Stöger:
Jetzt möglichem Ärztemangel aufgrund von Pensionsantritten entgegenwirken
Österreich hat im internationalen Vergleich mit rund 4,7 Ärztinnen und Ärzten
pro 1.000 Einwohner die höchste Ärztedichte Europas.
Wien (sk) - "Es geht darum, was wir heute mit einer koordinierten österreichweiten Planung tun
können, damit morgen die gute Versorgung der Bevölkerung mit Ärztinnen und Ärzten sichergestellt
ist", sagte Gesundheitsminister Alois Stöger am 20.07. in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wissenschaftsminister
Karlheinz Töchterle und dem Präsidenten der Ärztekammer, Artur Wechselberger. Anlass war eine vom
Gesundheitsministerium und dem Wissenschaftsministerium in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer
in Auftrag gegebene Studie von der Gesundheit Österreich GmbH, bezüglich Bedarf und Ausbildungsstellen
für Ärztinnen und Ärzte von 2010 bis 2030. Danach könnte es ab 2020 bis 2030 aufgrund von Pensionsantritten
je nach Prognose zu einem Engpass von 2.800 bis zu 9.900 Ärzten kommen.
Österreich hat im internationalen Vergleich mit rund 4,7 Ärztinnen und Ärzten pro 1.000 Einwohner
die höchste Ärztedichte Europas. Wobei laut Stöger in den Städten eher ein Überangebot
gegeben ist, in manchen ländlichen Regionen aber in einzelnen Bereichen Mangel herrscht. Das hänge mit
einer mangelnden Bereitschaft vieler Ärzte zusammen, sich im ländlichen Bereich niederzulassen. Ärztemangel
gibt es teilweise schon jetzt bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Urologie, der Gynäkologie und bei
der Hals-, Nasen- und Ohrenmedizin.
Der Gesundheitsminister betonte, dass die demografische Entwicklung berücksichtigt werden müsse. So würden
verstärkt Ärztinnen und Ärzte, die sich mit Altersmedizin auseinandersetzen, benötigt. Das
müsse sich in der Ausbildung spiegeln - auch in der postgraduierten, die leichter zugänglich werden soll.
Weiters solle die Allgemeinmedizin aufgewertet werden, denn es gebe einen zu hohen Krankenhaus-Zugang. Die Ausbildung
der Allgemeinmediziner soll daher verstärkt den Bereich Prävention umfassen. |
Töchterle: Optimierungspotenziale nutzen
Erstmals gemeinsame Bedarfsstudie von Gesundheits- und Wissenschaftsministerium sowie Ärztekammer
Wien (bmwf) - Erstmals wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums und des Wissenschaftsministeriums
in Kooperation mit der Ärztekammer, in einer gemeinsamen Studie der künftige Bedarf an Ärztinnen
und Ärzten bis 2030 voraus geschätzt. Die Studie "Ärztinnen und Ärzte: Bedarf und Ausbildungsstellen
2010 bis 2030" wurde von der Gesundheit Österreich GmbH erstellt und von Gesundheitsminister Alois Stöger,
Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle sowie dem Präsidenten der Österreichischen
Ärztekammer (ÖÄK), Dr. Artur Wechselberger, am 20.07. in einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentiert.
Sie beinhaltet sowohl den Ist-Stand der Ärzteversorgung, als auch eine Prognose bis 2030 und entsprechende
Empfehlungen.
Generell hat Österreich im internationalen Vergleich mit rund 4,7 berufsausübenden Ärztinnen und
Ärzten pro 1.000 Einwohner (Stand: 2009) eine der höchsten Ärztedichten Europas und weltweit, die
auch in den vergangenen Jahrzehnten noch eine maßgebliche Steigerung erfahren hat (OECD 2011). Insgesamt
weist Österreich mittlerweile fast viermal so viele Ärztinnen und Ärzte auf wie vor vierzig Jahren
(1960 bis 2010: plus 257 Prozent). Dabei ist die Zahl der Fachärztinnen und Fachärzte deutlich stärker
gestiegen (plus 470 Prozent) als jene der Allgemeinmediziner/innen (plus 115 Prozent). Seit dem Jahr 2000 ist die
Gesamtzahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte in Österreich um 30 Prozent gestiegen. Bereits
jetzt verlässt ein Teil der Medizin-Universitätsabsolventinnen und -absolventen das Land (vor allem nach
Deutschland und in die Schweiz). Um den medizinischen Nachwuchs in Österreich zu sichern, wird daher als zentrale
Aufgabe erkannt, die Absolventinnen und Absolventen österreichischer Medizin-Universitäten auch in den
hiesigen Arbeitsmarkt zu bringen.
Töchterle: Bieten qualitativ hochwertiges Medizinstudium - setzen uns für Verlängerung der
Medizinerquote ein
"Das Medizinstudium in Österreich hat eine lange und weltweit anerkannte Tradition in Forschung
und Ausbildung", so Wissenschafts-und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle. Die Medizinischen Universitäten
in Innsbruck, Graz und Wien haben in den vergangenen Jahren mit der Adaptierung ihrer Curricula in Richtung einer
verstärkten klinischen und patientenorientierten Ausbildung, der markanten Senkung der Drop-Out-Raten der
Studierenden sowie der durchschnittlichen Studiendauer, der Einführung des klinisch-praktischen Jahres und
derzeitigen Überlegungen zu einem einheitlichen Aufnahmeverfahren richtige Schritte in die Zukunft der medizinischen
Ausbildung gesetzt. "Sie tragen damit wesentlich zur weiteren Steigerung der Qualität des Studiums bei",
betont Töchterle.
