Nach gutem Start ins Jahr wächst Bauwirtschaft wieder langsamer   

erstellt am
23. 07. 12

Produktionswachstum sinkt von 4,8 Prozent 2011 auf maximal 3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2012, Produktionswert erreicht damit 30 Milliarden Euro
Wien (bank austria) - Die gute Nachricht: Österreichs Bauwirtschaft konnte 2011 rezessionsbedingte Einbußen vollständig ausgleichen. So stieg die Bauproduktion im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent nominell auf 29,1 Milliarden Euro an – und damit wieder über das Vorkrisenniveau. Die schlechte Nachricht: Diese positive Entwicklung ist nicht von Dauer. Zwar war die Baukonjunktur im ersten Halbjahr 2012 noch lebhaft, aufgrund der wirtschaftlichen Eintrübung wird sie aber bis zum Jahresende wieder an Tempo verlieren. Im Jahresdurchschnitt sollte noch ein Produktionszuwachs im Bereich von 2 bis 3 Prozent nominell möglich sein. Preisbereinigt bleibt davon allerdings nur mehr ein Plus von knapp einem Prozent übrig. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Branchenbericht der Bank Austria Ökonomen zur Bauwirtschaft.

Dabei hatte das Baujahr 2012 so vielversprechend begonnen: Die Branche verbuchte im ersten Halbjahr ein stabiles Wachstum, wie die vollen Auftragsbücher Ende März und der Optimismus der Bauunternehmer unter Beweis stellten. Witterungsbedingte Arbeitsausfälle im Februar wurden rasch wieder nachgeholt, die Produktionsleistung stieg im ersten Quartal noch um kräftige 8 Prozent und die Beschäftigung nahm im gesamten Halbjahr um 1,1 Prozent zu. Allerdings wurden die Wachstumsraten im Zeitablauf immer schwächer; zudem sind die Arbeitslosenzahlen im ersten Halbjahr um rund 7 Prozent gestiegen. In Summe steht eine deutliche Verlangsamung der Baukonjunktur in der zweiten Jahreshälfte 2012 bevor. „Das moderate Branchenwachstum sollte aber ausreichen, damit der Produktionswert der Bauwirtschaft im laufenden Jahr die 30-Milliarden-Euro-Grenze erreicht“, sagt Bank Austria Ökonom Günther Wolf.

Auf Spartenebene werden die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen: „Der Wohnungsneubau verliert 2012 zwar auch an Schwung, die Produktionsleistung steigt aber immerhin noch um etwa 6 Prozent an. Hingegen werden der Wirtschaftsbau wie die Hochbausanierungen deutlich langsamer als im Vorjahr wachsen, voraussichtlich im Bereich von 2 Prozent beziehungsweise 4 Prozent. Und im Tiefbau ist das vierte Jahr in Folge mit einem Produktionsrückgang zu rechnen“, fasst Günter Wolf kurz zusammen.

Wohnungsneubau wächst 2012 weiter
Der Wohnungsneubau ist in Österreich im ersten Quartal 2012 um rund 20 Prozent gestiegen und wird – dem allgemeinen Trend entsprechend – im weiteren Jahresverlauf wieder an Dynamik verlieren. Dennoch sollte im Jahresdurchschnitt ein Plus im Bereich von 6 bis 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr realisiert werden. Günter Wolf: „Die Nachfrage nach neuen Wohnungen bleibt 2012 aufgrund wachsender Realeinkommen privater Haushalte und anhaltend günstiger Finanzierungsbedingungen lebhaft. Zudem sind die hohen Preissteigerungen am heimischen Wohnungsmarkt ein Hinweis auf einen schon bestehenden Nachfrageüberhang in einzelnen Marktsegmenten.“ In den letzten zwei Jahren sind die Preise für Wohnimmobilien in Wien um jeweils 8 Prozent, im restlichen Österreich um 5 Prozent gestiegen. Im ersten Quartal 2012 beschleunigte sich dieser Preisanstieg noch auf durchschnittlich 10 Prozent am Wiener Immobilienmarkt und auf 11 Prozent im restlichen Bundesgebiet. „Hintergrund des massiven Anstieges der Immobiliennachfrage ist vor allem die Suche nach alternativen Veranlagungsmöglichkeiten privater Investoren, auch als Folge der Verunsicherung am Finanzmarkt. Vor dem Hintergrund der sehr schwachen Preisentwicklung vor dem Jahr 2005 ist der starke Anstieg der letzten Jahre nicht als Blase zu bezeichnen“, so Wolf über die aktuellen Entwicklungen am Immobilienmarkt.

