Anhaltende Unsicherheit im europäischen Bauwesen - mäßiges Wachstum in Österreich   

erstellt am
25. 07. 12

Wien (wifo) - Das Bauforschungsnetzwerk Euroconstruct sieht größere Unsicherheiten und senkt die Prognosen für die Entwicklung der Bauwirtschaft in den 19 europäischen Mitgliedsländern neuerlich. Der im Vorjahr prognostizierte leichte Aufschwung in diesen Ländern wird aufgrund der Konjunktureintrübung im Euro-Raum ausbleiben. Die Forschungsinstitute erwarten vielmehr 2012 einen Rückgang des Bauvolumens um insgesamt 2,1%, der vor allem auf den Einbruch im Tiefbau um 4,2% zurückzuführen ist. Die Aussichten für das österreichische Bauwesen sind etwas günstiger, obgleich das Wachstum 2012 mit +0,4% wesentlich niedriger ausfällt als im Vorjahr (2011 +2,6%).

Gemäß der aktuellen Prognose der 19 Forschungsinstitute im europäischen Euroconstruct-Netzwerk ist die Baukonjunktur in Europa weiterhin getrübt. Nachdem der Rückgang der Bauproduktion 2011 erstmals seit Beginn der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zum Stillstand kam, ist im Jahr 2012 wieder ein Einbruch zu erwarten (-2,1%). Das hängt eng mit der Abschwächung der Konjunktur und öffentlichen Sparanstrengungen in Europa zusammen.

Innerhalb des Bauwesens zeichnet sich derzeit eine Änderung der Nachfragestruktur ab: Hatte in den ersten Jahren nach der Finanzmarktkrise der Tiefbau einen großen Teil des Nachfrageausfalls im Hochbau wettgemacht bzw. einen wesentlich stärkeren Rückgang der Bauproduktion verhindert, so übernimmt gegenwärtig der Wohnbau diese Rolle: Im Jahr 2011 verzeichnete der Wohnbau erstmals seit 2008 ein Wachstum (+1,5%). Bis 2014 ist - nach einer temporären Abschwächung 2012 - mit mäßigen Steigerungsraten zu rechnen, jedoch weiterhin von sehr niedrigem Niveau aus. Am besten sind bis 2014 die Wachstumsaussichten für den Wohnbau in Norwegen, Schweden, Deutschland und auch Großbritannien. Ein Rückgang ist vor allem in den Ländern mit gesamt- und immobilienwirtschaftlichen Verwerfungen zu beobachten. Die Perspektiven für die Wohnhaussanierung sind nach einem geringfügigen und einmaligen Rückgang im Jahr 2012 stabil, die Einschränkung von Förderungen und Steuerbegünstigungen angesichts des Konsolidierungsdrucks auf die öffentlichen Haushalte dämpft die Aussichten jedoch etwas.

Die Konjunktureintrübung in Europa infolge der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum wirkt sich deutlich auf den sonstigen Hochbau aus - insbesondere Investitionen in neue Gewerbeimmobilien sind betroffen. Aufgrund der öffentlichen Sparmaßnahmen ist der Ausblick aber auch für Gesundheits- und Bildungsgebäude im Prognosezeitraum negativ. Erst 2014, wenn auch die Gesamtwirtschaft wieder stärker expandiert, wird eine Erholung des sonstigen Hochbaus in Europa erwartet - insbesondere in den nordischen Ländern (Dänemark, Finnland, Norwegen) und in der Schweiz. Diese wird vor allem vom Büro- und Industriebau getragen sein.

In Europa ist der Tiefbau am stärksten von den staatlichen Budgetrestriktionen betroffen. 2012 wird ein empfindlicher Rückgang um 4,2% erwartet, vor allem im Bereich der Verkehrsinfrastrukturbauten.

Etwas günstiger sind die Aussichten für die österreichische Bauwirtschaft. Sie entwickelte sich im Jahr 2011 mit +2,6% deutlich besser als der Durchschnitt der Euroconstruct-Länder (+/-0,0%). Zurückzuführen ist dieser Vorsprung auf die kräftige Steigerung des Wohnbaus (+3,6%) und des sonstigen Hochbaus (+4,2%). Dank der starken Zunahme der Industrieproduktion trug vor allem die Sparte Industrie- und Lagergebäude zur Ausweitung des sonstigen Hochbaus bei. Im Prognosezeitraum wird sich das Wachstum des österreichischen Bauwesens infolge der Konjunktureintrübung deutlich verlangsamen, bis 2014 wird eine durchschnittliche jährliche Steigerung um etwa 0,6% prognostiziert. Der Tiefbau wird in den nächsten Jahren leicht rückläufig sein, insbesondere wegen der geplanten Einschränkung der öffentlichen Investitionen in die Schieneninfrastruktur. Positive Wachstumsbeiträge sind aus den Sektoren sonstiger Hochbau und Wohnbau zu erwarten.

Im österreichischen Wohnbau profitiert der Neubau vom steigenden Bedarf aufgrund der demographischen Entwicklung, während die erwartete Einschränkung der Neubauförderung und zunehmende Anspannungen auf dem Arbeitsmarkt die Aussichten etwas dämpfen. So wird bereits 2012 mit einem leichten Rückgang der Baubewilligungen von neuen Wohneinheiten gerechnet, der sich 2013 noch etwas verstärkt. Jedoch liegen weiterhin die Baubewilligungen je 1.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohner über dem Durchschnitt der Euroconstruct-Länder.

Zwtl.: Hinweis: Bauforschung im Rahmen des Euroconstruct-Netzwerks
Dem Euroconstruct-Netzwerk gehören Bau- und Konjunkturforschungsinstitute aus 19 europäischen Ländern an, darunter auch das WIFO. Zweimal jährlich werden im Rahmen einer Konferenz Analysen und Prognosen zur Baukonjunktur und zur Entwicklung in den einzelnen Sparten (Wohnbau, sonstiger Hochbau, Tiefbau) vorgelegt.

Als die "19 Euroconstruct-Länder" werden hier 15 westeuropäische Länder (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz und Spanien) und 4 ostmitteleuropäische Länder bezeichnet (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn).
     
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