Maßnahmen für veränderte Bedingungen erarbeitet
Wien (bmlfuw/aiz) - Angesichts vergangener globaler und heimischer Wetterextreme lässt sich
der stattfindende Klimawandel nicht mehr leugnen. Die EU hat den Mitgliedstaaten deshalb aufgetragen, eine Anpassungsstrategie
zum Klimawandel zu erarbeiten. Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich hat diesen Fahrplan am
20.07. gemeinsam mit Experten in Wien präsentiert. "Klimawandel geht uns alle an, wie uns das Wetter
heuer in Österreich bereits gezeigt hat. Von Frost, Hitze, Dürre über Hochwasser haben sämtliche
meteorologische Extremereignisse ihre Register gezogen. Für die Zukunft werden vermehrt Trockenperioden mit
ausgeprägten Hitzetagen prognostiziert. Österreich hat deshalb als eines der ersten EU-Mitgliedstaaten
eine konkrete Anpassungsstrategie zum Klimawandel vorlegt und ist damit auf dem besten Weg wieder eine EU-weite
Vorreiterrolle einzunehmen", erklärte Berlakovich.
Im Detail basiert die Strategie auf zwei Säulen. Einerseits sollen Maßnahmen zur Bekämpfung des
Klimawandels gesetzt werden, wie zum Beispiel die Forcierung von Alternativen zu fossilen Energieträgern wie
Öl oder Gas. Andererseits sollen entsprechende Anpassungen den Umgang mit Klimaänderungen erleichtern.
Fragen wie sich der Klimawandel bemerkbar macht, wie darauf reagiert wird und welche Vorbereitungen dazu getroffen
werden können, standen dabei im Mittelpunkt der Ausarbeitungen. Insgesamt haben rund 100 heimische Institutionen
aus den Bereichen Gesundheit, Tourismus, Landwirtschaft, Umwelt und Wissenschaft an der konkreten Strategie mitgewirkt.
Adaptionen in der Landwirtschaft werden nötig
"Klimawandel wird immer stärker bemerkbar. Es gilt Schäden abzuwehren und rechtzeitig Vorbereitungen
zu treffen. Eine Berücksichtigung im politischen Planungs- und Entscheidungsprozess ist deshalb unabdinglich",
so Berlakovich. Für die Landwirtschaft würden längere Trockenperioden zunehmende Belastungen für
Nutztiere und Kulturpflanzen bedeuten. Stallbauten mit entsprechenden Belüftungen sowie geänderte pflanzenbauliche
Anbaumethoden und eine schonendere Bewässerung müssten deshalb in Betracht gezogen werden, erklärt
der Minister. Adäquate Investitionsprogramme sollen die Landwirte dabei unterstützen.
Weltweit hat sich die durchschnittliche Temperatur in den letzten 150 Jahren um 0,8°C erhöht. In Österreich
wäre die Erwärmung mit mittleren 2°C stärker ausgeprägt gewesen, erläuterte Helga
Kromp-Kolb, Leiterin des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für
Bodenkultur Wien. Sie wies auf eine deutliche Verschiebung der Häufigkeitsverteilungen hin. So treten hohe
Temperaturen in Österreich rund zwei Wochen früher im Jahr auf, was bei vielen Menschen das Gefühl
des verlorenen Frühlings hervorrufe. Auch die Vegetation erwacht eher und ist einer zunehmenden Frostgefahr
ausgesetzt, weil noch kühle Kontinentalluft nachströmt. Durch die Erwärmung gehe auch die nächtliche
Abkühlung verloren. Auswirkungen würden sich vor allem im Weinbau bemerkbar machen. "Wurde bis 1985
der Wärmebedarf der Rebstöcke nur knapp abgedeckt, war es bis zum Jahr 2000 optimal und jetzt ist es
bereits zu heiß", so Kromp-Kolb. Die Winzer würden bereits darauf reagieren und anderen Sorten
sowie Ungunstlagen teilweise den Vorzug geben. Im Bereich der Niederschläge arbeitet die Wissenschafterin
mit ihrem Team an einem engmaschigeren meteorologischen Netz, damit auch kleinräumige Wetterphänomene
wie zum Beispiel Gewitter durchgängig erfasst werden können.
Mit der Natur und nicht dagegen
"Österreich hat bereits ein sehr hohes Niveau von Schutzmaßnahmen gegen Naturgefahren gesetzt,
um dies zu halten sind aber weiterhin Maßnahmen nötig", betonte Karl Kleemayr, Leiter des Instituts
für Naturgefahren vom Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft
in Wien. Raumplanung, Objektschutz und eine Kombination verschiedener Maßnahmen sollen unter anderen zum
Risikomanagement beitragen. Kleemayr appelliert aber auch an die Eigenvorsorge und Mitarbeit der Bevölkerung.
Als Alpinexperte weiß Martin Gratz, dass sich die Menschen den Bedingungen in den Alpen seit jeher angepasst
haben. "Die Natur lässt sich nicht beherrschen." Der Klimawandel werde auch im volkswirtschaftlich
wichtigen Tourismusbereich Verschiebungen mit sich bringen. So könnte der aktuell stagnierende Sommertourismus
an Fahrt gewinnen. "Urlaubsgäste werden die Vorteile eines kühlen Bergsees gegenüber dem erwärmten
Meer noch zu schätzen wissen", so Gratz. Die Auswirkungen der geänderten klimatischen Verhältnisse
würden allerdings im Wintersport-Bereich größer sein. Das Festhalten an bestehenden Einrichtungen
ist aus Sicht des Experten Schwachsinn. "Es ist im höchsten Maße bedenklich, durch noch mehr Beschneiungsanlagen
Skigebiete aufrecht erhalten oder durch Schutzfolien die Gletscher retten zu wollen. Wir müssen in Zukunft
Strukturen - wie zum Beispiel Skigebiete - zusammenlegen. Umso früher wir handeln, umso besser."
Auch im Gesundheitsbereich machen geänderte Klimabedingungen Anpassungen erforderlich. So müssten Ärzte
und Personal im Gesundheitswesen verstärkt auf Tropenkrankheiten geschult werden. Das Raumklima und dadurch
der Bereich Bauen und Wohnen würden in den Vordergrund der Klimadiskussionen treten und post-traumatische
Belastungsstörungen wegen der Unwetter zunehmen, skizzierte Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und
Mikrobiologie, nur einige von vielen Möglichkeiten der Anpassung im Gesundheitssektor.
Die Strategie zum Klimawandel ist Teil des Regierungsprogramms und wird in einem der nächsten Ministerräte
behandelt. Darauf folgen eine Abstimmung mit den Bundesländern und eine Bewertung der Strategie in einigen
Jahren. |