Ein internationales Team von Physikern hat mit hochpräzisen Messungen anhand besonders neutronenreicher
Calcium-Isotope die Theorie der Kernkräfte erfolgreich getestet.
Darmstadt (idw) - Maßgeblich dazu beigetragen haben die Theoretischen Physiker Professor Achim
Schwenk und Dr. Javier Menendez von der Technischen Universität Darmstadt. Die Erkenntnisse können helfen,
die Entstehung von Elementen im Universum und die Physik von Neutronensternen besser zu verstehen.
Laut Einsteins berühmter Formel E=mc2 ist die Masse eines Teilchens mit seiner Energie verknüpft. Daher
bestimmen Physiker mit der Masse gleichzeitig die Energie, mit denen Neutronen und Protonen im Atomkern zusammengehalten
werden, also die Kern-Bindungsenergie. Die Gruppe um Professor Schwenk hatte theoretische Vorhersagen erarbeitet,
die eine höhere Bindungsenergie von Calcium-51 und Calcium-52 schlussfolgerten, als es aufgrund aktueller
Massentabellen zu erwarten wäre. Sie berücksichtigten dabei zum ersten Mal Dreiteilchenkräfte, die
zwischen jeweils drei Neutronen oder Protonen wirken. Neutronen-Trios treten in den neutronenreichen Calcium-Isotopen
häufiger auf als etwa im sehr stabilen Isotop Calcium-40 und erklären so die relativ hohe Bindungsenergie.
Hochpräzise Messungen bestätigen theoretische Vorhersagen
Hochpräzise Massenmessungen der neutronenreichen Isotope Calcium-51 und Calcium-52 am Forschungszentrum TRIUMF
in Vancouver, Kanada, bestätigten nun die Vermutungen der Darmstädter Physiker. Die Messgenauigkeit,
die bei solchen Präzisionsmessungen erreicht werden kann, entspricht der Masse einer Büroklammer verglichen
mit der eines Jumbojets. Diese Genauigkeit gelang mit Hilfe der so genannten TITAN-Ionenfalle, die geladene Teilchen
aufgrund ihrer Bewegung in magnetischen und elektrischen Feldern wiegt. Das Ergebnis: Für beide Calcium-Isotope
ergab sich – wie von den Physikern vorhergesagt – eine erheblich größere Bindungsenergie, als man aufgrund
der Massentabellen erwarten konnte. Statt 20 Neutronen – wie das sehr stabile und häufigste Isotop Calcium-40
– hat Calcium-52 32 Neutronen. "Unsere theoretischen Vorhersagen stimmen hervorragend mit den präzisen
Massenmessungen überein", freut sich Schwenk, der die Ergebnisse gemeinsam mit seinen internationalen
Forscherkollegen im Juli im Fachmagazin Physical Review Letters publizierte.
Schritt zum fundamentalen Verständnis der Kernkräfte
Die neuen Erkenntnisse machen neutronenreiche Atomkerne, wie sie auch am GSI Helmholtzzentrum und bei FAIR in Darmstadt
entdeckt und untersucht werden können, besonders spannend im Hinblick auf das fundamentale Verständnis
und auf neue Aspekte der Kernkräfte. Neutronenreiche Atomkerne, solche mit wesentlich mehr Neutronen als Protonen,
befinden sich am Rande des Erkenntnisstandes der Kernphysiker. Sie zu verstehen sehen Forscher als sehr wichtig
an, denn die neutronenreichen Kerne spielen für die Entstehung schwerer Elemente eine zentrale Rolle. Die
neuen Ergebnisse helfen daher, die Elemententwicklung im Universum besser nachvollziehen zu können. Auch ebnen
sie den Weg für verbesserte Vorhersagen von Massentabellen und zum Verständnis von Neutronensternen,
in denen Neutronen ähnlich dicht wie in neutronenreichen Atomkernen aneinander gepackt sind. |