigte in kurzen
Fristen (100 Tagen) Initiativen starten oder Abstimmungen verlangen können.
In der Diskussion wurde auch betont, dass zwar eine kritische Mindestgröße für regionale Einheiten
wie Kantone oder Bundesländer gäbe, diese jedoch unter einer Million Einwohnerinnen und Einwohner anzusetzen
ist.
Es ist kein Fall bekannt, in dem eine zentrale Aufgabenlösung und -wahrnehmung kostengünstiger wäre,
als eine dezentrale. Der sprichwörtliche „Kantönligeist“ wird zwar mitunter auch in der Schweiz kritisiert,
aber auch als Wettbewerb zwischen den Kantonen um politische Ideen und deren konkrete Ausgestaltung sowie um steuerkräftige
Personen und Unternehmen gesehen.
Generell gilt: „Je näher die Gesetzgebung bei den Bürgerinnen und Bürgern angesiedelt ist und je
unmittelbarer daher die Verantwortung der Politik und konkreten Institutionen vor Ort zuordenbar ist, desto effizienter
und effektiver ist ihre Um- und Durchsetzung.“
Bei Arbeitsgesprächen im Kantonsrat von Bern (dem „Landtag“ des Kantons, der bei einer Größe von
1 Mio. Einwohner/innen nach einer Verkleinerung 160 Mitglieder hat) und dem Nationalrat (200 Mitglieder) konnten
die ersten Eindrücke vertieft und bestätigt werden, wonach das Schweizer Modell viele historisch begründete
Besonderheit aufweist und gleichzeitig eine Reihe von modernen Ansätzen verbindet.
Die Informationsreise wird die Landtagsdelegation bis Mittwoch noch einen sehr kleinen Kanton (Appenzell-Außerrhoden,
rund 50.000 Einwohner/innen) und in einen großen (Zürich, rund 1,35 Mio. Einwohner/innen) der insgesamt
26 Kantone führen, wo die Gespräche auch unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsarbeit und Meinungsbildung
für einen modernen Föderalismus fortgeführt und abgeschlossen werden.
Die Ergebnisse der Informationsfahrt werden in den laufende Arbeit des Oö. Landtags, insbesondere des Unterausschusses
des Verfassungsausschusses, einfließen.
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