IV-GS Neumayer: Starker industrieller Kern trägt Österreichs Wirtschaft – IV-Chefökonom
Helmenstein: Moderate Frühjahrsbelebung in schwierigem Umfeld – Heimische Wirtschaft übertrifft Durchschnitt
der Eurozone deutlich
Wien (pdi) - Die Belebung der Weltwirtschaft hat die erste Hälfte des heurigen Jahren nicht
überdauert. Nach einem verhaltenen Jahresbeginn wurde bis dato eine sich im weiteren Jahresverlauf festigende
konjunkturelle Dynamik erwartet. Diese Einschätzung hat sich in den letzten Wochen umgekehrt. Nach einem gegenüber
dem Jahresauftaktquartal schwächeren zweiten und dritten Quartal lässt erst das vierte Quartal eine konjunkturelle
Belebung erwarten, so die zentralen Ergebnisse des aktuellen Konjunkturbarometers der Industriellenvereinigung
(IV) aus dem 2. Quartal 2012.
„Die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten in der Eurozone lasten schwer auf der konjunkturellen Dynamik. Zumindest
bis in den Herbst hinein ist mit einem schwachen Wachstum der österreichischen Wirtschaft am Rande der Stagnation
zu rechnen. Die Konjunktur holt derzeit Luft“, fasst der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV),
Mag. Christoph Neumayer, das Hauptergebnis der IV-Konjunkturumfrage im 2. Quartal 2012 zusammen. „Dennoch hebt
sich die österreichische Wirtschaft damit, getragen von ihrem starken industriellen Kern, weiterhin positiv
vom Durchschnitt der Eurozone ab, welche unter einer abermals schrumpfenden Wirtschaft leidet.“
Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage
und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, reflektiert den Umschwung und fällt von +25 Punkten
im ersten auf +17 Punkte im zweiten Quartal 2012 zurück.
Die Ergebnisse im Detail
„Die Weltwirtschaft tendierte in den vergangenen Monaten zur Schwäche. Zwar hat sich die Wirtschaft
in den USA knapp oberhalb der Stagnation erholt, doch geht die Erholung am dortigen Arbeitsmarkt größtenteils
vorbei“, so IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein. Auch in China halte die Abschwächung des Wirtschaftswachstums
an, sodass die chinesische Geldpolitik binnen kurzer Frist auf ein expansives geldpolitisches Regime umgeschwenkt
sei.
„Ein ausnehmend gutes erstes Quartal für die deutsche Wirtschaft rettete der Eurozone im statistischen Ausweis
zunächst zwar noch eine Stagnation. Die Ergebnisse für das zweite Quartal werden hingegen markant darunter
liegen. Ursächlich hierfür ist allerdings weniger die anhaltende Abschwächung des weltwirtschaftlichen
Umfeldes als vielmehr die wachsende Sorge bezüglich der institutionellen Stabilität der gemeinsamen europäischen
Währung, welche den intraeuropäischen Handel lähmt“, erklärte Helmenstein. Neben der fortbestehenden
Risikoaversion hemme gleichzeitig eine unzureichende Verfügbarkeit von Finanzmitteln die Investitionstätigkeit
in einigen Ländern der Eurozone.
In Österreich berichten trotz des zunehmenden konjunkturellen Gegenwindes 41 Prozent der Unternehmen von einem
guten Geschäftsverlauf. Mit einem dezidiert schlechten Geschäftsgang waren hingegen nur 7 Prozent der
Unternehmen konfrontiert, sodass die Einschätzung der derzeitigen Geschäftslage in der Industrie mit
+34 Punkten weiterhin potenzialkompatibel ausfällt.
Die deutlich zurückhaltende Einschätzung des weiteren Konjunkturverlaufs bringt die Erwartungskomponente
mit Sechs-Monats-Horizont zum Ausdruck, welche sich von +11 Punkten auf -1 Punkt verschlechtert.
Die für den weiteren Konjunkturverlauf besonders wichtigen Auftragsbestände stabilisieren sich auf einem
mit einer Normalauslastung korrespondieren Niveau – der betreffende Saldo stieg geringfügig von +35 Punkten
auf +39 Punkte. Diese Verbesserung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Unternehmen
mit einem unzureichenden Auftragsbestand im vergangenen Quartal von 9 Prozent auf 6 Prozent zurückgegangen
ist. Die schwache Importnachfrage aus weiten Teilen Europas schlägt sich bei dem Saldo der Auslandsaufträge
stärker nieder – anders als bei den Gesamtauftragsbeständen bildet sich der Saldo hier marginal von +32
Punkten auf +31 Punkte zurück. Vor dem Hintergrund der zuletzt sehr schwachen Entwicklung des Außenwertes
der europäischen Gemeinschaftswährung sollte der Auftragseingang aus dem Ausland in den kommenden Monaten
hingegen wieder positive Impulse empfangen.
Dementsprechend gestalten die Unternehmen ihre Produktionsplanung auf Sicht der nächsten drei Monate weiterhin
vorsichtig. In saisonbereinigter Betrachtung bildet sich der Saldo für die Ausbringungsmenge zwar von +10
Punkten auf +7 Punkte zurück, doch impliziert dies eine weiterhin, wenngleich äußerst schwach wachsende
Industrieproduktion.
Im Einklang damit bildet sich der Saldo des Beschäftigtenstandes auf Sicht von drei Monaten, welcher der konjunkturellen
Dynamik grundsätzlich nachläuft, von +14 Punkten auf +8 Punkte zurück. Angesichts des Fachkräftemangels
halten knapp drei Viertel der Unternehmen trotz der schwachen Konjunkturdynamik ihren Beschäftigtenstand aufrecht.
Knapp ein Fünftel der Unternehmen plant, weitere Beschäftigte aufzunehmen, während jedes zehnte
Unternehmen die Anzahl der Beschäftigten zu verringern vorhat.
Bei der Ertragslage wirken die Rückgänge bei Rohstoff-, Rohöl- und Vorproduktpreisen derzeit stabilisierend.
Der betreffende Saldo verbessert sich geringfügig von +13 Punkten auf +16 Punkte. Mit Blick auf den Sechs-Monats-Horizont
gerät die Ertragslage allerdings unter erheblichen Druck – der Saldo fällt auf -1 Punkt nach zuvor +17
Punkten. Hier schlägt die markante Korrektur der auf Sicht des nächsten Quartals zu erwartenden Verkaufspreise
durch, sodass erstmals seit neun Quartalen wieder sinkende Absatzpreise (Saldo -6 nach +9 im Vorquartal) zu erwarten
sind.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 436 Unternehmen mit rund 284.800
Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden
drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver
und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet. |