Wien (pk) - Nach sozialpolitischen Themen wandte sich der Bundesrat am 19.07.
der Bildungspolitik zu, wo unter anderem die Verschiebung der Zentralmatura, die Verlängerung der Sprachförderkurse
sowie neue Chancen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses zur Debatte standen. Weitere Diskussionspunkte betrafen
das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz, die Zusammenlegung des Bezirksgerichts Purkersdorf mit jenem
in Wien Hietzing und schließlich die finanzielle Absicherung des Institute of Science an Technology – Austria
in Gugging bis 2026.
Die Verschiebung der Zentralmatura an AHS und BHS – sie wird ein Jahr später als von der Regierung geplant
in den Schuljahren 2014/15 beziehungsweise 2015/16 allgemein eingeführt, wobei der jeweilige Schulgemeinschaftsausschuss
beschließen kann, die standardisierte Form der Reifeprüfung, wie von der Regierung vorgesehen, in den
Schuljahren 2013/14 bzw. 2014/15 abzuhalten - wurde lediglich von den Grünen scharf kritisiert.
Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) bewertete die Verschiebung als einen Schritt zurück, obwohl es positive
Rückmeldungen gegeben habe und über 280 Prototypen entwickelt worden seien. Er gab die Schuld vor allem
der ÖVP und appellierte an den politischen Willen, endlich eine Schulreform durchzuführen. Die BundesrätInnen
Christian FÜLLER (S/St), Bettina RAUSCH (V/N) und Monika MÜHLWERTH (F/W) warfen ein, dass es sich dabei
lediglich um eine Verschiebung, nicht aber um eine Abschaffung der standardisierten Reifeprüfung handle. Füller
wies darauf hin, dass der Schulgemeinschaftsausschuss beschließen könne, die Reform zum ursprünglichen
Zeitpunkt durchzuführen. Man gebe den Schulen mehr Vorbereitungszeit, argumentierte Bundesrätin Rausch
und nannte die Zentralmatura einen wichtigen Schritt zu mehr Vergleichbarkeit. Bundesrätin Mühlwerth
unterstützte ebenfalls den späteren Zeitpunkt der Umsetzung und zeigte Sympathie für die Zentralmatura,
die einen Hinweis darauf gibt, welches Niveau zu erreichen ist. Den Grünen warf sie vor, nichts von Bürgerbeteiligung
zu halten, wenn dies gegen ihre eigene Meinung gehen könnte.
Bildungsministerin Claudia SCHMIED bezeichnete die Zentralmatura als einen höchst notwendigen Paradigmenwechsel,
der zu einer Objektivierung der Reifeprüfung führe. Die Schulpartner seien von Beginn an laufend in die
Entwicklung des Projekts eingebunden gewesen, betonte sie. Die Neuregelung passierte die Länderkammer mit
Mehrheit.
Schmied: den Stellenwert von Bildung und Ausbildung als Wert verankern
Die den Abgeordneten zur Beschlussfassung vorliegende Novelle zum Schulorganisationsgesetz sieht die Verlängerung
der Sprachförderkurse an Österreichs Schulen um zwei weitere Jahre vor und wurde von allen Fraktionen
einhellig begrüßt. Während sich Bundesrat Johann SCHWEIGKOFLER (S/T) für eine unbefristete
Fortführung der Sprachförderkurse aussprach, unterstrich Bundesrat Franz WENGER (V/S) die Bedeutung dieser
Kurse mit dem Hinweis "früher investieren, statt später reparieren". Als einen Schlüssel
zur Integration aber auch zum persönlichen Fortkommen bezeichnete Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W)
die Beherrschung der Sprache und bedauerte, dass die Zahl der Kinder mit Sprachproblemen im Zunehmen begriffen
sei. Als bedenklich bewertete sie die Tatsache, dass rund 20% nach der Pflichtschule nicht ausreichend lesen und
schreiben können, wobei hier der Anteil der MigrantInnen sehr hoch sei. Das lasse nicht nur den Schluss zu,
dass die bisherigen Maßnahmen versagt haben, meinte Mühlwerth, das Problem müsse man auch in den
Köpfen der Menschen beginnen zu lösen. Es sei daher notwendig, aufzuklären, welch wichtigen Schlüsselfaktor
die Sprache darstelle, und dazu gehöre auch Leistungsbereitschaft und Disziplin. Die Bedeutung der Sprachbeherrschung
wurde auch von Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) unterstrichen, der ebenfalls für ein unbefristetes Angebot
an Sprachförderkursen eintrat.
