Nationalrat: Bilanz der Tagungsperiode 2011/2012   

erstellt am
16. 07. 12

122 Gesetzesbeschlüsse, deutlich mehr Sitzungen, über 3.000 Anfragen
Wien (pk) - Der Nationalrat ist im heurigen Parlamentsjahr zu deutlich mehr Sitzungen zusammengetreten als in den vergangenen zehn Jahren. Das zeigt die Bilanz der heute zu Ende gehenden Tagungsperiode 2011/12. Gleich neun Mal wurden die Abgeordneten abseits des regulären Arbeitsplans kurzfristig zu Sitzungen einberufen, davon fünf Mal auf Verlangen der Opposition. Anlass dafür waren etwa das von der Regierung eingebrachte Sparpaket und die Beschlussfassung des Transparenzpakets. Viel Zusatzarbeit hatten die Abgeordneten auch durch den im Oktober eingesetzten Untersuchungsausschuss zur Prüfung von Korruptionsvorwürfen: erhielt 42 Sitzungen ab und wird, wie der Budgetausschuss, auch in der Sommerpause tagen.

Insgesamt traten die Abgeordneten in dieser Tagungsperiode zu 53 Plenarsitzungen (2010/11: 39) mit einer Gesamtdauer von 308 Stunden und 49 Minuten zusammen. Dabei verabschiedeten sie 122 Gesetze (2010/11: 96) und genehmigten 34 Staatsverträge sowie 6 Vereinbarungen mit den Bundesländern. 22 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft wurden in Verhandlung genommen. Dazu kommen 185 Ausschuss- und Unterausschusssitzungen sowie deutlich mehr als 3.000 schriftliche Anfragen an die Bundesregierung. 32 % der Gesetzesbeschlüsse fielen einstimmig.

Das zentrale politische Thema in der Tagung 2011/2012 war, neben den im Untersuchungsausschuss thematisierten Korruptionsvorwürfen, die EU-weite Finanz- und Schuldenkrise. Die Abgeordneten stimmten nicht nur der Aufstockung des österreichischen Haftungsanteils am Euro-Rettungsschirm EFSF und der Beteiligung am dauerhaften Euro-Schutzschirm ESM zu, sie schnürten auch ein innerstaatliches Maßnahmenbündel zur Budgetkonsolidierung und stimmten für die gesetzliche Verankerung einer Schuldenbremse. Mit dem knapp 100 Gesetzesänderungen umfassenden Sparpaket wurden etwa der Zugang zur Frühpension erheblich erschwert und eine befristete Solidarabgabe für SpitzenverdienerInnen eingeführt.

Begleitet wurden die Beschlüsse von lebhaften Diskussionen über die Zweckmäßigkeit weiterer Finanzhilfen für angeschlagene EU-Staaten, zielführende Maßnahmen auf EU-Ebene zur Bewältigung der aktuellen Krise, die Macht von Ratingagenturen, notwendige Strukturreformen in Österreich sowie die gerechte Verteilung von Steuerbelastungen und Förderungen.

Auf die bisherigen Ergebnisse des Untersuchungsausschusses reagierte der Nationalrat mit der Verabschiedung eines aus mehreren Gesetzen bestehenden Transparenzpakets. Neben einer Verschärfung des Korruptionsstrafrechts und der Einrichtung eines Lobbyistenregisters ist auch vorgesehen, größere Parteispenden künftig offenzulegen, Parteien zu umfassenden Rechenschaftsberichten zu verpflichten und Nebeneinkünfte von Abgeordneten in fünf Kategorien zu veröffentlichen. Außerdem gelten seit Anfang Juli strikte Beschränkungen für Regierungsinserate. Dass gleichzeitig mit dem Transparenzpaket die Parteienförderung erhöht wurde, stieß bei der Opposition auf massive Kritik.

