Max-Planck-Forscher entdecken eine neue Grundlage für Nervenstammzell-Aktivität
Dresden (idw) - Die Großhirnrinde, also der Teil des Säugetier-Gehirns, der für höhere
kognitive Leistungen verantwortlich ist, weist bei verschiedenen Spezies drastische Unterschiede in ihrer relativen
Größe auf. So ist die Großhirnrinde der Maus relativ klein und ungefaltet, während die Großhirnrinde
des Menschen – bezogen auf die Körpergröße – um ein Vielfaches größer ist und nur gefaltet
in die Schädelhöhle passt. Diese Größenunterschiede sind das Ergebnis der höchst unterschiedlichen
Aktivität von Nervenstammzellen, also jener Zellen, die die Nervenzellen unseres Gehirns produzieren. So durchlaufen
die Nervenstammzellen in der sich entwickelnden Großhirnrinde des Menschen deutlich mehr Zellteilungen als
die der Maus, und produzieren entsprechend sehr viel mehr Nervenzellen. Was aber liegt dieser Fähigkeit zur
wiederholten Zellteilung zugrunde?
Um hier erste Einsichten zu gewinnen, haben Forscher um Wieland Huttner vom Dresdner Max-Planck-Institut für
Molekulare Zellbiologie und Genetik und um Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre
Anthropologie in einer Kooperation erstmals die in den Nervenstammzellen der fötalen menschlichen Großhirnrinde
aktiven Gene identifiziert und mit denen der Maus verglichen. Frühere Arbeiten der Dresdner Max-Planck Forscher
hatten nahegelegt, dass die sogenannte Extrazellulärmatrix, die quasi eine Art Nährboden für Zellen
darstellt, auch für die Fähigkeit zur wiederholten Zellteilung von Nervenstammzellen von zentraler Bedeutung
ist. Umso überraschender sind nun die Befunde der Dresden-Leipzig Max-Planck-Kooperation: Im Gegensatz zu
den Nervenstammzellen der Maus, von denen nur ein Teil über einen langen Zellfortsatz Zugang zu diesem Nährboden
hat, produzieren praktisch alle Nervenstammzellen des Menschen diesen Nährboden einfach lokal selbst und halten
damit ihre Fähigkeit zur wiederholten Zellteilung aufrecht – Selbst-Stimulation von Nervenstammzellen als
eine mögliche Grundlage der evolutionären Expansion der Großhirnrinde. (PNAS, 2. Juli 2012)
Originalveröffentlichung:
Simone A. Fietz, Robert Lachmann, Holger Brandl, Martin Kircher, Nikolay Samusik, Roland Schröder, Naharajan
Lakshmanaperumal, Ian Henry, Johannes Vogt, Axel Riehn, Wolfgang Distler, Robert Nitsch, Wolfgang Enard, Svante
Pääbo, Wieland B. Huttner:
Transcriptomes of germinal zones of human and mouse fetal neocortex suggest a role of extracellular matrix in progenitor
self-renewal
PNAS, 2. Juli 2012 (Early Edition) doi: 10.1073/pnas.1209647109 |