"Es muss uns gelingen, den Stellenwert von Bildung und Ausbildung als Wert zu verankern", reagierte Bundesministerin
Claudia Schmied auf die vorangegangene Diskussion. Die Beherrschung der deutschen Sprache sei entscheidend für
den Bildungserfolg und das weitere Fortkommen eines Menschen. Es sei eine soziale aber auch eine ökonomische
Frage, alle Kinder zu fördern und auf kein Potential zu verzichten. Ihr besonderes Augenmerk werde daher auch
der intensiveren Fortbildung von LehrerInnen gehören, und zwar in Bezug auf Sprachvermittlung und interkulturelles
Lehren, versichert sie.
Neue Chancen für Nachholen des Pflichtschulabschlusses
Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, die keinen Pflichtschulabschuss im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht
erreicht haben, soll nun die Möglichkeit geboten werden, diesen in einer altersadäquaten Form nachholen
zu können. Die neue Form der Externistenprüfung wurde von den Mitgliedern des Bundesrats ebenfalls einhellig
unterstützt.
Dementsprechend begrüßten die BundesrätInnen Christian FÜLLER (S/St), Ferdinand TIEFNIG (V/O),
Monika MÜHLWERTH (F/W) und Efgani DÖNMEZ (G/O) das Gesetz unisono. Man könne es sich aus sozialen,
gesellschaftlichen und ökonomischen Gründen nicht leisten, dass jährlich 3500 bis 5000 Jugendliche
die Pflichtschule ohne Abschluss verlassen, sagte etwa Bundesrat Füller. Bundesrat Tiefnig appellierte an
die Betroffenen, die nun gebotenen Chancen auch zu nützen. Bundesrätin Mühlwerth regte an, sich
eingehend darüber Gedanken zu machen, warum so viele Jugendliche die Schule vorzeitig verlassen. Man müsste
alles daran setzen, zu vermitteln, dass Bildung ein Wert sei, sagte sie. Dem schloss sich Bundesrat Dönmez
vollinhaltlich an. Er schlug zudem ein Meldesystem vor, das darauf abzielt, SchulabbrecherInnen auf die neuen Möglichkeiten
aufmerksam zu machen. Er wies aber auch auf die Schwierigkeiten hin, wenn ältere Menschen versuchen, eine
Lehre zu beginnen.
Sie werde alles tun, damit die Zielgruppe dieser Maßnahme immer kleiner wird, bekräftigte daraufhin
Bundesministerin Claudia Schmied. Sie sei derzeit auch in Gesprächen mit ihrem Ministerkollegen Stöger,
um zu erreichen, dass derartige Basisabschlüsse, die in den Instituten der Erwachsenenbildung erreicht wurden,
eine Grundlage für die Ausbildung in Sozial- und Pflegeberufen sein können. Dem Appell, die Chancen auch
zu nützen, schloss sie sich gerne an.
Kürzung des Künstler-Sozialversicherungsfonds bleibt umstritten
Nach der Debatte über Bildungsfragen, stand das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz auf der Tagesordnung
des Bundesratsplenums. Zentrale Punkte der Novelle betreffen Erleichterungen für in Pension befindliche KünstlerInnen,
einen Zuschuss aus dem Fonds zu erhalten, sowie die befristete Kürzung der Mittel des Künstler-Sozialversicherungsfonds.
Der Bundesrat erhob dagegen keinen Einspruch. Der Beschluss fiel jedoch mehrheitlich, da sowohl FPÖ als auch
Grüne sich gegen die Neuregelung aussprachen. Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) begründete
ihre ablehnende Haltung damit, dass die FPÖ grundsätzlich für eine Systemänderung eintritt.