Zuletzt verstärkt diskutiert wurde auch über einen Ausbau der direkten Demokratie in Österreich. Unter anderem wird in einer von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eingerichteten Arbeitsgruppe über den von verschiedenen Seiten eingebrachten Vorschlag diskutiert, besonders erfolgreiche Volksbegehren automatisch einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Ein kleiner Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung wurde bereits gesetzt. Seit Oktober vergangenen Jahres können Petitionen und Bürgerinitiativen auf der Website des Parlaments elektronisch unterstützt werden. Auf diesem Weg gelang es einer Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung über 100.000 Unterschriften zu sammeln. Auch für die Einbringung Europäischer Bürgerinitiativen wurden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen.

Beschlossen wurde vom Nationalrat in diesem Parlamentsjahr neben dem Konsolidierungs- und dem Transparenzpaket auch eine grundlegende Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden, die Einführung eines Bundesamts für Asyl- und Fremdenwesen, die Aufwertung der Volksanwaltschaft zur zentralen Anlaufstelle für Foltervorwürfe, ein eigenes Klimaschutzgesetz zur koordinierten Vorgangsweise von Bund und Ländern sowie verschiedene Reformschritte im Bildungsbereich wie die Einführung der modularen Oberstufe und die Überführung der Neuen Mittelschule in das Regelschulwesen. Dazu kommen zahlreiche weitere punktuelle Gesetzesänderungen, wobei die Einfügung der "Töchter" in die österreichische Bundeshymne für besondere Aufregung sorgte. Zusätzlichen Schwung in die Bildungsdebatte brachte das Bildungs-Volksbegehren.

Wiederholte Diskussionen wurden auch über die von der Regierung angekündigte Verkleinerung des Nationalrats, Personalentscheidungen im ORF, die geplante EU-Agrarreform, ständig steigende Spritpreise, Ermittlungspannen im Fall Kampusch und die von den Grünen geforderte Abwahl des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf geführt.

9 Dringliche Anfragen, 8 Aktuelle Stunden, 9 Misstrauensanträge
Im Rahmen der Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten 8 Aktuelle Stunden, 4 Aktuelle Europastunden und 7 Fragestunden mit 49 Fragen und 199 Zusatzfragen ab. Dazu kommen 7 Erklärungen von Regierungsmitgliedern. 19 Gesetzesanträge, darunter das Budget 2012 und das Bundesfinanzrahmengesetz 2013-2016, wurden in Erste Lesung genommen. In 73 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat.

Auf Verlangen der Opposition nahm der Nationalrat 9 Dringliche Anfragen (4 F, 3 G, 2 B) sowie 7 Dringliche Anträge (4 B, 2 G, 1 F) in Verhandlung und hielt 17 Kurze Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab.

Insgesamt neun Mal versuchten FPÖ und BZÖ durch einen Misstrauensantrag den Rücktritt eines Regierungsmitglieds bzw. der Bundesregierung zu erzwingen, jeweils ohne Erfolg. Vor allem Bundeskanzler Werner Faymann stand unter Beschuss, er musste sich vier Mal dem Vertrauensvotum stellen. Die weiteren Misstrauensanträge richteten sich gegen Finanzministerin Maria Fekter (zweimal), Verteidigungsminister Norbert Darabos, Justizministerin Beatrix Karl sowie in einem Fall gegen die gesamte Bundesregierung.

Von den neun außerplanmäßigen Sitzungen des Nationalrats in dieser Tagung fanden zwei auf gemeinsames Verlangen der Opposition sowie je eine auf Verlangen der FPÖ, der Grünen und des BZÖ statt. Dazu kommen vier von den Regierungsparteien initiierte kurzfristig einberufene Plenarsitzungen. Thematisch ging es um die im Untersuchungsausschuss zur Diskussion stehenden Korruptionsvorwürfe, den Euro-Rettungsschirm und andere EU-Initiativen zur Bewältigung der aktuellen Finanzkrise, die Ausweitung der direkten Demokratie und das von der Regierung vorgelegte Sparpaket.

154 Ausschusssitzungen, 42 Sitzungen des Untersuchungsausschusses
Zu den Plenarsitzungen kommen 154 Ausschusssitzungen und 31 Sitzungen von Unterausschüssen. Dabei befassten sich die Abgeordneten auch mit 50 Berichten der Regierung und nahmen diese zur Kenntnis.
     
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