Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011
Wien (pk) - Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie hat dem Nationalrat
den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2011 vorgelegt, der eine Übersicht über die Entwicklung
des Schienenverkehrsmarkts 2011 gibt. Markantes Ereignis das Vorjahrs war der Markteintritt der privaten WESTbahn
Management GmbH im Bereich des Personenfernverkehrs im Dezember 2011. Das Jahr brachte auch eine Novelle zum Eisenbahngesetz
mit Bestimmungen zu Interoperabilität des Eisenbahnsystems und zu vereinheitlichten Sicherheitsbestimmungen.
Der Schienengüterverkehr blieb gegenüber 2010 nahezu unverändert. Schwerpunktthema auf europäischer
Ebene war der Recast zum 1. Eisenbahnpaket, der im Herbst 2011 auch im Europäischen Parlament behandelt wurde.
Die Zahl der Verfahren und damit der Arbeitsumfang im Schlichtungs- und Regulierungsbereich nahm weiter zu.
Entwicklung des Eisenbahnmarktes
Das österreichische Schienennetz unterschied sich 2011 gegenüber 2010 nur unwesentlich und umfasst nunmehr
5.568 Kilometer. Fünf Streckenabschnitte wurden formal stillgelegt, einige wenige fertige Neubauabschnitte
kamen hinzu. Der Schienengüterverkehr veränderte sich im Jahr 2011 gegenüber 2010 nur geringfügig.
Das Aufkommen (Nettotonnen) ging etwas zurück, wogegen die Verkehrsleistung (Tonnenkilometer) nahezu gleich
blieb, was vor allem auf Rückgänge im Kurzstreckenverkehr zurückzuführen ist.
Die Zahl der aktiven Marktteilnehmer im Schienengüterverkehr hat 2011 erneut zugenommen. Bei den aktuellen
Neuzugängen handelt es sich um die ALPINE Bau GmbH und um die Safety4you Baustellenlogistik GmbH. Die Rail
Professionals Stütz GmbH hatte bereits Ende 2010 die Sicherheitsbescheinigung erhalten, wurde jedoch erst
2011 operativ tätig.
Die Privatbahnen (der Begriff umfasst alle Bahnen außerhalb des ÖBB-Konzerns) konnten ihren Marktanteil
im Verkehrsaufkommen von 19,8 % auf 20,6 % steigern, hingegen sank ihr Anteil an der Verkehrsleistung von 14,6
% auf 14,4 %. Fünf Unternehmen haben dabei Marktanteile zwischen 2 und 3,3 %, die übrigen kamen bisher
über je 0,5 % Marktanteil nicht hinaus.
Im Personenverkehr wurden im Berichtsjahr 244 Mio. Reisende befördert, was einen Zuwachs gegenüber 2010
darstellt. Der Marktanteil der Privatbahnen hat sich dabei von 12,9 % auf 13,6 % erhöht. Der Markteintritt
der WESTbahn Management GmbH erfolgte erst Mitte Dezember 2011 und hat sich daher im Jahr 2011 statistisch noch
nicht stark ausgewirkt. Die Schienen-Control befasste sich bereits im Vorfeld mit Fragen des diskriminierungsfreien
Marktzugangs. Auch bei der Trassenvergabe konnte unter Mitwirkung der Schienen-Control ein für alle Beteiligten
tragbarer Kompromiss gefunden werden.
Ein weiterer neuer Marktteilnehmer ist die Majestic Imperator Train de Luxe Waggon Charter GesmbH, welche im Charterverkehr
tätig ist. Hingegen hatten die DB Fernverkehr AG sowie die Südostbayernbahn 2011 keine Sicherheitsbescheinigung
mehr, ihre Züge wurden im ÖBB-Netz von der ÖBB-Personenverkehr AG bzw. der DB Regio AG gefahren.
Die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs hatte auch 2011 noch keine direkten
Auswirkungen auf Österreich.
Rechtliche Neuerungen 2011
Die Eisenbahngesetznovelle 2011 setzte EU Richtlinien über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems
und betreffend die Eisenbahnsicherheit um. Sie brachte auch einige für die Schienenverkehrsmarktregulierung
relevante Änderungen, unter anderem wurden die Fristen bei der Trassenzuweisung geregelt. Im Bereich der Fahrgastrechte
wurden Eisenbahnunternehmen verpflichtet, der Schienen-Control auf deren Verlangen Auskünfte über die
Kundenzufriedenheit zu erteilen.