Sie plädierte für die Einführung eines Kunstsponsorings, das man steuerlich absetzen kann. Damit
würde man einen freien Austausch ermöglichen, meinte sie, das derzeit geltende System bringe dem gegenüber
die KünstlerInnen in eine gewisse Abhängigkeit vom Staat. Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) befürwortete
zwar die Erleichterungen für KünstlerInnen, auch in Pension Zuschüsse aus dem Fonds zu erhalten,
übte jedoch scharfe Kritik an der Reduzierung der Fondsmittel. Die geringeren Beiträge der Kabelnetzbetreiber
sowie der Vertreiber von Satellitenreceivern bedeuten de facto 13,5 Mio. € für die nächsten fünf
Jahre weniger, rechnete er vor.
Dem gegenüber argumentierte Bundesrat Edgar MAYER (V/V), die Gesetzesänderung stelle einen guten Kompromiss
dar, der Fonds sei ausreichend dotiert und könne in den nächsten Jahren trotz Kürzungen alle Ansuchen
abdecken. Zugleich würden KünstlerInnen motiviert, auch nach dem Eintritt in die Pension weiterhin künstlerisch
tätig zu sein. Die Neuregelung betrifft zirka 80 Personen, führte Bundesrätin Elisabeth GRIMLING
(S/W) aus, weshalb sie eine Reduzierung der Fondsmittel für vertretbar hält. Sie hoffte auch auf eine
Weitergabe der Ermäßigung an die KonsumentInnen. Grimling wies weiters darauf hin, dass die bestehende
Regelung hinsichtlich der Zuteilung von Zuschüssen besonders sozial schwache KünstlerInnen benachteilige.
Auch Bundesministerin Claudia Schmied verteidigte die Novelle als einen Kompromiss. Der Fonds sei als "Spezialvehikel"
geschaffen worden, erläuterte sie, bei dem es darum gehe, Ausgaben und Einnahmen in Balance zu halten. In
den letzten Jahren habe man jedoch ein Fondsvermögen aufbauen können, sodass der Fortbestand gesichert
sei. Sie erinnerte an die zeitliche Befristung der Einnahmenskürzung und wies auf die zahlreichen Verbesserungen
für KünstlerInnen aus dem Fonds seit 2008 hin. Darunter fallen zum Beispiel die Ausweitung der Beiträge
auf die Unfall- und Krankenversicherung sowie die Erhöhung der Zuschüsse.
Reform der Gerichtsorganisation soll der Qualitätssteigerung dienen
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Zusammenlegung des Bezirksgerichts Purkersdorf mit dem Bezirksgericht
Hietzing fanden bei den Mitgliedern der Länderkammer weitgehende Unterstützung. Lediglich die FPÖ
sprach sich dagegen aus, weil sie prinzipiell gegen die Schließung und Zusammenlegung von Bezirksgerichten
eintritt, wie Bundesrat Johann ERTL (F/N) erklärte. Dadurch komme es zu keinerlei Einsparungen, da die Bezirksgerichte
nicht nach Standort, sondern nach Verfahren bezahlt werden, argumentierte er, außerdem führe die Schließung
von Bezirksgerichten zur Aushöhlung des ländlichen Bereichs, zum Verlust von Arbeitsplätzen und
Kaufkraft und zur Erhöhung der Pendler.
Dem konnte sich Bundesrat Klaus FÜRLINGER (V/O) nicht anschließen. Bei dieser Reform gehe es als Antwort
auf geänderte Anforderungen um mehr Qualität, sowie um die Spezialisierung einzelner Gerichtsstandorte.
Auch müsse die Sicherheit erhöht werden. Fürlinger sprach nicht nur den konkreten Fall des Bezirksgerichts
Purkersdorf an, sondern auch die diesbezüglichen Vereinbarungen mit den Bundesländern Niederösterreich,
Oberösterreich und Steiermark und zeigte sich zufrieden darüber, dass die Ministerin das Gespräch
mit allen suche, um nach einer Güterabwägung eine gute Lösung zu finden. In ähnlicher Weise
äußerten sich die BundesrätInnen Juliane LUGSTEINER (S/N) und Marco SCHREUDER (G/W).
Sie verfolge mit diesem Weg drei Zielsetzungen, unterstrich Justizministerin Beatrix KARL in ihrer Stellungnahme.
