Einer der größten europäischen Forschungs-Förderungspreise geht an einen
Mathematiker der TU Wien: Franz Schuster erhält einen ERC-Grant für seine Forschung im Bereich der Geometrie.
Wien (tu) - Warum sind Seifenblasen rund? Seit Jahrhunderten macht man sich in der Mathematik über
solche und verwandte Fragen Gedanken. In den letzten Jahrzehnten erlebte das Gebiet der geometrischen Analysis,
in dem an Eigenschaften von Körpern (wie Volumen und Oberfläche) systematisch geforscht wird, einen Aufschwung.
Franz Schuster vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der TU Wien erhält nun für seine
Forschungen den „ERC-Starting Grant“ des European Research Council (ERC), der mit etwa 1 Million Euro dotiert ist.
Mit dieser Förderung kann Schuster seine Arbeitsgruppe erweitern und die Theorie geometrischer Ungleichungen
mit anderen wichtigen Bereichen der Mathematik verknüpfen.
Ein runder Garten braucht wenig Gartenzaun
Die phönizische Königin Dido durfte der Sage nach so viel Land beanspruchen, wie sich mit einem Lederband
umspannen ließ. Welche geometrische Form musste sie wählen, um ein möglichst großes Stück
Land zu erhalten? Dieses Problem wird in der Mathematik durch die „isoperimetrische Ungleichung“ beschrieben: Die
Fläche einer zweidimensionalen Figur ist immer kleiner oder gleich groß wie das Quadrat des Umfangs
geteilt durch vier Pi. Gleichheit gilt genau für den Kreis – er ist die Form mit maximalem Flächeninhalt
bei gegebenem Umfang. Bei mehr als zwei Dimensionen liefern Kugeln die optimale Lösung, darum sind Seifenblasen
rund, wenn ein bestimmtes Luftvolumen mit einer möglichst kleinen Oberfläche umspannt werden muss.
Die Schönheit der Mathematik
„Mathematik ist eine Wissenschaft, in der die schönsten Resultate oft auch die wichtigsten sind“, sagt Franz
Schuster, „und die isoperimetrische Ungleichung ist eines der schönsten und wichtigsten Resultate in der Geometrie.“
In seinem Forschungsprojekt beschäftigt sich Schuster mit weitreichenden Verallgemeinerungen und Verschärfungen
der klassischen isoperimetrischen Ungleichung. Dazu verwendet sein Forschungsteam Methoden aus der Integralgeometrie,
einem Bereich der Mathematik, dessen starke Verbindungen zu isoperimetrischen Problemen erst in letzter Zeit aufgedeckt
wurde – ganz besonders durch wichtige Arbeiten der Forschungsgruppe für konvexe und diskrete Geometrie an
der TU Wien.
Nutzen für die Naturwissenschaften
Auf Schönheit alleine kommt es bei der Forschung freilich nicht an: Die Ergebnisse, die Franz Schuster erarbeitet,
sind für viele wissenschaftliche Anwendungen wichtig. „Die meisten Vorgänge in den Naturwissenschaften,
wie etwa in der Strömungsmechanik oder der Quantenphysik, werden durch partielle Differentialgleichungen beschrieben“,
erklärt Schuster. „Leider lassen sich die Lösungen der meisten dieser Gleichungen nicht in einfacher
Weise durch eine Formel ausdrücken, sondern nur näherungsweise errechnen.“
Um herauszufinden, ob es solche Lösungen überhaupt gibt, ob die Lösung eindeutig ist und wie gut
bestimmte Näherungen funktionieren, greift man meist auf Abschätzungen mit geometrischem Hintergrund
zurück. Dieser geometrische Kern steht oft in engem Zusammenhang mit isoperimetrischen Ungleichungen.
„With great power comes great responsibility”
Der ERC-Starting Grant ist nicht die erste große Auszeichnung für Franz Schuster: Erst kürzlich,
im Juni 2012, erhielt er einen START-Preis des FWF. „Möglich wurden diese Erfolge durch das exzellente wissenschaftliche
Umfeld in der Forschungsgruppe für konvexe und diskrete Geometrie“, betont Franz Schuster. „Schon seit den
Siebzigerjahren ist die konvexe geometrische Analysis in Wien sehr stark vertreten – aufgebaut zunächst von
Prof. Peter Gruber. Erst vor zwei Jahren konnte mit Prof. Monika Ludwig eine der weltweit führenden Wissenschaftlerinnen
auf diesem Gebiet aus New York nach Österreich zurückgeholt werden.“
Franz Schuster sieht sich und sein Team als Teil einer langjährigen Tradition der Konvexgeometrie an der TU
Wien. „Insofern ist mit den Forschungsförderungen auch eine große Verantwortung verbunden, diese Tradition
fortzuführen und neue, entscheidende Impulse zu setzen“, sagt Schuster.
Franz Schuster stammt aus dem Burgenland und studierte an der TU Wien Mathematik. Trotz mehrerer Auslandsaufenthalte
in Florenz, Freiburg und New York kehrte er immer wieder an die TU Wien zurück und möchte seiner Arbeitsgruppe
auch in Zukunft treu bleiben. Neben dem ERC-Grant und dem START-Preis wurde Franz Schuster 2010 auch mit dem Hlawka-Preis
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. |