122 Gesetzesbeschlüsse, deutlich mehr Sitzungen, über 3.000 Anfragen
Wien (pk) - Der Nationalrat ist im heurigen Parlamentsjahr zu deutlich mehr Sitzungen zusammengetreten
als in den vergangenen zehn Jahren. Das zeigt die Bilanz der heute zu Ende gehenden Tagungsperiode 2011/12. Gleich
neun Mal wurden die Abgeordneten abseits des regulären Arbeitsplans kurzfristig zu Sitzungen einberufen, davon
fünf Mal auf Verlangen der Opposition. Anlass dafür waren etwa das von der Regierung eingebrachte Sparpaket
und die Beschlussfassung des Transparenzpakets. Viel Zusatzarbeit hatten die Abgeordneten auch durch den im Oktober
eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Prüfung von Korruptionsvorwürfen: erhielt 42 Sitzungen ab und
wird, wie der Budgetausschuss, auch in der Sommerpause tagen.
Insgesamt traten die Abgeordneten in dieser Tagungsperiode zu 53 Plenarsitzungen (2010/11: 39) mit einer Gesamtdauer
von 308 Stunden und 49 Minuten zusammen. Dabei verabschiedeten sie 122 Gesetze (2010/11: 96) und genehmigten 34
Staatsverträge sowie 6 Vereinbarungen mit den Bundesländern. 22 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs
und der Volksanwaltschaft wurden in Verhandlung genommen. Dazu kommen 185 Ausschuss- und Unterausschusssitzungen
sowie deutlich mehr als 3.000 schriftliche Anfragen an die Bundesregierung. 32 % der Gesetzesbeschlüsse fielen
einstimmig.
Das zentrale politische Thema in der Tagung 2011/2012 war, neben den im Untersuchungsausschuss thematisierten Korruptionsvorwürfen,
die EU-weite Finanz- und Schuldenkrise. Die Abgeordneten stimmten nicht nur der Aufstockung des österreichischen
Haftungsanteils am Euro-Rettungsschirm EFSF und der Beteiligung am dauerhaften Euro-Schutzschirm ESM zu, sie schnürten
auch ein innerstaatliches Maßnahmenbündel zur Budgetkonsolidierung und stimmten für die gesetzliche
Verankerung einer Schuldenbremse. Mit dem knapp 100 Gesetzesänderungen umfassenden Sparpaket wurden etwa der
Zugang zur Frühpension erheblich erschwert und eine befristete Solidarabgabe für SpitzenverdienerInnen
eingeführt.
Begleitet wurden die Beschlüsse von lebhaften Diskussionen über die Zweckmäßigkeit weiterer
Finanzhilfen für angeschlagene EU-Staaten, zielführende Maßnahmen auf EU-Ebene zur Bewältigung
der aktuellen Krise, die Macht von Ratingagenturen, notwendige Strukturreformen in Österreich sowie die gerechte
Verteilung von Steuerbelastungen und Förderungen.
Auf die bisherigen Ergebnisse des Untersuchungsausschusses reagierte der Nationalrat mit der Verabschiedung eines
aus mehreren Gesetzen bestehenden Transparenzpakets. Neben einer Verschärfung des Korruptionsstrafrechts und
der Einrichtung eines Lobbyistenregisters ist auch vorgesehen, größere Parteispenden künftig offenzulegen,
Parteien zu umfassenden Rechenschaftsberichten zu verpflichten und Nebeneinkünfte von Abgeordneten in fünf
Kategorien zu veröffentlichen. Außerdem gelten seit Anfang Juli strikte Beschränkungen für
Regierungsinserate. Dass gleichzeitig mit dem Transparenzpaket die Parteienförderung erhöht wurde, stieß
bei der Opposition auf massive Kritik.
Zuletzt verstärkt diskutiert wurde auch über einen Ausbau der direkten Demokratie in Österreich.
Unter anderem wird in einer von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eingerichteten Arbeitsgruppe über
den von verschiedenen Seiten eingebrachten Vorschlag diskutiert, besonders erfolgreiche Volksbegehren automatisch
einer Volksabstimmung zu unterziehen.