Die Attraktivität und hohe Qualität der heimischen Medizinausbildung zeige sich auch daran, dass viele
junge Menschen aus dem Ausland zum Medizinstudium nach Österreich kommen möchten. Aktuell sind 75 Prozent
der Plätze für Studienanwärter/innen mit österreichischem Reifeprüfungszeugnis reserviert,
20 Prozent für jene aus EU-Ländern und 5 Prozent für jene aus Drittstaaten. Bekanntlich hat die
EU-Kommission im November 2007 Österreich ein Moratorium zur Aussetzung eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens
wegen dieser Quotenregelung gewährt. Dieses Fünf-Jahres-Moratorium würde im November auslaufen.
"Wir sind betreffend Verlängerung in ständigem und sehr gutem Kontakt mit der EU-Kommission",
unterstreicht der Minister. Die Studie zeige: Es brauche eine Quotenregelung, um die medizinische Versorgung in
Österreich sicherstellen zu können. Denn: laut Umfragen wollen 75 Prozent der deutschen Medizinstudierenden
nach ihrem Studium in Österreich ins Ausland.
Die vorliegende Studie zeigt aus Sicht des Wissenschaftsministers weiters, dass - gerade auch in Hinblick auf die
sehr hohe Ärztedichte - Optimierungspotenziale in anderen Bereichen des Gesundheitswesens außerhalb
der universitären Zuständigkeit genutzt werden müssen. Weiters sollen die Rahmenbedingungen für
Absolventinnen und Absolventen verbessert werden, um der Abwanderung entgegen zu wirken und als Standort attraktiv
zu bleiben.
Wechselberger: Bessere Arbeitsbedingungen für Mediziner unabdingbar
Für Artur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK),
bestätige die Studie jahrelange Warnungen der ÖÄK. "Auch wenn die beiden vorliegenden Berechnungsmodelle
eine große Bandbreite aufweisen, zeigen doch beide, dass es nicht fünf, sondern zwei vor Zwölf
ist. Die Gesundheitspolitik hat noch etwa 15 Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Das sind nicht einmal zwei
vollständige Mediziner-Ausbildungszyklen."
Im besten Fall, so die Studie, wäre der Mangel an Fachärzten und Allgemeinmedizinern erst in etwas mehr
als zehn Jahren österreichweit und fächerübergreifend spürbar. Im zweiten, ebenso realistischen
Szenario ginge die Schere zwischen Angebot und Bedarf an Ärzten bereits in den nächsten Jahren auf. Spätestens
2030 wäre dann die ärztliche Versorgung der Bevölkerung auf Basis des heutigen Niveaus nicht mehr
gesichert. Regional und fachspezifisch klafften allerdings schon heute große Lücken, erklärte der
ÖÄK-Präsident. Viele Landgemeinden müssten längst ohne niedergelassene Ärzte auskommen
und sogar in den Landeshauptstädten blieben Kassenstellen unbesetzt.
Unabdingbar sei daher für Wechselberger die Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für
Mediziner. Das betreffe erstens die Sicherstellung der verpflichtenden einjährigen Lehrpraxis sowie den sinnvollen
Einsatz von Turnusärzten, der sich auf die ärztlichen Ausbildungserfordernisse konzentrieren müsse.
Zweitens müssten die Arbeitszeitgesetze im Spital strikt eingehalten werden bzw. brauche man ein praktikables
Gruppenpraxengesetz, das den niedergelassenen Ärzten flexiblere Arbeitszeitmodelle ermögliche. Eine einigermaßen
ausgeglichene Work-Life-Balance sei Basisvoraussetzung für die Berufsentscheidung von Jungmedizinern, so Wechselberger.
Drittens sei eine leistungsgerechte Entlohnung unabdingbar. "Es kann nicht sein, dass ein Spitalsarzt, der
nach langer universitärer Ausbildung die Verantwortung für Leben und Tod trägt, nur durch enorme
Überstunden einen halbwegs angemessenen Verdienst erreicht. Oder dass eine Allgemeinmedizinerin mit Gebietskrankenkassen-Vertrag
heute so viel verdient wie vor fünfzehn Jahren, dabei aber immer mehr Ältere und chronisch Kranke versorgt,
die umfassende Betreuung brauchen", erklärte der ÖÄK-Präsident. Und schließlich
müsse man beim Bürokratieabbau endlich Nägel mit Köpfen machen, damit Ärztinnen und Ärzte
wieder ihre Kernaufgaben erfüllen könnten. Dazu gehöre auch das Gespräch. "Ich führe
selbst eine Praxis und weiß aus Erfahrung: Ärztliche Zuwendung ist kein Luxus, sondern eine effektive
Unterstützung bei Anamnese und Therapie", betonte der Ärztekammerpräsident. |