BIP-Wachstum 2012 von 2,6 Prozent in CEE erwartet – Eurozone soll mit 0,3 Prozent schrumpfen -
Für Österreich BIP-Wachstum von 0,7 Prozent prognostiziert
Wien (rcb) - „Zentral- und Osteuropa (CEE) hat die Turbulenzen in der Eurozone bisher gut überstanden
und sich erfreulich stabil entwickelt“, analysiert Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research, einer Einheit
der Raiffeisen Bank International AG (RBI). Für das Jahr 2012 erwartet der Raiffeisen-Chefanalyst, dass die
CEE-Region gesamt ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 2,6 Prozent aufweisen wird – 2013 sollen es 3,2 Prozent
sein. Verglichen mit der Eurozone ergibt sich ein großer Wachstumsunterschied: 2012 soll die Eurozone mit
einem BIP-Rückgang von 0,3 Prozent schrumpfen und erst wieder 2013 mit einem Plus von 0,8 Prozent zum Wachstum
zurückfinden.
Der sich schon in den vergangenen Quartalen abzeichnende Unterschied in den Wachstumsperspektiven der einzelnen
CEE-Regionen setzt sich laut Brezinschek auch in der zweiten Jahreshälfte 2012 kontinuierlich fort. „Die Wachstumsspitzenreiter
bleiben Polen mit 2,8 Prozent und Russland mit 3,7 Prozent realem BIP-Wachstum. Aber auch die Slowakei und die
Ukraine sollten mit jeweils über 2,5 Prozent an die erfreulichen Daten der letzten zwei Jahre anknüpfen
können“, so der Raiffeisen-Chefanalyst. Weniger positiv stellt sich seiner Meinung nach dagegen weiterhin
die Lage am Balkan dar, wobei Kroatien, Serbien und Bosnien und Herzegowina 2012 kein Wachstum aufweisen dürften.
„Diese Region ist durch die Rezession in den Euro-Peripherie-Staaten am ehesten negativ tangiert. Im nächsten
Jahr ist nur eine moderate Aufhellung der Konjunkturaussichten realistisch“, erklärt Brezinschek.
Insgesamt wird sich innerhalb der CEE-Region die Gemeinschaft Unhabhängiger Staaten (GUS) mit einem BIP-Wachstum
von 3,6 Prozent im Jahr 2012 am besten entwickeln, gefolgt von Zentraleuropa (CE) mit 1,4 Prozent. Südosteuropa
(SEE) wird mit 0,3 Prozent nur moderates Wachstum aufweisen.
Für Österreich haben die Analysten von Raiffeisen Research ihre Jahresprognose 2012 aufgrund des überraschend
starken 1. Quartals auf 0,7 Prozent erhöht. Für 2013 erwarten die Experten ein reales BIP-Wachstum von
1,3 Prozent.
Budgetsanierungen in Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, Rumänien und der Ukraine
Genauso unterschiedlich wie das Wachstum entwickelt sich laut den Experten von Raiffeisen Research auch die Inflation
in CEE. „Historisch niedrige Verbraucherpreise zeichnen sich in Russland, der Ukraine und in Rumänien ab,
während in Ungarn der Trend nach oben gerichtet ist“, erklärt Brezinschek, der außerdem mit Budgetsanierungen
vor allem in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und der Ukraine rechnet. Der Chefanalyst merkt allerdings
an, dass die Schuldenstände der CEE-Länder – Ungarn ausgenommen – markant unter dem Durchschnitt der
Eurozone liegen. Sowohl 2012 als auch 2013 ist laut Brezinschek eine Reduzierung der Defizite geplant.
Moderate Stärkung der CEE-Währungen zum Euro
Die zunehmenden Sorgen in der Eurozone mit einem sich abschwächenden Euro haben nach Ansicht von Raiffeisen
Research bis zur Jahresmitte nicht zu neuerlichen Währungsturbulenzen geführt: Während der polnische
Zloty und der ungarische Forint stark notieren, haben sich der russische Rubel, der rumänische Leu und die
tschechische Krone abgeschwächt. „In Reflexion der jeweiligen Geldpolitik und der Tatsache, dass ein Ausstieg
Griechenlands aus dem Euro nicht unmittelbar bevorsteht, sehen wir in der zweiten Jahreshälfte 2012 eine allgemeine
moderate Stärkung der CEE-Währungen zum Euro. Ausnahme bleiben die ukrainische Hryvna, der serbische
Dinar und der ungarischer Forint“, so Brezinschek, der Zinsermäßigungen seitens der Nationalbanken nur
in der Tschechischen Republik und Russland erwartet.
Kaufempfehlung für CEE-Aktien
Die osteuropäischen Anleihenmärkte werden aus Sicht von Raiffeisen Research im dritten Quartal von nur
leichten Renditeanstiegen gekennzeichnet sein. „Nur in Ungarn sind entsprechend der schwächeren Währungstendenz
größere Schwankungen in allen Laufzeiten möglich. Wir haben daher ungarische Lokalwährungsanleihen
auf Verkauf gesetzt“, so Brezinschek, der derzeit lediglich eine Kaufempfehlung für Polen abgeben möchte.
Sobald russische Anleihen einen Renditeanstieg gegen die 9 Prozent verzeichnen würden, wären auch diese
aus Brezinscheks Sicht wieder empfehlenswert.