Der im Jahr 2010 von der Europäischen Kommission vorgelegte Entwurf des Recast zum 1. Eisenbahnpakets wurde
im Jahr 2011 von den zuständigen europäischen Institutionen behandelt. Die Abstimmung im Plenum des Europäischen
Parlaments am 16. November führte zu einem geänderten Vorschlag seitens des Parlaments. Durch den Recast
werden der Zugang zu Serviceeinrichtungen konkretisiert, die Trassenpreise
weiter harmonisiert und die Kompetenzen der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt. Größter
Streitpunkt im Plenum des Europäischen Parlaments war die Trennung der Rechnungsführung innerhalb der
Bahnunternehmen. Die Europaabgeordneten sprachen sich dafür aus, dass Einnahmen aus der Schieneninfrastruktur
nicht in Verkehrsunternehmen oder andere Einheiten einer Holding fließen dürfen.
Im Laufe des Jahres 2012 muss sich das Europäische Parlament mit dem EU-Ministerrat auf eine gemeinsame Linie
verständigen, ehe der Recast in Kraft treten kann. Seitens der Europäischen Kommission wurde außerdem
angekündigt, Ende 2012 Vorschläge für ein 4. Eisenbahnpaket zu unterbreiten. Darin sollen Vorschläge
zur Trennung von Netz und Betrieb gemacht werden.
Das gegen Österreich eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung des 1. Eisenbahnpaketes
wurde 2011 fortgesetzt. Gegenstand ist die fehlende Unabhängigkeit des für die Erhebung der Wegeentgelte
und die Zuweisung von Fahrwegkapazität zuständigen Infrastrukturbetreibers innerhalb des ÖBB-Konzerns.
2012 sollen in dem Verfahren Hearings stattfinden, eine Entscheidung wird für 2013 erwartet.
Beschwerden bei der Schlichtungsstelle nahmen um ein Drittel zu
Im Jahr 2011 verzeichnete die Schlichtungsstelle 659 Beschwerdefälle, was gegenüber dem Vorjahr mit einem
Plus von rund 31 % eine erneute Steigerung bedeutet. 538 Fälle konnten positiv erledigt werden, in 321 Fällen
wurde darüber hinaus auch eine Entschädigung oder ein Strafnachlass für den Beschwerdeführer
erreicht. 90 Fälle mussten abgelehnt werden. Die durch die Schlichtungsstelle erreichten monetären Entschädigungen
und Strafnachlässe stiegen um 8,8 % auf 27.542 € an.
Wie bereits in den Jahren zuvor stellten Fahrgeldnachforderungen, sonstige Strafgebühren bzw. Inkassogebühren
mit 37 % die größte Gruppe an Beschwerden dar. Platz 2 nimmt die Kategorie Information/Kundenkontakt
ein, Platz 3 Beschwerden über unfreundliches Personal. Bei den von den Beschwerden betroffenen Eisenbahnunternehmen
liegt weiterhin der ÖBB-Konzern mit mehr als 97 % aller Beschwerden vorne.
Innerhalb des Konzerns beziehen sich mehr als 92 % auf die ÖBB-Personenverkehr AG. Im Jahr 2011 waren drei
Beschwerden einer österreichischen Privatbahn zuzurechnen, je eine der Wiener Lokalbahnen AG, dem City Airport
Train und der Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH. Beschwerden über ausländische Eisenbahnunternehmen
sind zurückgegangen.
Das Inkrafttreten der EU-Fahrgastrechteverordnung und des Bundesgesetzes zur Verordnung hatte unter anderem zur
Konsequenz, dass den Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen einige Informationspflichten auferlegt
wurden. Seit Dezember 2011 gibt es in allen Bahnhöfen der ÖBB-Infrastruktur AG einen Aushang "Information
zu Ihren Fahrgastrechten" als Schritt hin zu mehr Information der Reisenden.
Die Erledigung von Anträgen auf Verspätungsentschädigung überschreitet in der Praxis meist
die von der Fahrgastrechteverordnung vorgesehene Monatsfrist. Für die Entschädigung von Jahreskartenbesitzern
sind die Pünktlichkeitsgrade relevant. Dabei wurde angesichts der bevorstehenden Fahrgastrechtenovelle von
der Schienen-Control vorerst zur Kenntnis genommen, dass Eisenbahnverkehrsunternehmen für 2011 noch unterschiedliche
Pünktlichkeitsgrade festlegten. Es werde erwartet, dass im neuen Fahrgastrechtegesetz der Pünktlichkeitsgrad
einheitlich mit 95 % festgelegt wird, hält der Bericht dazu fest.
Zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten der EU-Fahrgastrechteverordnung und rund zwei Jahre nach der nationalen Umsetzung
hat sich gezeigt, dass eine Weiterentwicklung der Fahrgastrechte wichtig ist. Das Eisenbahnbeförderungsgesetz
muss den rechtlichen Entwicklungen auf EU-Ebene angepasst und die Regelungen müssen weiter ausgebaut werden,
um für die Praxis wirklich effektiv zu sein. Die Schienen-Control hat einige Vorschläge zur Weiterentwicklung
der Fahrgastrechte eingebracht.