Ein kleiner Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung wurde bereits gesetzt. Seit Oktober vergangenen Jahres können
Petitionen und Bürgerinitiativen auf der Website des Parlaments elektronisch unterstützt werden. Auf
diesem Weg gelang es einer Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung über 100.000 Unterschriften zu sammeln.
Auch für die Einbringung Europäischer Bürgerinitiativen wurden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen.
Beschlossen wurde vom Nationalrat in diesem Parlamentsjahr neben dem Konsolidierungs- und dem Transparenzpaket
auch eine grundlegende Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden,
die Einführung eines Bundesamts für Asyl- und Fremdenwesen, die Aufwertung der Volksanwaltschaft zur
zentralen Anlaufstelle für Foltervorwürfe, ein eigenes Klimaschutzgesetz zur koordinierten Vorgangsweise
von Bund und Ländern sowie verschiedene Reformschritte im Bildungsbereich wie die Einführung der modularen
Oberstufe und die Überführung der Neuen Mittelschule in das Regelschulwesen. Dazu kommen zahlreiche weitere
punktuelle Gesetzesänderungen, wobei die Einfügung der "Töchter" in die österreichische
Bundeshymne für besondere Aufregung sorgte. Zusätzlichen Schwung in die Bildungsdebatte brachte das Bildungs-Volksbegehren.
Wiederholte Diskussionen wurden auch über die von der Regierung angekündigte Verkleinerung des Nationalrats,
Personalentscheidungen im ORF, die geplante EU-Agrarreform, ständig steigende Spritpreise, Ermittlungspannen
im Fall Kampusch und die von den Grünen geforderte Abwahl des Dritten Nationalratspräsidenten Martin
Graf geführt.
9 Dringliche Anfragen, 8 Aktuelle Stunden, 9 Misstrauensanträge
Im Rahmen der Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten 8 Aktuelle Stunden, 4 Aktuelle Europastunden und 7 Fragestunden
mit 49 Fragen und 199 Zusatzfragen ab. Dazu kommen 7 Erklärungen von Regierungsmitgliedern. 19 Gesetzesanträge,
darunter das Budget 2012 und das Bundesfinanzrahmengesetz 2013-2016, wurden in Erste Lesung genommen. In 73 Entschließungen
erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat.
Auf Verlangen der Opposition nahm der Nationalrat 9 Dringliche Anfragen (4 F, 3 G, 2 B) sowie 7 Dringliche Anträge
(4 B, 2 G, 1 F) in Verhandlung und hielt 17 Kurze Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen der Regierung,
Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab.
Insgesamt neun Mal versuchten FPÖ und BZÖ durch einen Misstrauensantrag den Rücktritt eines Regierungsmitglieds
bzw. der Bundesregierung zu erzwingen, jeweils ohne Erfolg. Vor allem Bundeskanzler Werner Faymann stand unter
Beschuss, er musste sich vier Mal dem Vertrauensvotum stellen. Die weiteren Misstrauensanträge richteten sich
gegen Finanzministerin Maria Fekter (zweimal), Verteidigungsminister Norbert Darabos, Justizministerin Beatrix
Karl sowie in einem Fall gegen die gesamte Bundesregierung.
Von den neun außerplanmäßigen Sitzungen des Nationalrats in dieser Tagung fanden zwei auf gemeinsames
Verlangen der Opposition sowie je eine auf Verlangen der FPÖ, der Grünen und des BZÖ statt. Dazu
kommen vier von den Regierungsparteien initiierte kurzfristig einberufene Plenarsitzungen. Thematisch ging es um
die im Untersuchungsausschuss zur Diskussion stehenden Korruptionsvorwürfe, den Euro-Rettungsschirm und andere
EU-Initiativen zur Bewältigung der aktuellen Finanzkrise, die Ausweitung der direkten Demokratie und das von
der Regierung vorgelegte Sparpaket.
154 Ausschusssitzungen, 42 Sitzungen des Untersuchungsausschusses
Zu den Plenarsitzungen kommen 154 Ausschusssitzungen und 31 Sitzungen von Unterausschüssen. Dabei befassten
sich die Abgeordneten auch mit 50 Berichten der Regierung und nahmen diese zur Kenntnis. |