Auf der Aktienseite sollte sich das Erholungspotenzial mit neuerlichen globalen Liquiditätsspritzen der Notenbanken
auch in den CEE-Ländern entfalten. Brezinschek gibt daher für die erste Phase der Sommermonate eine Kaufempfehlung
quer über die Region ab, wobei Wien, Budapest und Moskau seiner Meinung nach die höchsten Kurspotenziale
aufweisen.
Für russische Aktien spricht, dass die Markterwartungen bezüglich Gewinnwachstum nach oben revidiert
werden, der Ölpreis im dritten Quartal wieder über die 100-Dollar-Marke klettern sollte und die fundamentale
Bewertung als attraktiv einzustufen ist. Letzteres ist auch für den ungarischen Aktienindex BUX gültig,
wobei der zweistellige Gewinnrückgang 2012 schon eingepreist ist. Entscheidender ist aber die neue politische
Kompromissfähigkeit, die ein IWF-Übereinkommen im Spätsommer realistischer macht.
ATX: Attraktive Fundamentaldaten sprechen für freundliche Wiener Börse
Obwohl der ATX den Großteil der zu Jahresbeginn gemachten Gewinne aufgrund der Schuldenkrise, die verstärkt
auch in Österreich spürbar war, wieder einbüßte, entwickelte sich der österreichische
Aktienindex in Q2 etwas besser, als andere europäische Indizes. Im Allgemeinen fiel die Berichtssaison in
Q1 durchwegs robust aus, gerade in Österreich, wo einerseits Andritz, OMV, Telekom Austria, SBO und die AMAG
die Gewinnerwartungen der Raiffeisen Centrobank (RCB) sogar übertrafen und andererseits Strabag, Verbund,
Rosenbauer und Zumtobel unter den Prognosen der RCB-Analysten lagen. In Summe erwarten die Research-Experten eine
Verlangsamung der Gewinnentwicklung in Q2 aufgrund schwächerer ökonomischer Impulse und niedrigerer Niveaus
bei CEE-Währungen. Darüber hinaus wurden die Q1 Ergebnisse einiger Index-Schwergewichte (z.B. Banken)
durch positive Einmaleffekte erhöht. Um die Einmaleffekte bereinigt, rechnen die Analysten mit einem generellen
Gewinnwachstum von ca. 9 Prozent für die ATX-Unternehmen. Das resultiert in einem geschätzten Kurs/Gewinnverhältnis
von 9,5 für 2012 und auf Jahressicht in einem Kurs/Gewinnverhältnis von 8,8, welcher nach wie vor beträchtlich
unterhalb des historischen Durchschnitts von 12 liegt.
Basierend auf dem derzeitigen Preis/Buchwertverhältnis von 0,75 befindet sich der ATX nahe an seinem Tiefststand.
Während für die Analysten der Raiffeisen Centrobank das historische 10-Jahres Preis/Buchwertverhältnis
von 1,5 aufgrund höherer Kapitalanforderungen für Banken und einem niedrigeren Niveau von Fremdfinanzierung
für Unternehmen außer Sichtweite ist, gehen sie von einem Anstieg des Preis/Buchwertverhältnisses
aus, da kein drohendes Verwässerungsrisiko für die meisten Large Caps gesehen wird. Diese Ansicht wird
untermauert, indem die erwartete Indexdividendenrendite von 4,3 Prozent im Kontext von 2,6 Prozent Rendite einer
10-jährigen Anleihe gesetzt wird.
“Analog zu den globalen Aktienmärkten erwarten wir keine kontinuierliche Index-Aufwertung, sondern gehen aufgrund
der globalen Wachstumsängste und der von politischen Aktionen im Hinblick auf die Spannungen in der Eurozone
angeheizten Marktstimmung von Rückschlägen aus. Dennoch sehen wir einen weiteren Aufschwung zwischen
8-12 Prozent für die Aktienmärkte in Österreich und CEE“, erläutert RCB Chefanalyst Stefan
Maxian.
Favoriten: Erste Group, OMV, SBO, Lenzing, RHI, Rosneft, PGE, Cyfrowy Polsat
Die RCB wendet sich in Österreich zyklischeren Titeln zu und erwartet weiteren Aufwind für die Erste
Group, die auf einem tiefen Preis/Buchwertverhältnis gehandelt wird. Der RCB gefällt außerdem OMV,
beflügelt durch das Ölpreis-Szenario der Analysten und erwarteten starken Q2 Zahlen. Auch SBO, Lenzing
und RHI zählen bei den Industrietiteln zu den Favoriten.
Bei CEE-Aktien bevorzugt das Company Research der RCB Rosneft als größten Ölproduzenten in Russland,
nicht zuletzt auch aufgrund der positiven Auswirkungen der kürzlich durchgeführten Steuerreform. Außerdem
zählt der polnische Energieversorger PGE zu den Favoriten, der mit verbesserter Kostenbasis in Folge der jüngsten
Kraftwerksmodernisierung sowie der Gelegenheit auf eine Dividende in der Höhe von 8,8 Prozent im August punktet.
Auch Cyfrowy Polsat gefällt den Analysten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltend guten Ertragslage trotz des
defensiven Unternehmens Set-up. |