Arbeit der Regulierungsbehörden
Im Kalenderjahr 2011 wurden neun Sitzungen und eine Klausur der Schienen-Control Kommission abgehalten. Themen
der Klausur waren die konkurrierenden Zuständigkeiten der Schienen-Control Kommission und des Kartellgerichts,
Regulierungsfragen im Zusammenhang mit dem diskriminierungsfreien Zugang zu Güterterminals und Häfen,
die Fahrgastrechtenovelle und die Regulatoren-Plattform IRG-Rail (Independent Regulators' Group-Rail). Aufgrund
eingegangener Beschwerden bzw. aufgrund von Erkenntnissen aus ihrer Marktbeobachtung leitete die Schienen-Control
Kommission im Berichtsjahr 60 Verfahren ein.
Die WESTbahn brachte eine Beschwerde bei der Schienen-Control Kommission ein, da ihr von der ÖBB-Infrastruktur
AG die Zurverfügungstellung von Echtzeitdaten anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen verweigert wurde. Diese
wurden benötigt, um Fahrgäste über Verspätungen von Anschlusszügen informieren zu können.
Die Schienen-Control Kommission stellte dazu fest, dass ihre Entscheidung von der Auslegung einschlägiger
EU-Richtlinien abhängen werde. Sie legte daher dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung dieser
Rechtsakte zur Vorabentscheidung vor.
Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen wandte sich an die Schienen-Control Kommission, weil es die geplante Gesamtsperre
der Brennerstrecke im Sommer 2012 und die im Jahr 2012 vorgesehene Priorisierung der Züge der Rollenden Landstraße
während des eingleisigen Betriebs für wettbewerbsrechtlich unzulässig hielt. Die Priorisierung der
Rollenden Landstraße wurde auch von der Schienen-Control Kommission als Verstoß gegen den Grundsatz
der diskriminierungsfreien Gewährung des Zugangs zur Schieneninfrastruktur gewertet und aufgehoben. Bezüglich
der Gesamtsperre entschied die Schienen-Control Kommission jedoch, dass diese notwendig sei, und stellte daher
das Verfahren ein.
Im Koordinierungsverfahren bei der ÖBB-Infrastruktur AG betreffend Trassenkonflikte zwischen der ÖBB-Personenverkehr
AG und der WESTbahn konnte zunächst keine Einigung erzielt werden. Beide Unternehmen erhoben Beschwerde bei
der Schienen-Control Kommission, woraufhin diese Vergleichsgespräche initiierte, die schließlich zur
gewünschten Einigung führten.
Internationale Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden
Am 9. Juni 2011 wurde in Den Haag das Memorandum of Understanding zur Gründung der gemeinsamen Plattform der
unabhängigen Eisenbahnregulierungsbehörden IRG-Rail durch die fünfzehn Gründungsmitglieder
unterzeichnet. Eine etwa zweimal jährlich stattfindende Vollversammlung wird der Beschlussfassung dienen.
Fünf Arbeitsgruppen befassen sich zudem mit den Güterverkehrskorridoren, der Gefährdung des wirtschaftlichen
Gleichgewichts gemeinwirtschaftlicher Verträge, der Marktbeobachtung, dem Recast zum 1. Eisenbahnpaket und
mit gemeinsamen Ansätzen in Fragen des Benützungsentgelts. Auf der im November 2011 abgehaltenen Plenarversammlung
wurden die Berichte der Arbeitsgruppen diskutiert und Beschlüsse zu den Arbeitsergebnissen gefasst.
Ausblick und Jahresbilanz
Auf gesetzlicher Ebene wird für das Jahr 2012 eine Novelle zu den Fahrgastrechten erwartet. Darin sollen unter
anderem Pünktlichkeitsgrade und Entschädigungsbedingungen präzisiert und der Schienen-Control mehr
Befugnisse eingeräumt werden. 2012 wird das erste volle Betriebsjahr der WESTbahn sein.
Zahlen und Fakten zur Schienen-Control GmbH als Unternehmen ergänzen den Bericht. Das Unternehmen finanziert
sich durch Beiträge der Eisenbahnverkehrsunternehmen. 2011 konnte das Budget deutlich unterschritten und damit
325.779,09 € an Beiträgen rückvergütet werden. Da das Unternehmen verpflichtet ist, einen Nullgewinn
auszuweisen, wird der Jahresüberschuss in Höhe von 26.681,36 € einer Gewinnrücklage zugeführt.
Der Bericht zählt weiters die Marktteilnehmer auf, Ende 2011 waren 42 Eisenbahnunternehmen in Österreich
tätig, vierzig davon aus Österreich, zwei aus Deutschland. Kontaktdaten zu Regulatoren in Europa sowie
Quellenangaben und Glossar runden den Bericht ab. |