Bank Austria Konjunkturindikator sinkt erstmals seit einem halben Jahr und erreicht nur noch Stagnationsniveau
Wien (bank austria) - Die Wolken über dem österreichischen Konjunkturhimmel haben sich
in den vergangenen Wochen noch weiter verdunkelt. „Nach fünf Anstiegen in Folge ist der Bank Austria Konjunkturindikator
im Juni deutlich eingebrochen. Der Rückfall auf einen Wert von genau null weist auf einen unmittelbar bevorstehenden
Wirtschaftsverlauf nahe einer Stagnation hin“, führt Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer aus. Die
heimische Wirtschaft beginnt die Verschlechterung des europäischen Umfelds aufgrund der starken Handelsverflechtung
mit der Region nun unmittelbar zu spüren. Schließlich werden 70 Prozent der österreichischen Warenausfuhren
von Mitgliedern der Europäischen Union abgenommen.
„Der jüngste Rückgang des Bank Austria Konjunkturindikators ist auf die deutliche Eintrübung der
Geschäftsaussichten in Europa zurückzuführen, die sich auf die Stimmung der heimischen Industrie
und auch der Verbraucher belastend niederschlägt“, analysiert Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. In
zwei Drittel der Länder der Eurozone, die mehr als 80 Prozent der heimischen Exporte in die Region abnehmen,
hat sich das Industrievertrauen im Juni nochmals verfinstert. Die negativen Vorgaben haben die Zuversicht der österreichischen
Industrie deutlich verringert, wenn auch die Stimmung im Sektor im internationalen Vergleich weiterhin über
dem Durchschnitt liegt. Zudem sehen die heimischen Konsumenten die Zukunft mit zunehmender Sorge. Die Zuspitzung
der Eurokrise und jüngst wieder schwächere Arbeitsmarktdaten drücken auf die Stimmung.
Nach dem recht guten Jahresbeginn mit einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent zum Vorquartal zeigen die vorliegenden
Frühindikatoren für das zweite Quartal eine Verlangsamung der Konjunktur. „Trotz des belastenden europäischen
Umfelds ist die österreichische Wirtschaft im zweiten Quartal nach unserer Ansicht auf Wachstumskurs geblieben.
Mit einem Plus um 0,2 Prozent zum Vorquartal lag der geschätzte Anstieg des BIP jedoch hinter der Entwicklung
zu Jahresbeginn zurück“, so Pudschedl. Tragende Kräfte waren neben der stabilen Konsumentwicklung abermals
der Außenhandel, wobei hier weniger die Export- als viel mehr die geringe Importdynamik aufgrund niedrigerer
Rohstoffpreise, verantwortlich zeichnete.
Für die wirtschaftliche Entwicklung im zweiten Halbjahr 2012 ist die aktuelle Stimmungslage eine sehr ungünstige
Vorgabe. Insbesondere die Investitionsdynamik leidet darunter und wird vorerst eine nur sehr träge gesamtwirtschaftliche
Entwicklung zulassen. Trotzdem bieten die jüngst wieder günstigeren Industriedaten und die Verbesserung
bei einigen vorausschauenden Indikatoren im Euroland erste Hinweise, dass sich das Rezessionstempo im Euroraum
zumindest verlangsamt oder die Wirtschaft sogar zu stabilisieren beginnt. „Noch bläst der Gegenwind aus Europa
der heimischen Wirtschaft entgegen. Doch positive Effekte von etwas gelockerten fiskalischen Zügeln, der laufenden
Abschwächung des Wechselkurses des Euro und etwas tiefere Ölpreise könnten 2013 spürbar werden.
Wir erwarten für das Gesamtjahr 2012 weiterhin einen Anstieg des BIP um 0,8 Prozent und 2013 ein Wirtschaftswachstum
um immerhin 1,5 Prozent“, so Bruckbauer. Dies alles basiert jedoch auf der Annahme, im Euroraum wird weiter konstruktiv
an den eingeleiteten Lösungen zur Überwindung der Eurokrise gearbeitet. „Weiterhin sind vor allem Unsicherheiten
rund um den notwendigen Umbau des Euroraums das größte Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung
in Österreich“, meint Bruckbauer.
Rohstoffpreise bestimmen Inflationsdynamik
Trotz eines leichten Anstiegs der Inflationsrate im Juni auf 2,2 Prozent im Jahresvergleich wird sich der rückläufige
Inflationstrend weiter fortsetzen. Dieser hält bereits seit Herbst 2011 an und ist durch den moderaten Rohstoffpreistrend
bedingt. Im ersten Halbjahr 2012 betrug die durchschnittliche Teuerung damit 2,4 Prozent. „Nach dem anhaltend günstigen
Inflationstrend der ersten sechs Monate erwarten wir für das zweite Halbjahr 2012 trotz des leichten Anstiegs
im Juni auf 2,2 Prozent eine Teuerung von knapp unter der 2-Prozent-Grenze. Für den Jahresdurchschnitt 2012
dürfte sich damit ein Wert von 2,0 Prozent ergeben und für 2013 erwarten wir mit 1,8 Prozent sogar eine
Inflation unter der 2-Prozent-Grenze“, so Bruckbauer. Allerdings wird ein darüber hinaus gehender Inflationsrückgang
nach Einschätzung der Ökonomen der Bank Austria bald durch den starken Anstieg der Rohstoffpreise in
den vergangenen Wochen verhindert. Die kräftigsten Preissteigerungen gab es seit Anfang Juni bei den Agrarrohstoffen
mit einem Plus um 30 Prozent bei Mais als Spitzenwert. Während die Preise für Metalle praktisch unverändert
blieben, hat jüngst auch wieder der Ölpreis angezogen. Vom Jahrestief von knapp über 90 USD pro
Barrel Ende Juni hat der Ölpreis die 100-Dollar-Grenze zwischenzeitlich wieder überschritten, ist damit
jedoch noch weit vom Jahreshoch von über 125 US-Dollar entfernt.
Anders als in den vergangenen Wochen, als der Fokus überwiegend auf den Agrarrohstoffen lag, ist im zweiten
Halbjahr mit einem Preisauftrieb bei Edelmetallen und Energie zu rechnen, da beträchtliche Risiken auf der
Angebotsseite bestehen. Dazu zählen zunehmende Spannungen im Nahen Osten nach Beginn des Ölembargos gegen
den Iran am 1. Juli und die laufende Hurrikansaison in den USA. Durch hohe Lagerbestände der Industrieländer
sind die Aufwärtsrisiken jedoch begrenzt, was die Inflation trotzdem in den kommenden Monaten in Zaum halten
wird. |