Wien (rzb) - Die Europäische Zentralbank (EZB) beließ bei ihrer heutigen Sitzung den Hauptrefinanzierungssatz
unverändert bei 0,75 %. Der Einlagesatz bleibt bei 0 % und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 1,50 %. Wichtiger
aber, die Notenbank stellte direkte Käufe von Staatsanleihen unter bestimmten Voraussetzungen in Aussicht
(abgeändertes Security Market Programme (SMP)). Die EZB will dabei gemeinsam mit den Rettungsschirmen EFSF
bzw. ESM aktiv werden, deren Aktivierung ist eine Voraussetzung für Interventionen durch die Notenbank. Einem
Land muss also zuvor Hilfe von einer der Rettungsmechanismen gewährt werden, und dieses Land muss somit die
entsprechenden Auflagen erfüllen. Die dann möglichen Interventionen durch die EZB sollen sich auf das
kurze Ende der Laufzeitenkurve konzentrieren. Mit dem Umstand des Senior Status der von EZB gehaltenen Staatsanleihen
will sich die Notenbank in den kommenden Wochen beschäftigen. Zudem ist die Frage, ob Anleihenkäufe sterilisiert
werden, noch ungeklärt.
Marktreaktion
Im Zuge der Pressekonferenz konnten die Kurse von deutschen Staatsanleihen zulegen, der Euro verlor gegenüber
dem USD an Boden und die Notierungen auf den Aktienmärkten gaben brachen ein.
Einschätzung
Die Wortwahl der EZB zum Konjunkturausblick war deutlich reservierter im Vergleich zur letzten Pressekonferenz.
Zusätzlich wurden die Abwärtsrisiken bei der Inflationsentwicklung stärker hervorgehoben. Im September
werden wohl die neuen EZB Prognosen den eingetrübten Wirtschaftsausblick berücksichtigen und somit den
Weg für eine nochmalige Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes auf 0,5 % freimachen. EZB Chef Draghi betonte,
dass die hohen Refinanzierungskosten für einzelne Länder, welche auf übertriebene Risikoprämien
zurückzuführen sind, einer der Hauptursachen für konjunkturelle Abwärtsrisiken darstellen.
Das Ausmaß, in dem diese Risikoprämien auf Ängste eines Auseinanderbrechens der Eurozone beruhen,
liegt innerhalb des Mandates der EZB. Die Notenbank präsentierte keine detaillierte Vorgehensweise bei ihrer
vorgestellten Strategie. Die gegebenen Informationen sind aber so zu interpretieren, dass die EZB im Falle ihres
Eingreifens Anleihen mit einer Restlaufzeit bis zu drei Jahren am Sekundärmarkt kaufen würde. Der EFSF
oder später die ESM soll zeitgleich zur direkten oder indirekten längerfristigen Finanzierung von Staaten
dienen (Interventionen am Primär- oder Sekundärmarkt, direkte Kredite).
Unserer Ansicht nach hat die EZB einen eleganten Weg gefunden, die EUR Länder in ihrem Krisenmanagement zu
unterstützen. Erstens, jegliche Intervention durch die Notenbank ist - im Gegensatz zu den früheren Staatsanleihenkäufen
oder einer Eurobond Lösung - verbunden mit der Aktivierung einer der Rettungsschirme und somit an strenge
wirtschaftliche und fiskalische Reformauflagen gebunden. Dies belässt die Verantwortung wo sie hingehört.
Denn langfristig ebnen nur diese Reformen den Weg aus der aktuellen Krise - alles andere kauft lediglich Zeit,
um die zugrundeliegenden Probleme zu lösen (hohe private/öffentliche Verschuldung, ineffiziente öffentliche
Verwaltung, rigide Arbeitsmärkte, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, Leistungsbilanzdefizite, etc.)
Zweitens bleibt die EZB so unabhängig wie möglich, da ein EFSF / ESM Rettungspaket zwar eine notwendige
aber keine ausreichende Bedingung für EZB Interventionen sein soll. Es bleibt also die Notenbank selbst, welche
über das Ausmaß der verwendeten Gelder entscheidet. Andere Konzepte, wie beispielsweise eine Refinanzierung
der Rettungsschirme (Banklizenz für EFSF/ESM) würde diese Entscheidungsmacht auf eine andere Institution
übertragen.
Allerdings bleibt mit dem präsentierten Plan mindestens noch eine wichtige Frage offen: Wie hoch ist das angemessene
Renditeniveau für Programmländer nach Ansicht der EZB? Zudem wird ein bedeutendes Defizit, welches die
Märkte beunruhigt, nicht behoben: Die eingeschränkte Feuerkraft der Rettungsschirme EFSF / ESM.
Empfehlung
Politisch ist es für Spanien oder Italien eine sehr ungeliebte Entscheidung EFSF / ESM Hilfe zu beanspruchen.
Keiner dieser Länder wird "freiwillig" unter einen Rettungsschirm schlüpfen, lediglich Marktdruck
wird diese dazu zwingen. Wir rechnen mit neuerlichen Aufwärtsdruck auf die Renditen dieser Länder, welcher
mit neuen Renditetiefs bei "sicheren Häfen" wie deutschen Staatsanleihen einhergehen dürften.
Innerhalb der spanischen und italienischen Renditekurve gehen wir von einer Versteilerung aus (Phantasie auf EZB
Interventionen am kurzen Ende).
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