Ergebnisse der Direktinvestitionsbefragung der OeNB zum Jahreswechsel 2010/2011
Wien (oenb) - Im Jahr 2010 ist Österreich bei den Direktinvestitionen erstmals zu einem klaren
Nettoinvestor geworden. Wie die jüngste Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zeigt, stagnierte
das Unternehmensvermögen des Auslands in Österreich, während der Wert der Direktinvestitionen heimischer
Investoren im Ausland deutlich zulegen konnte. „Nach den uns vorliegenden Informationen aus der Zahlungsbilanzstatistik
konnte Österreich diese Position im Laufe des Jahres 2011 weiter ausbauen“, erläuterte Dr. Johannes Turner,
Direktor der Hauptabteilung Statistik der OeNB, anlässlich einer gemeinsamen Presseveranstaltung mit der UN
Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) in Wien, bei der der „World Investment Report 2012“ vorgestellt
wurde.
Aktive Direktinvestitionen überflügeln die passiven
Für den Jahresbeginn 2011 weist die Statistik der OeNB 1.334 österreichische Investoren (+7%)
mit Beteiligungen an 4.735 ausländischen Unternehmen (+6%) aus, die einen Wert von 132½ Mrd EUR (+17%)
repräsentieren. Das starke wertmäßige Wachstum war nur zum geringeren Teil frischen Kapitalzufuhren
zu verdanken; wichtiger waren 2010 die Auswirkungen von Wechselkursänderungen und das bessere Wirtschaftsklima,
das zu einem Aufwärtstrend bei den Unternehmensbewertungen geführt hat. Weiters ist die Beschäftigung
bei den ausländischen Tochterfirmen um nur 3 Prozent (auf 718.000) gewachsen, was Ausdruck eines anhaltenden
Wettbewerbsdruckes sein dürfte, der die Unternehmen zu Rationalisierungen zwingt.
Die Entwicklung der passiven Direktinvestitionsbestände – also der unter ausländischem Einfluss stehenden
inländischen Unternehmen – verlief anders: Zum Jahresultimo 2010 waren 2.996 Ausländer an 2.561 inländischen
Unternehmen beteiligt, womit sich das Bild gegenüber 2009 nicht geändert hat. Zwar gab es 2010 auch Eigenkapitalzuflüsse,
die aber durch Rückgänge bei der konzerninternen Kreditfinanzierung ausgeglichen wurden, sodass sich
der Wert der passiven Direktinvestitionen um insgesamt 1 Mrd EUR auf 118½ Mrd EUR reduziert hat. Die Beschäftigung
ist in den von den Auslandsinvestoren gehaltenen Unternehmen – nach einem überraschend starken Rückgang
im Jahr 2009 – mit +1% wieder leicht angestiegen.
Nach der Wende des Jahres 1989 konnte sich Österreich als wichtiger Investor in Zentral- Ost- und Südosteuropa
etablieren. Seit etwa einem Jahrzehnt verfolgen die heimischen Investoren nun eine regional ausgeglichene Strategie:
Sie investieren auch in andere Regionen und haben den Anteil an Investitionen in Transformationsländern seit
2007 sogar leicht reduziert. Der Ausbau der Direktinvestitionsposition im Jahr 2010 fand beispielsweise vorwiegend
in Deutschland, Russland und der Türkei statt. Mittlerweile beschäftigen österreichische Investoren
aber auch bereits 18.000 Menschen in chinesischen Fabriken, was China in dieser Hinsicht zum zwölftwichtigsten
Zielland werden ließ.
Unter den ausländischen Investoren in Österreich dominiert seit Jahren unverändert Deutschland,
gefolgt von der Schweiz, Italien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten, die ihre Rangfolge immer wieder
tauschen.
Ertragslage erholte sich 2010 deutlich
Die Ertragslage hat sich bei den aktiven und passiven Direktinvestitionen im Jahr 2010 merklich erholt. Ausländische
Investoren lukrierten im Jahr 2010 mit 5,1 Mrd EUR zwar weniger Dividenden als im Vorjahr, konnten dies aber –
im Gegensatz zu den Jahren 2008 und 2009 – ohne Rückgriff auf das Eigenkapital tun, sodass knapp 1 Mrd EUR
an reinvestierten Gewinnen verblieb. Heimische Investoren verzeichneten 2010 einen Rekordfluss an Dividenden (7,1
Mrd EUR), zu denen weitere 2,2 Mrd EUR an reinvestierten Gewinnen kommen. Dieses überraschend positive Ergebnis
führt – für sich alleine genommen – zu einer nachträglichen Verbesserung der Leistungsbilanz 2010
um +1,3 Mrd EUR.
Aktuelle Entwicklungen im ersten Quartal 2012
Das Volumen der Direktinvestitionen war im ersten Quartal 2012 gering. Es dominieren die – auf Schätzungen
beruhenden – reinvestierten Gewinne. Auf der Passivseite wird die einzige Großinvestition, der Kauf der Volksbank
International durch die russische Sberbank, durch eine Reihe von Desinvestitionen kompensiert. Auf der Aktivseite
standen im ersten Quartal Investitionen in der Türkei im Vordergrund. Eine Hochrechnung auf die Entwicklung
im restlichen Jahr 2012 wäre jedoch unzulässig; eine Reihe großer, angekündigter Investitionsvorhaben,
wie der Einstieg eines mexikanischen Investors bei der Telekom Austria oder umgekehrt die geplante Übernahme
des deutschen Maschinenbauers Schuler durch die Andritz AG könnte noch ihre Spuren in der Statistik des Jahres
2012 hinterlassen. |