Das betreffe die Steigerung der Qualität sowie die Spezialisierung der einzelnen Standorte, mehr Bürgerservice
und mehr Sicherheit. Durch größere Gerichtszentren im ländlichen Raum wolle sie für die BürgerInnen
eine kontinuierliche Beratung gewährleisten. Was das Bezirksgericht Purkersdorf betrifft, so bestünde
dort ein enormer Sanierungsbedarf, außerdem gehe kein Arbeitsplatz verloren, da die MitarbeiterInnen nach
Hietzing wechselten. Dorthin gebe es eine gute verkehrstechnische Anbindung. Die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich
passierte die Länderkammer mehrheitlich ohne Einspruch.
Absicherung von IST Austria wird von Bundesrat unterstützt
Der Bundesrat befürwortete heute auch einstimmig die Verlängerung der geltenden 15a-Vereinbarung mit
Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology - Austria
(IST Austria) bis 2026. Damit soll dem Institut ausreichende Planungssicherheit gegeben werden. Der Bund stellt
dem Institut von 2017 bis 2026 988 Mio. €, Niederösterreich 368 Mio. € zur Verfügung, wodurch das Institut
bis 2026 Mittel in der Höhe von 1,356 Mrd. € für sich verbuchen kann. 2014 soll eine umfassende Beurteilung
des IST durchgeführt und auf dieser Grundlage über dessen weitere Entwicklung entschieden werden.
Einhellige Zustimmung erhielt auch der Antrag zum Fachhochschul-Studiengesetz, mit dessen Hilfe gewährleistet
wird, dass spätestens mit 1. September 2012 bei allen Erhaltern von Fachhochschulen Kollegien eingerichtet
werden.
In der Debatte konzentrierten sich die RednerInnen auf das IST Austria. Es sei wichtig, derartige Spitzeninstitutionen
dezentral in den Bundesländern anzusiedeln, betonte eingangs Bundesrat Martin PREINEDER (V/N). Forschung und
Entwicklung zählten zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Weg in eine erfolgreiche Zukunft, sagte
er und unterstützte die finanzielle Absicherung bis 2026, da Forschung nur dann Qualität haben könne,
wenn es Planungssicherheit gibt. Diese Aussagen wurden von Bundesrat Reinhard TODT (S/W) bekräftigt. Österreich
tue gut daran, ein derartiges Vorhaben zu fördern, meinte er.
Eine kritische Note brachte Bundesrat Reinhard PISEC (F/W) in die Diskussion ein, da er den Standort Gugging für
prinzipiell fragwürdig hielt. WissenschaftlerInnen brauchen eine Community, merkte er an, und diese sei hier
nicht vorhanden. Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) anerkannte, dass sich das IST Austria als eine Erfolgsgeschichte
erwiesen hat und wünschte sich auch für die Universitäten eine ähnliche finanzielle Unterstützung.
Auch Universitäten brauchen langfristige Planungssicherheit, so Dönmez und unter den aktuellen Arbeitsbedingungen
sei es schwierig, Forschung und Lehre zu betreiben. Dieser Forderung schloss sich Bundesrat Maurice ANDROSCH (S/N)
an. Was IST Austria betrifft, so habe eine Evaluierung dem Institut ein gutes Zeugnis ausgestellt, berichtete er
und zeigte sich überzeugt davon, dass sich in kurzer Zeit auch eine entsprechende Community herausbilden wird.
Wissenschaftsminister Karlheinz TÖCHTERLE bekräftigte ebenfalls seinen Wunsch nach einer guten Dotierung
auch der Universitäten. Diese verfügten aber über eine langfristige Finanzierung, bei IST Austria
wäre diese 2017 ausgelaufen. Das Volumen der Finanzierung entspreche nicht ganz 3 % der Dotierung der Universitäten,
erläuterte Töchterle, dazu komme, dass das Institut sich zu einem großen Teil auch aus privaten
Sponsorengeldern erhalte. Der Standort Gugging sei gut, entgegnete der Minister der vorgebrachten Skepsis und zeigte
sich überzeugt davon, dass sich ein Campus entwickeln werde. Außerdem gebe es viele Kontakte zu wissenschaftlichen
Instituten in Wien, merkte er abschließend an. |