Konjunkturschwäche bremst die Investitionsneigung im Unternehmenssektor
Der Bau neuer Büro-, Geschäfts- und Industriegebäude sowie der Bau von öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Krankenhäusern – zusammengefasst als Wirtschaftsbau – wird im weiteren Jahresverlauf 2012 seinen Schwung der ersten Monate vermutlich zur Gänze verlieren. Die Auftragsbestände der Sparte sind schon im ersten Quartal deutlich gesunken. Dabei fehlen nicht nur Wachstumsimpulse von der Industrie. „Der Wirtschaftsbau leidet erheblich unter der schwachen Investitionsneigung der Unternehmen. Wie die Investitionsbefragung vom Frühjahr zeigt, plant die Industrie, ihre Gebäudeinvestitionen 2012 um 16 Prozent einzuschränken. Zudem ist damit zu rechnen, dass der Büroneubau nach den Rekorden der letzten zwei Jahre nun wieder schwächer wird“, so Wolf über die Entwicklung in der Bausparte. Weitere Gründe für die sehr zurückhaltende Dynamik in diesem Bereich sind – neben der allgemeinen wirtschaftlichen Eintrübung und den negativen Effekten auf die Investitionsneigung der Privatwirtschaft – die Budgetrestriktionen der Gebietskörperschaften. Immerhin trägt der Neubau öffentlicher Gebäude knapp ein Drittel zum 3 Milliarden Euro hohen Produktionswert der Sparte bei. Die Nachfrage nach Sanierungsleistungen wird hingegen sowohl im Wirtschaftsbau wie im Wohnbau weiter zulegen.

Tiefbau bleibt in Abwärtsspirale – keine Besserung in Sicht
Der Tiefbauboom im vergangenen Jahrzehnt erreichte 2008 seinen Höhepunkt. Seitdem schrumpft die Spartenproduktion. Auch 2011 wurde der Abwärtstrend trotz der sehr guten Konjunkturentwicklung nicht gestoppt: Die Tiefbauproduktion ist um weitere 3 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro eingebrochen, insgesamt seit 2008 bereits um 25 Prozent. „Auch in diesem Jahr wird der Tiefbau die positive Trendwende nicht bewerkstelligen können. Im Jahresdurchschnitt muss man mit einem weiteren Produktionsminus von etwa 1 bis 2 Prozent rechnen. Der hohe Auftragzuwachs im ersten Quartal, der dem Tunnelbau zuzuschreiben ist, wird in der zweiten Jahreshälfte wieder verebben“, so Wolf über die anhaltend negative Entwicklung dieser Sparte. Die Unternehmen im Straßenbau – der größten Tiefbausparte – konnten die hohen Kostensteigerungen von durchschnittlich 5,5 Prozent von Anfang 2011 bis inklusive Mai dieses Jahres nicht in ihren Preisen weitergeben. Ein klarer Hinweis auf die angespannte Ertragslage und weiterhin unausgelastete Kapazitäten.

Für wenigstens 60 Prozent der Produktionsleistung des Tiefbaus sorgen öffentliche Aufträge; insofern werden sich die erweiterten Sparmaßnahmen im Stabilitätspakt 2011 in der Produktionsstatistik deutlich niederschlagen. Die Investitionen in die Bahninfrastruktur sind in der Periode 2012 bis 2017 in Summe um rund 7 Prozent geringer geplant als in der letzten Planungsperiode vorgesehen. Die Straßenbauinvestitionen werden um beinahe 25 Prozent reduziert. Darüber hinaus kann der Tiefbau in den nächsten Jahren auch keine Wachstumsimpulse vonseiten der Energie- und Wasserversorger und der Telekomindustrie erwarten. Einerseits zwingt der hohe Preis- und Ertragsdruck die Mobilfunkanbieter, Investitionen aufzuschieben. Andererseits plant die Energie-Wirtschaft zwar einen kontinuierlichen Investi­tions­strom in den nächsten Jahren, dieser wird allerdings nur wenig über den Investitions­ausgaben der letzten Jahre liegen. „Aufgrund der aktuell ungünstigen Rahmenbedingungen ist noch kein Licht am Ende des ‚Tiefbau-Tunnels’ ersichtlich“, so Wolf abschließend.
     
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